Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

seinen Reisen hatte kennen lernen, ob er gleich
ihre Ideen nicht durchgängig adoptirte. Beim
Geheimderath Göthe in Weimar, sagt' er,
habe ich einen herrlichen Abend gehabt, den ich
in meinem Leben nie vergessen werde. Wenn
*** fuhr er fort, von sich erhalten könnte, so
ungekünstelt, natürlich, und doch stark und
kraftvoll zu schreiben, als er im gesellschaftlichen
Umgange spricht, so wären wir alle Stümper
gegen ihn. Seine Urtheile über Menschen und
Bücher hatten immer das Gepräge der freymü-
thigen Wahrheitsliebe, ohne ins Beleidigende
zu fallen. Schröckh war einer von denenje-
nigen Gelehrten der neuern Zeit, die er vorzüg-
lich hochschätzte. Alle Wunderwerke der Na-
tur und Kunst machten auf seine gefühlvolle See-
le den tiefsten Eindruck. Die Bergvestung
Königstein, und das freyherrlich Ucker-
manni
sche Schloß Wesenstein zogen seine
Bewunderung vorzüglich auf sich. Ich hatte
das Vergnügen, ihn an beide Orte zu begleiten,
und war ein Zeuge von der Sensation, welche
die durch die Kunst verschönerte Natur in ihm er-
regte. Mit Vergnügen verweilte er sich auf
der Höhe von Meusegast, wo er die ganze pa-
radiesische Gegend von Königstein, Pirna,

Stol-
b 5

ſeinen Reiſen hatte kennen lernen, ob er gleich
ihre Ideen nicht durchgaͤngig adoptirte. Beim
Geheimderath Goͤthe in Weimar, ſagt’ er,
habe ich einen herrlichen Abend gehabt, den ich
in meinem Leben nie vergeſſen werde. Wenn
*** fuhr er fort, von ſich erhalten koͤnnte, ſo
ungekuͤnſtelt, natuͤrlich, und doch ſtark und
kraftvoll zu ſchreiben, als er im geſellſchaftlichen
Umgange ſpricht, ſo waͤren wir alle Stuͤmper
gegen ihn. Seine Urtheile uͤber Menſchen und
Buͤcher hatten immer das Gepraͤge der freymuͤ-
thigen Wahrheitsliebe, ohne ins Beleidigende
zu fallen. Schroͤckh war einer von denenje-
nigen Gelehrten der neuern Zeit, die er vorzuͤg-
lich hochſchaͤtzte. Alle Wunderwerke der Na-
tur und Kunſt machten auf ſeine gefuͤhlvolle See-
le den tiefſten Eindruck. Die Bergveſtung
Koͤnigſtein, und das freyherrlich Ucker-
manni
ſche Schloß Weſenſtein zogen ſeine
Bewunderung vorzuͤglich auf ſich. Ich hatte
das Vergnuͤgen, ihn an beide Orte zu begleiten,
und war ein Zeuge von der Senſation, welche
die durch die Kunſt verſchoͤnerte Natur in ihm er-
regte. Mit Vergnuͤgen verweilte er ſich auf
der Hoͤhe von Meuſegaſt, wo er die ganze pa-
radieſiſche Gegend von Koͤnigſtein, Pirna,

