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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Sexualtheorie.
betrifft, so war dasselbe nicht groß; und jedenfalls haben die
fast gleichzeitig von Koelreuter entdeckten Pflanzenbastarde einen
viel schlagenderen Beweis gegen jede Form der Evolutionstheorie
geliefert. C. F. Wolff faßte den Befruchtungsact einfach als eine
andere Form der Ernährung auf. Auf die sehr unvollständige,
zum Theil unrichtige Wahrnehmung hin, daß schlecht genährte
Pflanzen früher blühen, betrachtete er überhaupt die Blüthen-
bildung als den Ausdruck geschwächter Ernährung, (vegetatio
languescens
). Die Fruchtbildung aber soll in der Blüthe da-
durch hervorgerufen werden, daß dem Pistill in dem Pollen eine
vollendetere Nahrung dargeboten werde. Wolff griff hiermit
wieder auf die älteste, schon von Aristoteles in gewissem Sinne
vertretene Ansicht zurück, die unfruchtbarste, die sich denken läßt,
da sie durchaus ungeeignet scheint, die zahlreichen mit der Sexua-
lität zusammenhängenden Erscheinungen irgend wie zu erklären,
vor allem aber den Hybridationsresultaten Rechnung zu tragen.
Wolff konnte so zwar die Evolutionstheorie abweisen; aber ihm
selbst gieng dabei das wesentlich Eigenthümliche des Sexualactes
verloren.

5.
Weiterer Ausbau der Sexualtheorie durch Joseph Gottlieb Koelreuter
und Konrad Sprengel.

1761-1793.

R. J. Camerarius hatte auf experimentellem Wege
gezeigt, daß bei den Pflanzen zur Hervorbringung embryohaltiger
Samen die Mitwirkung des Pollens unentbehrlich ist und einige
wenige spätere Beobachter hatten die Thatsache der Sexualität
durch verschiedene weitere Experimente bestätigt. Für die streng
naturwissenschaftliche weitere Forschung kam es jetzt darauf an,
ebenfalls wieder auf experimentellem Wege zu erfahren, welchen
Antheil das männliche und weibliche Princip an der Bildung
der durch den Geschlechtsact entstehenden neuen Pflanze nimmt.
Wenn Pollen und Samenknospe derselben Pflanzenform angehören,
so nimmt auch der Nachkomme dieselbe Form an und die Frage

Geſchichte der Sexualtheorie.
betrifft, ſo war dasſelbe nicht groß; und jedenfalls haben die
faſt gleichzeitig von Koelreuter entdeckten Pflanzenbaſtarde einen
viel ſchlagenderen Beweis gegen jede Form der Evolutionstheorie
geliefert. C. F. Wolff faßte den Befruchtungsact einfach als eine
andere Form der Ernährung auf. Auf die ſehr unvollſtändige,
zum Theil unrichtige Wahrnehmung hin, daß ſchlecht genährte
Pflanzen früher blühen, betrachtete er überhaupt die Blüthen-
bildung als den Ausdruck geſchwächter Ernährung, (vegetatio
languescens
). Die Fruchtbildung aber ſoll in der Blüthe da-
durch hervorgerufen werden, daß dem Piſtill in dem Pollen eine
vollendetere Nahrung dargeboten werde. Wolff griff hiermit
wieder auf die älteſte, ſchon von Ariſtoteles in gewiſſem Sinne
vertretene Anſicht zurück, die unfruchtbarſte, die ſich denken läßt,
da ſie durchaus ungeeignet ſcheint, die zahlreichen mit der Sexua-
lität zuſammenhängenden Erſcheinungen irgend wie zu erklären,
vor allem aber den Hybridationsreſultaten Rechnung zu tragen.
Wolff konnte ſo zwar die Evolutionstheorie abweiſen; aber ihm
ſelbſt gieng dabei das weſentlich Eigenthümliche des Sexualactes
verloren.

5.
Weiterer Ausbau der Sexualtheorie durch Joſeph Gottlieb Koelreuter
und Konrad Sprengel.

1761-1793.

R. J. Camerarius hatte auf experimentellem Wege
gezeigt, daß bei den Pflanzen zur Hervorbringung embryohaltiger
Samen die Mitwirkung des Pollens unentbehrlich iſt und einige
wenige ſpätere Beobachter hatten die Thatſache der Sexualität
durch verſchiedene weitere Experimente beſtätigt. Für die ſtreng
naturwiſſenſchaftliche weitere Forſchung kam es jetzt darauf an,
ebenfalls wieder auf experimentellem Wege zu erfahren, welchen
Antheil das männliche und weibliche Princip an der Bildung
der durch den Geſchlechtsact entſtehenden neuen Pflanze nimmt.
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ſo nimmt auch der Nachkomme dieſelbe Form an und die Frage

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[438/0450] Geſchichte der Sexualtheorie. betrifft, ſo war dasſelbe nicht groß; und jedenfalls haben die faſt gleichzeitig von Koelreuter entdeckten Pflanzenbaſtarde einen viel ſchlagenderen Beweis gegen jede Form der Evolutionstheorie geliefert. C. F. Wolff faßte den Befruchtungsact einfach als eine andere Form der Ernährung auf. Auf die ſehr unvollſtändige, zum Theil unrichtige Wahrnehmung hin, daß ſchlecht genährte Pflanzen früher blühen, betrachtete er überhaupt die Blüthen- bildung als den Ausdruck geſchwächter Ernährung, (vegetatio languescens). Die Fruchtbildung aber ſoll in der Blüthe da- durch hervorgerufen werden, daß dem Piſtill in dem Pollen eine vollendetere Nahrung dargeboten werde. Wolff griff hiermit wieder auf die älteſte, ſchon von Ariſtoteles in gewiſſem Sinne vertretene Anſicht zurück, die unfruchtbarſte, die ſich denken läßt, da ſie durchaus ungeeignet ſcheint, die zahlreichen mit der Sexua- lität zuſammenhängenden Erſcheinungen irgend wie zu erklären, vor allem aber den Hybridationsreſultaten Rechnung zu tragen. Wolff konnte ſo zwar die Evolutionstheorie abweiſen; aber ihm ſelbſt gieng dabei das weſentlich Eigenthümliche des Sexualactes verloren. 5. Weiterer Ausbau der Sexualtheorie durch Joſeph Gottlieb Koelreuter und Konrad Sprengel. 1761-1793. R. J. Camerarius hatte auf experimentellem Wege gezeigt, daß bei den Pflanzen zur Hervorbringung embryohaltiger Samen die Mitwirkung des Pollens unentbehrlich iſt und einige wenige ſpätere Beobachter hatten die Thatſache der Sexualität durch verſchiedene weitere Experimente beſtätigt. Für die ſtreng naturwiſſenſchaftliche weitere Forſchung kam es jetzt darauf an, ebenfalls wieder auf experimentellem Wege zu erfahren, welchen Antheil das männliche und weibliche Princip an der Bildung der durch den Geſchlechtsact entſtehenden neuen Pflanze nimmt. Wenn Pollen und Samenknoſpe derſelben Pflanzenform angehören, ſo nimmt auch der Nachkomme dieſelbe Form an und die Frage

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/450>, abgerufen am 19.04.2024.