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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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oder in noch älteren Zeiten gegründet sey. Ich beziehe mich
hier nicht etwa auf die Meinung, daß sie ein heidnischer Tem-
pel gewesen, was Schriftsteller des späteren Mittelalters aus-
gesonnen und verbreitet haben. *) Für christlich-religiöse
Zwecke ward sie unstreitig errichtet. Also könnte nur in
Frage kommen, ob in römischen, gothischen oder in longo-
bardischen Zeiten.

Vieles spricht für das letzte. Einmal reicht die Kunde
von ihrem Bestehen nicht weiter zurück; ferner wurden auf
Anregung der Königin Theodolinda dem heil. Johannes Bapt.
überall viele Kirchen erbaut; endlich scheinen die ältesten, al-
lein in Frage kommenden Theile des Gebäudes nicht durch-
hin mit den christlich-römischen und gothischen Bauwerken
übereinzustimmen, im Entwurfe, in den Verhältnissen, in der
Stellung des Untergeordneten, schon in die Bauart der caro-
lingischen Epoche überzugehn.

Im Verlaufe von mehr als eintausend Jahren hat diese
Kirche mehrfältige Aenderungen erlitten. Die kleine Tribune
über dem gegenwärtig nach Westen gerichteten Altare kam im
zwölften Jahrhunderte an die Stelle des ehemaligen Eingan-
ges; dieser ward gleichzeitig an die entgegengesetzte Seite ver-
legt. **) Schon ungleich früher hatte man die Außenseiten
der Kirche in mehrfarbigem Marmor bekleidet, und was da-
mals unbedeckt geblieben, soll Arnolfo beendigt haben. ***)

*) Malispini (cap. XXXVIII.) giebt diese Kirche noch nicht für
einen heidnischen Tempel; erst G. Villani (storie, lib. I. c. XLII.)
Vgl. Richa delle chiese di Fir. T. VI. p. III. der Introduz. und Vinc.
Follini
zum Malispini, Cap. cit. Anm. 12.
**) S. die Abh. V.
***) Vasari, vita d'Arnolfo, ed. c. p. 93. -- Gio. Villani, sein
12 *

oder in noch aͤlteren Zeiten gegruͤndet ſey. Ich beziehe mich
hier nicht etwa auf die Meinung, daß ſie ein heidniſcher Tem-
pel geweſen, was Schriftſteller des ſpaͤteren Mittelalters aus-
geſonnen und verbreitet haben. *) Fuͤr chriſtlich-religioͤſe
Zwecke ward ſie unſtreitig errichtet. Alſo koͤnnte nur in
Frage kommen, ob in roͤmiſchen, gothiſchen oder in longo-
bardiſchen Zeiten.

Vieles ſpricht fuͤr das letzte. Einmal reicht die Kunde
von ihrem Beſtehen nicht weiter zuruͤck; ferner wurden auf
Anregung der Koͤnigin Theodolinda dem heil. Johannes Bapt.
uͤberall viele Kirchen erbaut; endlich ſcheinen die aͤlteſten, al-
lein in Frage kommenden Theile des Gebaͤudes nicht durch-
hin mit den chriſtlich-roͤmiſchen und gothiſchen Bauwerken
uͤbereinzuſtimmen, im Entwurfe, in den Verhaͤltniſſen, in der
Stellung des Untergeordneten, ſchon in die Bauart der caro-
lingiſchen Epoche uͤberzugehn.

Im Verlaufe von mehr als eintauſend Jahren hat dieſe
Kirche mehrfaͤltige Aenderungen erlitten. Die kleine Tribune
uͤber dem gegenwaͤrtig nach Weſten gerichteten Altare kam im
zwoͤlften Jahrhunderte an die Stelle des ehemaligen Eingan-
ges; dieſer ward gleichzeitig an die entgegengeſetzte Seite ver-
legt. **) Schon ungleich fruͤher hatte man die Außenſeiten
der Kirche in mehrfarbigem Marmor bekleidet, und was da-
mals unbedeckt geblieben, ſoll Arnolfo beendigt haben. ***)

*) Maliſpini (cap. XXXVIII.) giebt dieſe Kirche noch nicht für
einen heidniſchen Tempel; erſt G. Villani (storie, lib. I. c. XLII.)
Vgl. Richa delle chiese di Fir. T. VI. p. III. der Introduz. und Vinc.
Follini
zum Maliſpini, Cap. cit. Anm. 12.
**) S. die Abh. V.
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[179/0201] oder in noch aͤlteren Zeiten gegruͤndet ſey. Ich beziehe mich hier nicht etwa auf die Meinung, daß ſie ein heidniſcher Tem- pel geweſen, was Schriftſteller des ſpaͤteren Mittelalters aus- geſonnen und verbreitet haben. *) Fuͤr chriſtlich-religioͤſe Zwecke ward ſie unſtreitig errichtet. Alſo koͤnnte nur in Frage kommen, ob in roͤmiſchen, gothiſchen oder in longo- bardiſchen Zeiten. Vieles ſpricht fuͤr das letzte. Einmal reicht die Kunde von ihrem Beſtehen nicht weiter zuruͤck; ferner wurden auf Anregung der Koͤnigin Theodolinda dem heil. Johannes Bapt. uͤberall viele Kirchen erbaut; endlich ſcheinen die aͤlteſten, al- lein in Frage kommenden Theile des Gebaͤudes nicht durch- hin mit den chriſtlich-roͤmiſchen und gothiſchen Bauwerken uͤbereinzuſtimmen, im Entwurfe, in den Verhaͤltniſſen, in der Stellung des Untergeordneten, ſchon in die Bauart der caro- lingiſchen Epoche uͤberzugehn. Im Verlaufe von mehr als eintauſend Jahren hat dieſe Kirche mehrfaͤltige Aenderungen erlitten. Die kleine Tribune uͤber dem gegenwaͤrtig nach Weſten gerichteten Altare kam im zwoͤlften Jahrhunderte an die Stelle des ehemaligen Eingan- ges; dieſer ward gleichzeitig an die entgegengeſetzte Seite ver- legt. **) Schon ungleich fruͤher hatte man die Außenſeiten der Kirche in mehrfarbigem Marmor bekleidet, und was da- mals unbedeckt geblieben, ſoll Arnolfo beendigt haben. ***) *) Maliſpini (cap. XXXVIII.) giebt dieſe Kirche noch nicht für einen heidniſchen Tempel; erſt G. Villani (storie, lib. I. c. XLII.) Vgl. Richa delle chiese di Fir. T. VI. p. III. der Introduz. und Vinc. Follini zum Maliſpini, Cap. cit. Anm. 12. **) S. die Abh. V. ***) Vasari, vita d’Arnolfo, ed. c. p. 93. — Gio. Villani, ſein 12 *

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/201>, abgerufen am 23.04.2024.