Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

der Meister Buono geheißen habe; dieser Buono ist indeß um
ein Jahrhundert neuer, als Vasari's, oder als jener Grua-
mons
der früheren Inschriften. Denn aus verschiedenen Um-
ständen erhellt, daß dieser Künstler nicht später als im eilften
oder zwölften Jahrhundert gemeißelt haben konnte. Auf die
Jahre 1166 und 1162, welche den obigen Inschriften beyge-
fügt sind, dürften wir uns allerdings nicht verlassen können.
Die Charaktere, in denen sie eingegraben, erscheinen gleich
modernen Nachahmungen der antiken, kantigen Inscriptional-
majuskel, während das übrige in jenen rundlich fetten Cha-
rakteren, welche im eilften bis spät in das vierzehnte Jahr-
hundert üblich waren, und der Majuskel der ältesten calligra-
phischen Denkmale nachgeahmt sind. Die erste:
A. D. MC. LXVI.
stimmt in den Einern und Zehnern zu auffallend mit
Vasari's Angabe überein, welche wiederum offenbar aus
Verwechselung der Inschrift am Architrav von S. An-
dreas mit jener andern vom Jahre 1266 entstanden ist;
denn wer einmal die Namen so flüchtig gelesen, mochte
auch ein einzelnes Zahlzeichen übersehen oder vergessen ha-
ben. Erwägen wir nun, daß Vasari lange Zeit hindurch
auch für die ältere Kunsthistorie als Gewährsmann betrachtet
worden; daß der Localpatriotismus der Italiener ganz unbe-
grenzt, und, in Ermangelung vieler anderen Ansprüche, vor-
nehmlich durch Ansprüche auf frühe Leistungen in Dingen der
Kunst erfreuet und genährt wird; so dürften wir vermuthen,
diese Jahreszahlen von verdächtiger Schriftart seyen später,
etwa im sechszehnten Jahrhundert nachgetragen worden; was
um so wahrscheinlicher ist, da sie auch, ganz gegen den Ge-
brauch so früher Zeiten, einen bloß nachhallenden, unverbun-

der Meiſter Buono geheißen habe; dieſer Buono iſt indeß um
ein Jahrhundert neuer, als Vaſari’s, oder als jener Grua-
mons
der fruͤheren Inſchriften. Denn aus verſchiedenen Um-
ſtaͤnden erhellt, daß dieſer Kuͤnſtler nicht ſpaͤter als im eilften
oder zwoͤlften Jahrhundert gemeißelt haben konnte. Auf die
Jahre 1166 und 1162, welche den obigen Inſchriften beyge-
fuͤgt ſind, duͤrften wir uns allerdings nicht verlaſſen koͤnnen.
Die Charaktere, in denen ſie eingegraben, erſcheinen gleich
modernen Nachahmungen der antiken, kantigen Inſcriptional-
majuskel, waͤhrend das uͤbrige in jenen rundlich fetten Cha-
rakteren, welche im eilften bis ſpaͤt in das vierzehnte Jahr-
hundert uͤblich waren, und der Majuskel der aͤlteſten calligra-
phiſchen Denkmale nachgeahmt ſind. Die erſte:
A. D. MC. LXVI.
ſtimmt in den Einern und Zehnern zu auffallend mit
Vaſari’s Angabe uͤberein, welche wiederum offenbar aus
Verwechſelung der Inſchrift am Architrav von S. An-
dreas mit jener andern vom Jahre 1266 entſtanden iſt;
denn wer einmal die Namen ſo fluͤchtig geleſen, mochte
auch ein einzelnes Zahlzeichen uͤberſehen oder vergeſſen ha-
ben. Erwaͤgen wir nun, daß Vaſari lange Zeit hindurch
auch fuͤr die aͤltere Kunſthiſtorie als Gewaͤhrsmann betrachtet
worden; daß der Localpatriotismus der Italiener ganz unbe-
grenzt, und, in Ermangelung vieler anderen Anſpruͤche, vor-
nehmlich durch Anſpruͤche auf fruͤhe Leiſtungen in Dingen der
Kunſt erfreuet und genaͤhrt wird; ſo duͤrften wir vermuthen,
dieſe Jahreszahlen von verdaͤchtiger Schriftart ſeyen ſpaͤter,
etwa im ſechszehnten Jahrhundert nachgetragen worden; was
um ſo wahrſcheinlicher iſt, da ſie auch, ganz gegen den Ge-
brauch ſo fruͤher Zeiten, einen bloß nachhallenden, unverbun-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0276" n="258"/>
der Mei&#x017F;ter <persName ref="nognd">Buono</persName> geheißen habe; die&#x017F;er <persName ref="nognd">Buono</persName> i&#x017F;t indeß um<lb/>
ein Jahrhundert neuer, als <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari&#x2019;s</persName></hi>, oder als jener <persName ref="http://vocab.getty.edu/ulan/500186602">Grua-<lb/>
mons</persName> der fru&#x0364;heren In&#x017F;chriften. Denn aus ver&#x017F;chiedenen Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden erhellt, daß die&#x017F;er Ku&#x0364;n&#x017F;tler nicht &#x017F;pa&#x0364;ter als im eilften<lb/>
