Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
95.
Am Schönen fehlt es nicht, fürs Schöne nicht am Sinn
Warum wird nie der Welt das Schöne zum Gewinn?
Das Schöne, wie der Sinn dafür, ist so zerstreut,
Daß selten eines sich des andern recht erfreut.

96.
Sie sagen dir, nichts sei wie Eigenlob zu hassen:
Uns sollst du loben, und von uns dich loben lassen!
Doch wenn du sie nun lobst, daß sie dich wieder loben,
Und sie dich preisen, um von dir zu seyn erhoben;
Ist dieser Eigenruhm, weil er umständlicher
Geworden ist, darum ein minder schändlicher?
Ihr habet nur das Amt einander zugeschoben,
Einer den andern, statt jeder sich selbst, zu loben.

95.
Am Schoͤnen fehlt es nicht, fuͤrs Schoͤne nicht am Sinn
Warum wird nie der Welt das Schoͤne zum Gewinn?
Das Schoͤne, wie der Sinn dafuͤr, iſt ſo zerſtreut,
Daß ſelten eines ſich des andern recht erfreut.

96.
Sie ſagen dir, nichts ſei wie Eigenlob zu haſſen:
Uns ſollſt du loben, und von uns dich loben laſſen!
Doch wenn du ſie nun lobſt, daß ſie dich wieder loben,
Und ſie dich preiſen, um von dir zu ſeyn erhoben;
Iſt dieſer Eigenruhm, weil er umſtaͤndlicher
Geworden iſt, darum ein minder ſchaͤndlicher?
Ihr habet nur das Amt einander zugeſchoben,
Einer den andern, ſtatt jeder ſich ſelbſt, zu loben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0072" n="62"/>
        <div n="2">
          <head>95.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Am Scho&#x0364;nen fehlt es nicht, fu&#x0364;rs Scho&#x0364;ne nicht am Sinn</l><lb/>
              <l>Warum wird nie der Welt das Scho&#x0364;ne zum Gewinn?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Das Scho&#x0364;ne, wie der Sinn dafu&#x0364;r, i&#x017F;t &#x017F;o zer&#x017F;treut,</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;elten eines &#x017F;ich des andern recht erfreut.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>96.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Sie &#x017F;agen dir, nichts &#x017F;ei wie Eigenlob zu ha&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
              <l>Uns &#x017F;oll&#x017F;t du loben, und von uns dich loben la&#x017F;&#x017F;en!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Doch wenn du &#x017F;ie nun lob&#x017F;t, daß &#x017F;ie dich wieder loben,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ie dich prei&#x017F;en, um von dir zu &#x017F;eyn erhoben;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>I&#x017F;t die&#x017F;er Eigenruhm, weil er um&#x017F;ta&#x0364;ndlicher</l><lb/>
              <l>Geworden i&#x017F;t, darum ein minder &#x017F;cha&#x0364;ndlicher?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Ihr habet nur das Amt einander zuge&#x017F;choben,</l><lb/>
              <l>Einer den andern, &#x017F;tatt jeder &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, zu loben.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0072] 95. Am Schoͤnen fehlt es nicht, fuͤrs Schoͤne nicht am Sinn Warum wird nie der Welt das Schoͤne zum Gewinn? Das Schoͤne, wie der Sinn dafuͤr, iſt ſo zerſtreut, Daß ſelten eines ſich des andern recht erfreut. 96. Sie ſagen dir, nichts ſei wie Eigenlob zu haſſen: Uns ſollſt du loben, und von uns dich loben laſſen! Doch wenn du ſie nun lobſt, daß ſie dich wieder loben, Und ſie dich preiſen, um von dir zu ſeyn erhoben; Iſt dieſer Eigenruhm, weil er umſtaͤndlicher Geworden iſt, darum ein minder ſchaͤndlicher? Ihr habet nur das Amt einander zugeſchoben, Einer den andern, ſtatt jeder ſich ſelbſt, zu loben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/72
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/72>, abgerufen am 29.03.2024.