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Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785.

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Scheingründe für den Selbstmord.
mehr im Dunkeln schleicht, gegen ihre eig-
nen Eingeweide kämpft, indem sie lieber zu
den Begriffen des Alterthums, die doch an
der Sonne der höhern Offenbarung nicht reif-
fen konnten, lichtscheu zurückkehret, als daß
sie sich die Wohlthat der Zeit, und das Licht
des Christenthums dankbar zu Nutzen mach-
te. Denn das kann selbst der Nichtchrist,
der je ein Blatt in der Weltgeschichte durch-
geblättert, nicht läugnen, daß durch das,
was man Christenthum nennt, Licht in die
Welt gekommen sey.

11.

"Der Selbstmörder vertauscht sein
elendes Daseyn nicht mit sei-
ner Zernichtung; er streift nur die
gegenwärtige Hülle ab, läßt nur
den verdrüßlichen Balg hinter sich,
um in einer neuen Verwandlung mit

verklär-
tig Seyn nach dem Tode wird die
Frucht meines itzigen seyn,
dieß ist ächter
Begriff von der Unsterblichkeit. Sieh die
Auflösung des folgenden Einwurfes.
J

Scheingruͤnde fuͤr den Selbſtmord.
mehr im Dunkeln ſchleicht, gegen ihre eig-
nen Eingeweide kaͤmpft, indem ſie lieber zu
den Begriffen des Alterthums, die doch an
der Sonne der hoͤhern Offenbarung nicht reif-
fen konnten, lichtſcheu zuruͤckkehret, als daß
ſie ſich die Wohlthat der Zeit, und das Licht
des Chriſtenthums dankbar zu Nutzen mach-
te. Denn das kann ſelbſt der Nichtchriſt,
der je ein Blatt in der Weltgeſchichte durch-
geblaͤttert, nicht laͤugnen, daß durch das,
was man Chriſtenthum nennt, Licht in die
Welt gekommen ſey.

11.

Der Selbſtmoͤrder vertauſcht ſein
elendes Daſeyn nicht mit ſei-
ner Zernichtung; er ſtreift nur die
gegenwaͤrtige Huͤlle ab, laͤßt nur
den verdruͤßlichen Balg hinter ſich,
um in einer neuen Verwandlung mit

verklaͤr-
tig Seyn nach dem Tode wird die
Frucht meines itzigen ſeyn,
dieß iſt aͤchter
Begriff von der Unſterblichkeit. Sieh die
Aufloͤſung des folgenden Einwurfes.
J
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[129/0141] Scheingruͤnde fuͤr den Selbſtmord. mehr im Dunkeln ſchleicht, gegen ihre eig- nen Eingeweide kaͤmpft, indem ſie lieber zu den Begriffen des Alterthums, die doch an der Sonne der hoͤhern Offenbarung nicht reif- fen konnten, lichtſcheu zuruͤckkehret, als daß ſie ſich die Wohlthat der Zeit, und das Licht des Chriſtenthums dankbar zu Nutzen mach- te. Denn das kann ſelbſt der Nichtchriſt, der je ein Blatt in der Weltgeſchichte durch- geblaͤttert, nicht laͤugnen, daß durch das, was man Chriſtenthum nennt, Licht in die Welt gekommen ſey. 11. „Der Selbſtmoͤrder vertauſcht ſein elendes Daſeyn nicht mit ſei- ner Zernichtung; er ſtreift nur die gegenwaͤrtige Huͤlle ab, laͤßt nur den verdruͤßlichen Balg hinter ſich, um in einer neuen Verwandlung mit verklaͤr- (x) (x) tig Seyn nach dem Tode wird die Frucht meines itzigen ſeyn, dieß iſt aͤchter Begriff von der Unſterblichkeit. Sieh die Aufloͤſung des folgenden Einwurfes. J

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/141>, abgerufen am 29.03.2024.