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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

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Die Krähe mit Gedörn deckt oben ihr Gemach,
Doch nur der Himmel ist des Adlernestes Dach.
Er läßt den Sturm der Nacht an sich vorüber brausen,
Stark wird sein sträubendes Gefieder von dem Grausen.
Und wenn der Sturm davon ihm eine Feder weht,
Ein Jäger findet sie, der früh zur Jagd ausgeht.
Er darf die Feder nicht zu andern Federn legen,
Weil Adlerfedern selbst den Trieb des Adlers hegen;
Und, wie der Aar hinweg die Vögel wehrt und treibt,
Auch ihre Federn sein Gefieder zehrt und reibt.
Der Jäger macht daraus des Pfeiles Federspiel;
Dem aarbeschwingten Schaft wählt er den Aar zum Ziel.
Der Adler in der Luft vom Pfeil getroffen spricht:
Nahmst du nicht von mir selbst die Kraft, du trafst mich nicht.
Der Adler schüttelt aus der Brust den Pfeil, und schaut
Hinunter, wo für ihn gepflanzt ist Adlerkraut.
Vom Adlerkraute heilt alsbald die Adlerwunde,
Und in die Lüfte schwingt sich wieder der Gesunde.
Die Kraͤhe mit Gedoͤrn deckt oben ihr Gemach,
Doch nur der Himmel iſt des Adlerneſtes Dach.
Er laͤßt den Sturm der Nacht an ſich voruͤber brauſen,
Stark wird ſein ſtraͤubendes Gefieder von dem Grauſen.
Und wenn der Sturm davon ihm eine Feder weht,
Ein Jaͤger findet ſie, der fruͤh zur Jagd ausgeht.
Er darf die Feder nicht zu andern Federn legen,
Weil Adlerfedern ſelbſt den Trieb des Adlers hegen;
Und, wie der Aar hinweg die Voͤgel wehrt und treibt,
Auch ihre Federn ſein Gefieder zehrt und reibt.
Der Jaͤger macht daraus des Pfeiles Federſpiel;
Dem aarbeſchwingten Schaft waͤhlt er den Aar zum Ziel.
Der Adler in der Luft vom Pfeil getroffen ſpricht:
Nahmſt du nicht von mir ſelbſt die Kraft, du trafſt mich nicht.
Der Adler ſchuͤttelt aus der Bruſt den Pfeil, und ſchaut
Hinunter, wo fuͤr ihn gepflanzt iſt Adlerkraut.
Vom Adlerkraute heilt alsbald die Adlerwunde,
Und in die Luͤfte ſchwingt ſich wieder der Geſunde.
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[39/0049] Die Kraͤhe mit Gedoͤrn deckt oben ihr Gemach, Doch nur der Himmel iſt des Adlerneſtes Dach. Er laͤßt den Sturm der Nacht an ſich voruͤber brauſen, Stark wird ſein ſtraͤubendes Gefieder von dem Grauſen. Und wenn der Sturm davon ihm eine Feder weht, Ein Jaͤger findet ſie, der fruͤh zur Jagd ausgeht. Er darf die Feder nicht zu andern Federn legen, Weil Adlerfedern ſelbſt den Trieb des Adlers hegen; Und, wie der Aar hinweg die Voͤgel wehrt und treibt, Auch ihre Federn ſein Gefieder zehrt und reibt. Der Jaͤger macht daraus des Pfeiles Federſpiel; Dem aarbeſchwingten Schaft waͤhlt er den Aar zum Ziel. Der Adler in der Luft vom Pfeil getroffen ſpricht: Nahmſt du nicht von mir ſelbſt die Kraft, du trafſt mich nicht. Der Adler ſchuͤttelt aus der Bruſt den Pfeil, und ſchaut Hinunter, wo fuͤr ihn gepflanzt iſt Adlerkraut. Vom Adlerkraute heilt alsbald die Adlerwunde, Und in die Luͤfte ſchwingt ſich wieder der Geſunde.

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/49>, abgerufen am 25.04.2024.