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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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Christenheit muß von der Thatsache ausgehn, daß beide Schu-
len gleichzeitig aus der römischen des sinkenden Reiches ent-
sprungen sind, daher voraussetzlich viel Gemeinschaftliches be-
wahrt haben, welches aus späteren Einwirkungen zu erklären
oftmals ganz unnöthig ist. Ueberhaupt war die Bildung der
ersten christlichen Jahrhunderte eine gemischte griechisch-rö-
mische, Rom längst schon die prachtvollste Stadt der Welt,
das unmittelbare Vorbild der Gründung Constantins. Diese
römische Colonie erhob sich während des vierten Jahrhun-
derts kaum über die Mittelmäßigkeit einer großen Provinzial-
stadt, weil die Kaiser, an das Feldlager, oder strategisch wich-
tige Punkte gebunden, beide Hauptstädte zu vernachlässigen ge-
nöthigt waren. Allein selbst, als im fünften Jahrhundert das
neue Rom, Constantinopel, der ständige Wohnsitz beglückterer
Fürsten ward, dieses in nöthigen oder prachtvollen Bauun-
ternehmungen größere Thätigkeit herbeyführte, entwickelte sich
dort noch immer kein neuer, vom römischen Herkommen ab-
weichender Geschmack. Denn aus höchst unverdächtigen Zeug-
nissen erhellet, daß von Theodosius bis auf den ersten Justi-
nian
die Bauart der östlichen Römer in allen wesentlichen
Dingen derjenigen entsprach, welche gleichzeitig in Italien üb-
lich war. Noch gab man den byzantinischen Münzen latei-
nische Umschrift, bisweilen selbst die römische Wölfin.

Obwohl bildnerisch untergeordnet, werden die Gebäude
an der Säule des Arcadius *) uns doch den allgemeinsten
Charakter damals zu Constantinopel üblicher Architectur ver-
sinnlichen können. Sie erhalten indeß durch das Zeugniß

*) S. Banduri, Imperium orient. To. II. Tab. I. II. III. XI.
XVI. XVIII
. -- nirgend unter so vielen eine neue, fremdartige Grund-
form.

Chriſtenheit muß von der Thatſache ausgehn, daß beide Schu-
len gleichzeitig aus der roͤmiſchen des ſinkenden Reiches ent-
ſprungen ſind, daher vorausſetzlich viel Gemeinſchaftliches be-
wahrt haben, welches aus ſpaͤteren Einwirkungen zu erklaͤren
oftmals ganz unnoͤthig iſt. Ueberhaupt war die Bildung der
erſten chriſtlichen Jahrhunderte eine gemiſchte griechiſch-roͤ-
miſche, Rom laͤngſt ſchon die prachtvollſte Stadt der Welt,
das unmittelbare Vorbild der Gruͤndung Conſtantins. Dieſe
roͤmiſche Colonie erhob ſich waͤhrend des vierten Jahrhun-
derts kaum uͤber die Mittelmaͤßigkeit einer großen Provinzial-
ſtadt, weil die Kaiſer, an das Feldlager, oder ſtrategiſch wich-
tige Punkte gebunden, beide Hauptſtaͤdte zu vernachlaͤſſigen ge-
noͤthigt waren. Allein ſelbſt, als im fuͤnften Jahrhundert das
neue Rom, Conſtantinopel, der ſtaͤndige Wohnſitz begluͤckterer
Fuͤrſten ward, dieſes in noͤthigen oder prachtvollen Bauun-
ternehmungen groͤßere Thaͤtigkeit herbeyfuͤhrte, entwickelte ſich
dort noch immer kein neuer, vom roͤmiſchen Herkommen ab-
weichender Geſchmack. Denn aus hoͤchſt unverdaͤchtigen Zeug-
niſſen erhellet, daß von Theodoſius bis auf den erſten Juſti-
nian
die Bauart der oͤſtlichen Roͤmer in allen weſentlichen
Dingen derjenigen entſprach, welche gleichzeitig in Italien uͤb-
lich war. Noch gab man den byzantiniſchen Muͤnzen latei-
niſche Umſchrift, bisweilen ſelbſt die roͤmiſche Woͤlfin.

Obwohl bildneriſch untergeordnet, werden die Gebaͤude
an der Saͤule des Arcadius *) uns doch den allgemeinſten
Charakter damals zu Conſtantinopel uͤblicher Architectur ver-
ſinnlichen koͤnnen. Sie erhalten indeß durch das Zeugniß

*) S. Banduri, Imperium orient. To. II. Tab. I. II. III. XI.
XVI. XVIII
. — nirgend unter ſo vielen eine neue, fremdartige Grund-
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[187/0209] Chriſtenheit muß von der Thatſache ausgehn, daß beide Schu- len gleichzeitig aus der roͤmiſchen des ſinkenden Reiches ent- ſprungen ſind, daher vorausſetzlich viel Gemeinſchaftliches be- wahrt haben, welches aus ſpaͤteren Einwirkungen zu erklaͤren oftmals ganz unnoͤthig iſt. Ueberhaupt war die Bildung der erſten chriſtlichen Jahrhunderte eine gemiſchte griechiſch-roͤ- miſche, Rom laͤngſt ſchon die prachtvollſte Stadt der Welt, das unmittelbare Vorbild der Gruͤndung Conſtantins. Dieſe roͤmiſche Colonie erhob ſich waͤhrend des vierten Jahrhun- derts kaum uͤber die Mittelmaͤßigkeit einer großen Provinzial- ſtadt, weil die Kaiſer, an das Feldlager, oder ſtrategiſch wich- tige Punkte gebunden, beide Hauptſtaͤdte zu vernachlaͤſſigen ge- noͤthigt waren. Allein ſelbſt, als im fuͤnften Jahrhundert das neue Rom, Conſtantinopel, der ſtaͤndige Wohnſitz begluͤckterer Fuͤrſten ward, dieſes in noͤthigen oder prachtvollen Bauun- ternehmungen groͤßere Thaͤtigkeit herbeyfuͤhrte, entwickelte ſich dort noch immer kein neuer, vom roͤmiſchen Herkommen ab- weichender Geſchmack. Denn aus hoͤchſt unverdaͤchtigen Zeug- niſſen erhellet, daß von Theodoſius bis auf den erſten Juſti- nian die Bauart der oͤſtlichen Roͤmer in allen weſentlichen Dingen derjenigen entſprach, welche gleichzeitig in Italien uͤb- lich war. Noch gab man den byzantiniſchen Muͤnzen latei- niſche Umſchrift, bisweilen ſelbſt die roͤmiſche Woͤlfin. Obwohl bildneriſch untergeordnet, werden die Gebaͤude an der Saͤule des Arcadius *) uns doch den allgemeinſten Charakter damals zu Conſtantinopel uͤblicher Architectur ver- ſinnlichen koͤnnen. Sie erhalten indeß durch das Zeugniß *) S. Banduri, Imperium orient. To. II. Tab. I. II. III. XI. XVI. XVIII. — nirgend unter ſo vielen eine neue, fremdartige Grund- form.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/209>, abgerufen am 16.04.2024.