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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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als neu aufgerichtet. Spuren der Fortdauer dieses Gebrau-
ches finden sich hie und da aus dunkleren Epochen des Mit-
telalters; so zu Florenz vor S. Jacopo jenseit des Arno.
Diese letzten haben gewöhnlich eine geringe Tiefe. Allgemach
schmolzen sie zur bloßen Zierde ein, als eingemauerte Säu-
len, welche in der toscanischen Baukunst des eilften Jahr-
hunderts überall die Vorseiten der Kirchen bis auf die Höhe
der Seitenschiffe einnehmen. Es galt den höher, bis zum
Giebel hinaufgelegenen Raum entsprechend zu verzieren. Im
Bezirke von Florenz setzte man über die Säulen Pilaster, de-
ren Gebälke das Giebelfeld horizontal begrenzt und hiedurch
dem Frontispiz der antiken Baukunst sich anzunähern sucht.
An anderen Stellen füllte man den Raum durch eine Reihe
abstehender Säulen, deren mittle die Höhe des Giebels er-
reichen, die übrigen, der Senkung des Daches folgend, sich
allgemach verkleinern. Beyspiele dieser Art gewähren der Dom
zu Fuligno, die Vorseite der Hauptkirche von Carrara. *)
Diese engen Hallen waren noch zugänglich, mochten die Be-
stimmung haben, Reliquien vorzuzeigen, Seegnungen zu er-
theilen. Im zwölften Jahrhundert schwanden sie aber zu ei-
ner Art Columbarium ein. Denn es giebt, besonders zu Pisa,
Beyspiele vier- bis sechsfacher Reihen kleiner Zwergsäulen,
welche von der Höhe der Seitenschiffe bis zum Giebel ihrer
Vorseiten hinaufreichen. Diese Laune aus byzantinischen Vor-
bildern abzuleiten, fehlt es an historischen Gründen.

Auf ähnliche Weise zeigt sich das Vorbild der, aus der
Ferne, sehr artig lassenden Zwergsäulengänge an den Außen-
seiten der halbrunden Nische zu Ende damaliger Kirchen in

*) S. Ruhl, Denkmäler der Baukunst in Italien, Heft II.

als neu aufgerichtet. Spuren der Fortdauer dieſes Gebrau-
ches finden ſich hie und da aus dunkleren Epochen des Mit-
telalters; ſo zu Florenz vor S. Jacopo jenſeit des Arno.
Dieſe letzten haben gewoͤhnlich eine geringe Tiefe. Allgemach
ſchmolzen ſie zur bloßen Zierde ein, als eingemauerte Saͤu-
len, welche in der toscaniſchen Baukunſt des eilften Jahr-
hunderts uͤberall die Vorſeiten der Kirchen bis auf die Hoͤhe
der Seitenſchiffe einnehmen. Es galt den hoͤher, bis zum
Giebel hinaufgelegenen Raum entſprechend zu verzieren. Im
Bezirke von Florenz ſetzte man uͤber die Saͤulen Pilaſter, de-
ren Gebaͤlke das Giebelfeld horizontal begrenzt und hiedurch
dem Frontiſpiz der antiken Baukunſt ſich anzunaͤhern ſucht.
An anderen Stellen fuͤllte man den Raum durch eine Reihe
abſtehender Saͤulen, deren mittle die Hoͤhe des Giebels er-
reichen, die uͤbrigen, der Senkung des Daches folgend, ſich
allgemach verkleinern. Beyſpiele dieſer Art gewaͤhren der Dom
zu Fuligno, die Vorſeite der Hauptkirche von Carrara. *)
Dieſe engen Hallen waren noch zugaͤnglich, mochten die Be-
ſtimmung haben, Reliquien vorzuzeigen, Seegnungen zu er-
theilen. Im zwoͤlften Jahrhundert ſchwanden ſie aber zu ei-
ner Art Columbarium ein. Denn es giebt, beſonders zu Piſa,
Beyſpiele vier- bis ſechsfacher Reihen kleiner Zwergſaͤulen,
welche von der Hoͤhe der Seitenſchiffe bis zum Giebel ihrer
Vorſeiten hinaufreichen. Dieſe Laune aus byzantiniſchen Vor-
bildern abzuleiten, fehlt es an hiſtoriſchen Gruͤnden.

Auf aͤhnliche Weiſe zeigt ſich das Vorbild der, aus der
Ferne, ſehr artig laſſenden Zwergſaͤulengaͤnge an den Außen-
ſeiten der halbrunden Niſche zu Ende damaliger Kirchen in

*) S. Ruhl, Denkmäler der Baukunſt in Italien, Heft II.
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[213/0235] als neu aufgerichtet. Spuren der Fortdauer dieſes Gebrau- ches finden ſich hie und da aus dunkleren Epochen des Mit- telalters; ſo zu Florenz vor S. Jacopo jenſeit des Arno. Dieſe letzten haben gewoͤhnlich eine geringe Tiefe. Allgemach ſchmolzen ſie zur bloßen Zierde ein, als eingemauerte Saͤu- len, welche in der toscaniſchen Baukunſt des eilften Jahr- hunderts uͤberall die Vorſeiten der Kirchen bis auf die Hoͤhe der Seitenſchiffe einnehmen. Es galt den hoͤher, bis zum Giebel hinaufgelegenen Raum entſprechend zu verzieren. Im Bezirke von Florenz ſetzte man uͤber die Saͤulen Pilaſter, de- ren Gebaͤlke das Giebelfeld horizontal begrenzt und hiedurch dem Frontiſpiz der antiken Baukunſt ſich anzunaͤhern ſucht. An anderen Stellen fuͤllte man den Raum durch eine Reihe abſtehender Saͤulen, deren mittle die Hoͤhe des Giebels er- reichen, die uͤbrigen, der Senkung des Daches folgend, ſich allgemach verkleinern. Beyſpiele dieſer Art gewaͤhren der Dom zu Fuligno, die Vorſeite der Hauptkirche von Carrara. *) Dieſe engen Hallen waren noch zugaͤnglich, mochten die Be- ſtimmung haben, Reliquien vorzuzeigen, Seegnungen zu er- theilen. Im zwoͤlften Jahrhundert ſchwanden ſie aber zu ei- ner Art Columbarium ein. Denn es giebt, beſonders zu Piſa, Beyſpiele vier- bis ſechsfacher Reihen kleiner Zwergſaͤulen, welche von der Hoͤhe der Seitenſchiffe bis zum Giebel ihrer Vorſeiten hinaufreichen. Dieſe Laune aus byzantiniſchen Vor- bildern abzuleiten, fehlt es an hiſtoriſchen Gruͤnden. Auf aͤhnliche Weiſe zeigt ſich das Vorbild der, aus der Ferne, ſehr artig laſſenden Zwergſaͤulengaͤnge an den Außen- ſeiten der halbrunden Niſche zu Ende damaliger Kirchen in *) S. Ruhl, Denkmäler der Baukunſt in Italien, Heft II.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/235>, abgerufen am 24.04.2024.