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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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versicherte mich aber, er habe das Original im Kopfe, die
lateinische Sprache wäre ja, wie alle andre, rauh, hart
und schlecht, sein Eleve werde den Tite Live vermuth-
lich heute früh schon gelesen haben. -- Wirklich sieht
man hier bei Jedermann von allen Griechen und Latei-
nern elende französische Uebersetzungen. Die vom Vir-
gil
überschwemmt die schönsten Stellen mit einem unaus-
stehlichen Geschwätz etc. Der Abbe' hatte für sein Da-
sitzen, täglich 2. Stunden, des Monats 4. Louisd'or, und
er sollte einer der Besten seyn, der Minister- und Am-
bassadeur-Söhne zu unterrichten hatte.

Den 3ten Jul.

Das Regenwetter hielt an, im Königl. Garten
konnt' ich also nichts besehen. Dieses Zuhausebleiben
ward mir durch einige Geschenke vergolten, die ich erhielt
und mir sehr willkommen waren.

Hr. Vicq d'Azyr schickte mir mehrere Exemplare
von seiner Table sur l'Hist. anatom. & natur. des
Corps vivans
-- mit einem sehr verbindlichen Schrei-
ben, worin er mir seinen Briefwechsel anbot, und wegen
meiner Migraine guten Rath ertheilte. -- Dieses häs-
liche Uebel verlies mich samt der Diarrhoe in dem heitern,
gesunden, luftvollen Versailles, und kaum war ich wie-
der in der Pariser Laft und trank Pariser Wasser, so
war Kopf und Magen wieder verderbt.

Der Juwelier Hr. König hatte in meiner Abwesen-
heit eine kleine Steinsamlung für mich zusammen gebracht,
und diese schenkte er mir heute. Es waren böhmische
Granaten; Vermeille, auch eine Art davon; Türkisse,

Ame-

verſicherte mich aber, er habe das Original im Kopfe, die
lateiniſche Sprache waͤre ja, wie alle andre, rauh, hart
und ſchlecht, ſein Eleve werde den Tite Live vermuth-
lich heute fruͤh ſchon geleſen haben. — Wirklich ſieht
man hier bei Jedermann von allen Griechen und Latei-
nern elende franzoͤſiſche Ueberſetzungen. Die vom Vir-
gil
uͤberſchwemmt die ſchoͤnſten Stellen mit einem unaus-
ſtehlichen Geſchwaͤtz ꝛc. Der Abbe’ hatte fuͤr ſein Da-
ſitzen, taͤglich 2. Stunden, des Monats 4. Louisd’or, und
er ſollte einer der Beſten ſeyn, der Miniſter- und Am-
baſſadeur-Soͤhne zu unterrichten hatte.

Den 3ten Jul.

Das Regenwetter hielt an, im Koͤnigl. Garten
konnt’ ich alſo nichts beſehen. Dieſes Zuhauſebleiben
ward mir durch einige Geſchenke vergolten, die ich erhielt
und mir ſehr willkommen waren.

Hr. Vicq d’Azyr ſchickte mir mehrere Exemplare
von ſeiner Table ſur l’Hiſt. anatom. & natur. des
Corps vivans
— mit einem ſehr verbindlichen Schrei-
ben, worin er mir ſeinen Briefwechſel anbot, und wegen
meiner Migraine guten Rath ertheilte. — Dieſes haͤs-
liche Uebel verlies mich ſamt der Diarrhoe in dem heitern,
geſunden, luftvollen Verſailles, und kaum war ich wie-
der in der Pariſer Laft und trank Pariſer Waſſer, ſo
war Kopf und Magen wieder verderbt.

Der Juwelier Hr. Koͤnig hatte in meiner Abweſen-
heit eine kleine Steinſamlung fuͤr mich zuſammen gebracht,
und dieſe ſchenkte er mir heute. Es waren boͤhmiſche
Granaten; Vermeille, auch eine Art davon; Tuͤrkiſſe,

Ame-
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[331/0355] verſicherte mich aber, er habe das Original im Kopfe, die lateiniſche Sprache waͤre ja, wie alle andre, rauh, hart und ſchlecht, ſein Eleve werde den Tite Live vermuth- lich heute fruͤh ſchon geleſen haben. — Wirklich ſieht man hier bei Jedermann von allen Griechen und Latei- nern elende franzoͤſiſche Ueberſetzungen. Die vom Vir- gil uͤberſchwemmt die ſchoͤnſten Stellen mit einem unaus- ſtehlichen Geſchwaͤtz ꝛc. Der Abbe’ hatte fuͤr ſein Da- ſitzen, taͤglich 2. Stunden, des Monats 4. Louisd’or, und er ſollte einer der Beſten ſeyn, der Miniſter- und Am- baſſadeur-Soͤhne zu unterrichten hatte. Den 3ten Jul. Das Regenwetter hielt an, im Koͤnigl. Garten konnt’ ich alſo nichts beſehen. Dieſes Zuhauſebleiben ward mir durch einige Geſchenke vergolten, die ich erhielt und mir ſehr willkommen waren. Hr. Vicq d’Azyr ſchickte mir mehrere Exemplare von ſeiner Table ſur l’Hiſt. anatom. & natur. des Corps vivans — mit einem ſehr verbindlichen Schrei- ben, worin er mir ſeinen Briefwechſel anbot, und wegen meiner Migraine guten Rath ertheilte. — Dieſes haͤs- liche Uebel verlies mich ſamt der Diarrhoe in dem heitern, geſunden, luftvollen Verſailles, und kaum war ich wie- der in der Pariſer Laft und trank Pariſer Waſſer, ſo war Kopf und Magen wieder verderbt. Der Juwelier Hr. Koͤnig hatte in meiner Abweſen- heit eine kleine Steinſamlung fuͤr mich zuſammen gebracht, und dieſe ſchenkte er mir heute. Es waren boͤhmiſche Granaten; Vermeille, auch eine Art davon; Tuͤrkiſſe, Ame-

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/355>, abgerufen am 28.03.2024.