oder zwo&#x0364;lften Jahrhundert gemeißelt haben konnte. Auf die<lb/>
Jahre 1166 und 1162, welche den obigen In&#x017F;chriften beyge-<lb/>
fu&#x0364;gt &#x017F;ind, du&#x0364;rften wir uns allerdings nicht verla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen.<lb/>
Die Charaktere, in denen &#x017F;ie eingegraben, er&#x017F;cheinen gleich<lb/>
modernen Nachahmungen der antiken, kantigen In&#x017F;criptional-<lb/>
majuskel, wa&#x0364;hrend das u&#x0364;brige in jenen rundlich fetten Cha-<lb/>
rakteren, welche im eilften bis &#x017F;pa&#x0364;t in das vierzehnte Jahr-<lb/>
hundert u&#x0364;blich waren, und der Majuskel der a&#x0364;lte&#x017F;ten calligra-<lb/>
phi&#x017F;chen Denkmale nachgeahmt &#x017F;ind. Die er&#x017F;te:<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">A. D. MC. LXVI.</hi></hi><lb/>
&#x017F;timmt in den Einern und Zehnern zu auffallend mit<lb/><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari&#x2019;s</persName></hi> Angabe u&#x0364;berein, welche wiederum offenbar aus<lb/>
Verwech&#x017F;elung der In&#x017F;chrift am Architrav von S. An-<lb/>
dreas mit jener andern vom Jahre 1266 ent&#x017F;tanden i&#x017F;t;<lb/>
denn wer einmal die Namen &#x017F;o flu&#x0364;chtig gele&#x017F;en, mochte<lb/>
auch ein einzelnes Zahlzeichen u&#x0364;ber&#x017F;ehen oder verge&#x017F;&#x017F;en ha-<lb/>
ben. Erwa&#x0364;gen wir nun, daß <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName></hi> lange Zeit hindurch<lb/>
auch fu&#x0364;r die a&#x0364;ltere Kun&#x017F;thi&#x017F;torie als Gewa&#x0364;hrsmann betrachtet<lb/>
worden; daß der Localpatriotismus der Italiener ganz unbe-<lb/>
grenzt, und, in Ermangelung vieler anderen An&#x017F;pru&#x0364;che, vor-<lb/>
nehmlich durch An&#x017F;pru&#x0364;che auf fru&#x0364;he Lei&#x017F;tungen in Dingen der<lb/>
Kun&#x017F;t erfreuet und gena&#x0364;hrt wird; &#x017F;o du&#x0364;rften wir vermuthen,<lb/>
die&#x017F;e Jahreszahlen von verda&#x0364;chtiger Schriftart &#x017F;eyen &#x017F;pa&#x0364;ter,<lb/>
etwa im &#x017F;echszehnten Jahrhundert nachgetragen worden; was<lb/>
um &#x017F;o wahr&#x017F;cheinlicher i&#x017F;t, da &#x017F;ie auch, ganz gegen den Ge-<lb/>
brauch &#x017F;o fru&#x0364;her Zeiten, einen bloß nachhallenden, unverbun-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0276] der Meiſter Buono geheißen habe; dieſer Buono iſt indeß um ein Jahrhundert neuer, als Vaſari’s, oder als jener Grua- mons der fruͤheren Inſchriften. Denn aus verſchiedenen Um- ſtaͤnden erhellt, daß dieſer Kuͤnſtler nicht ſpaͤter als im eilften oder zwoͤlften Jahrhundert gemeißelt haben konnte. Auf die Jahre 1166 und 1162, welche den obigen Inſchriften beyge- fuͤgt ſind, duͤrften wir uns allerdings nicht verlaſſen koͤnnen. Die Charaktere, in denen ſie eingegraben, erſcheinen gleich modernen Nachahmungen der antiken, kantigen Inſcriptional- majuskel, waͤhrend das uͤbrige in jenen rundlich fetten Cha- rakteren, welche im eilften bis ſpaͤt in das vierzehnte Jahr- hundert uͤblich waren, und der Majuskel der aͤlteſten calligra- phiſchen Denkmale nachgeahmt ſind. Die erſte: A. D. MC. LXVI. ſtimmt in den Einern und Zehnern zu auffallend mit Vaſari’s Angabe uͤberein, welche wiederum offenbar aus Verwechſelung der Inſchrift am Architrav von S. An- dreas mit jener andern vom Jahre 1266 entſtanden iſt; denn wer einmal die Namen ſo fluͤchtig geleſen, mochte auch ein einzelnes Zahlzeichen uͤberſehen oder vergeſſen ha- ben. Erwaͤgen wir nun, daß Vaſari lange Zeit hindurch auch fuͤr die aͤltere Kunſthiſtorie als Gewaͤhrsmann betrachtet worden; daß der Localpatriotismus der Italiener ganz unbe- grenzt, und, in Ermangelung vieler anderen Anſpruͤche, vor- nehmlich durch Anſpruͤche auf fruͤhe Leiſtungen in Dingen der Kunſt erfreuet und genaͤhrt wird; ſo duͤrften wir vermuthen, dieſe Jahreszahlen von verdaͤchtiger Schriftart ſeyen ſpaͤter, etwa im ſechszehnten Jahrhundert nachgetragen worden; was um ſo wahrſcheinlicher iſt, da ſie auch, ganz gegen den Ge- brauch ſo fruͤher Zeiten, einen bloß nachhallenden, unverbun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/276
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/276>, abgerufen am 23.04.2024.