Stol-
b 5
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="XXV"/>
&#x017F;einen Rei&#x017F;en hatte kennen lernen, ob er gleich<lb/>
ihre Ideen nicht durchga&#x0364;ngig adoptirte. Beim<lb/>
Geheimderath <hi rendition="#fr">Go&#x0364;the</hi> in <hi rendition="#fr">Weimar,</hi> &#x017F;agt&#x2019; er,<lb/>
habe ich einen herrlichen Abend gehabt, den ich<lb/>
in meinem Leben nie verge&#x017F;&#x017F;en werde. Wenn<lb/>
*** fuhr er fort, von &#x017F;ich erhalten ko&#x0364;nnte, &#x017F;o<lb/>
ungeku&#x0364;n&#x017F;telt, natu&#x0364;rlich, und doch &#x017F;tark und<lb/>
kraftvoll zu &#x017F;chreiben, als er im ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen<lb/>
Umgange &#x017F;pricht, &#x017F;o wa&#x0364;ren wir alle Stu&#x0364;mper<lb/>
gegen ihn. Seine Urtheile u&#x0364;ber Men&#x017F;chen und<lb/>
Bu&#x0364;cher hatten immer das Gepra&#x0364;ge der freymu&#x0364;-<lb/>
thigen Wahrheitsliebe, ohne ins Beleidigende<lb/>
zu fallen. <hi rendition="#fr">Schro&#x0364;ckh</hi> war einer von denenje-<lb/>
nigen Gelehrten der neuern Zeit, die er vorzu&#x0364;g-<lb/>
lich hoch&#x017F;cha&#x0364;tzte. Alle Wunderwerke der Na-<lb/>
tur und Kun&#x017F;t machten auf &#x017F;eine gefu&#x0364;hlvolle See-<lb/>
le den tief&#x017F;ten Eindruck. Die Bergve&#x017F;tung<lb/><hi rendition="#fr">Ko&#x0364;nig&#x017F;tein,</hi> und das <hi rendition="#fr">freyherrlich Ucker-<lb/>
manni</hi>&#x017F;che Schloß <hi rendition="#fr">We&#x017F;en&#x017F;tein</hi> zogen &#x017F;eine<lb/>
Bewunderung vorzu&#x0364;glich auf &#x017F;ich. Ich hatte<lb/>
das Vergnu&#x0364;gen, ihn an beide Orte zu begleiten,<lb/>
und war ein Zeuge von der Sen&#x017F;ation, welche<lb/>
die durch die Kun&#x017F;t ver&#x017F;cho&#x0364;nerte Natur in ihm er-<lb/>
regte. Mit Vergnu&#x0364;gen verweilte er &#x017F;ich auf<lb/>
der Ho&#x0364;he von <hi rendition="#fr">Meu&#x017F;ega&#x017F;t,</hi> wo er die ganze pa-<lb/>
radie&#x017F;i&#x017F;che Gegend von <hi rendition="#fr">Ko&#x0364;nig&#x017F;tein, Pirna,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">b 5</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Stol-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XXV/0031] ſeinen Reiſen hatte kennen lernen, ob er gleich ihre Ideen nicht durchgaͤngig adoptirte. Beim Geheimderath Goͤthe in Weimar, ſagt’ er, habe ich einen herrlichen Abend gehabt, den ich in meinem Leben nie vergeſſen werde. Wenn *** fuhr er fort, von ſich erhalten koͤnnte, ſo ungekuͤnſtelt, natuͤrlich, und doch ſtark und kraftvoll zu ſchreiben, als er im geſellſchaftlichen Umgange ſpricht, ſo waͤren wir alle Stuͤmper gegen ihn. Seine Urtheile uͤber Menſchen und Buͤcher hatten immer das Gepraͤge der freymuͤ- thigen Wahrheitsliebe, ohne ins Beleidigende zu fallen. Schroͤckh war einer von denenje- nigen Gelehrten der neuern Zeit, die er vorzuͤg- lich hochſchaͤtzte. Alle Wunderwerke der Na- tur und Kunſt machten auf ſeine gefuͤhlvolle See- le den tiefſten Eindruck. Die Bergveſtung Koͤnigſtein, und das freyherrlich Ucker- manniſche Schloß Weſenſtein zogen ſeine Bewunderung vorzuͤglich auf ſich. Ich hatte das Vergnuͤgen, ihn an beide Orte zu begleiten, und war ein Zeuge von der Senſation, welche die durch die Kunſt verſchoͤnerte Natur in ihm er- regte. Mit Vergnuͤgen verweilte er ſich auf der Hoͤhe von Meuſegaſt, wo er die ganze pa- radieſiſche Gegend von Koͤnigſtein, Pirna, Stol- b 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/31
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. XXV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/31>, abgerufen am 19.04.2024.