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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Studirstube losgerissen, und das göttliche Vergnügen,
der Natur auf dem Lande näher zu seyn, genossen habe!
Das Pferd des Europäers ist auch, meiner Meinung
nach, dem Elefanten, dem Elenn, dem Rennthiere, dem
Kameel, dem Ochsen etc. weit vorzuziehen. Es verei-
nigt Geschwindigkeit und Lebhastigkeit mit der Kraft, lan-
ge auszudauern. Der immer gleiche Schritt des Ka-
meels würde mir wenigstens unerträglich langweilig und
einförmig vorkommen, und das allzurasche Laufen des
Elenn und des Rennthiers würde mir die Wonne rauben,
die schönen Gegenden der Natur zu geniessen, und müßte
nothwendig Wallungen im Geblüt erregen, die dem Kör-
per schädlich werden könnten. Zum Erstaunen ist es
auch, was für grosse Strecken man mit einem guten und
wohlgepflegten Pferde in Einem Tage zurücklegen kan.
Ohne Zweifel lebte unser seel. Martini noch, hätt' er
das Reiten früher angefangen, und öftrer wiederholt.
Zu naturhistorischen Reisen ist ohnehin das Pferd die al-
lerschicklichste Voiture. Es klettert auf jeden Berg, trabt
auf jedem kleinen Wege fort, geht in Thälern und Ber-
gen zwischen den rauhsten Steinen seinen Weg fort, frißt
sich schnell wieder zu Kräften, und schläft nur wenige
Stunden. Auch ist das Spätjahr die bequemste Zeit
zu solchen Expeditionen. Man kan alsdann noch eher
auf beständige Witterung hoffen, als im Frühjahre. Die
Hitze des Sommers ist gröstentheils vorbei, die Insekten
verschwinden allmählich, und der Tag hat noch seine ge-
hörige Länge. Im Frühjahre ist immer zu viel Wasser
in der Natur, das stört manches Vergnügen, auch ist
der Körper des Studirenden durch die künstliche Wärme
im Winter so weich, so zart und empfindlich geworden,

daß
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Studirſtube losgeriſſen, und das goͤttliche Vergnuͤgen,
der Natur auf dem Lande naͤher zu ſeyn, genoſſen habe!
Das Pferd des Europaͤers iſt auch, meiner Meinung
nach, dem Elefanten, dem Elenn, dem Rennthiere, dem
Kameel, dem Ochſen ꝛc. weit vorzuziehen. Es verei-
nigt Geſchwindigkeit und Lebhaſtigkeit mit der Kraft, lan-
ge auszudauern. Der immer gleiche Schritt des Ka-
meels wuͤrde mir wenigſtens unertraͤglich langweilig und
einfoͤrmig vorkommen, und das allzuraſche Laufen des
Elenn und des Rennthiers wuͤrde mir die Wonne rauben,
die ſchoͤnen Gegenden der Natur zu genieſſen, und muͤßte
nothwendig Wallungen im Gebluͤt erregen, die dem Koͤr-
per ſchaͤdlich werden koͤnnten. Zum Erſtaunen iſt es
auch, was fuͤr groſſe Strecken man mit einem guten und
wohlgepflegten Pferde in Einem Tage zuruͤcklegen kan.
Ohne Zweifel lebte unſer ſeel. Martini noch, haͤtt’ er
das Reiten fruͤher angefangen, und oͤftrer wiederholt.
Zu naturhiſtoriſchen Reiſen iſt ohnehin das Pferd die al-
lerſchicklichſte Voiture. Es klettert auf jeden Berg, trabt
auf jedem kleinen Wege fort, geht in Thaͤlern und Ber-
gen zwiſchen den rauhſten Steinen ſeinen Weg fort, frißt
ſich ſchnell wieder zu Kraͤften, und ſchlaͤft nur wenige
Stunden. Auch iſt das Spaͤtjahr die bequemſte Zeit
zu ſolchen Expeditionen. Man kan alsdann noch eher
auf beſtaͤndige Witterung hoffen, als im Fruͤhjahre. Die
Hitze des Sommers iſt groͤſtentheils vorbei, die Inſekten
verſchwinden allmaͤhlich, und der Tag hat noch ſeine ge-
hoͤrige Laͤnge. Im Fruͤhjahre iſt immer zu viel Waſſer
in der Natur, das ſtoͤrt manches Vergnuͤgen, auch iſt
der Koͤrper des Studirenden durch die kuͤnſtliche Waͤrme
im Winter ſo weich, ſo zart und empfindlich geworden,

daß
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[5/0043] Studirſtube losgeriſſen, und das goͤttliche Vergnuͤgen, der Natur auf dem Lande naͤher zu ſeyn, genoſſen habe! Das Pferd des Europaͤers iſt auch, meiner Meinung nach, dem Elefanten, dem Elenn, dem Rennthiere, dem Kameel, dem Ochſen ꝛc. weit vorzuziehen. Es verei- nigt Geſchwindigkeit und Lebhaſtigkeit mit der Kraft, lan- ge auszudauern. Der immer gleiche Schritt des Ka- meels wuͤrde mir wenigſtens unertraͤglich langweilig und einfoͤrmig vorkommen, und das allzuraſche Laufen des Elenn und des Rennthiers wuͤrde mir die Wonne rauben, die ſchoͤnen Gegenden der Natur zu genieſſen, und muͤßte nothwendig Wallungen im Gebluͤt erregen, die dem Koͤr- per ſchaͤdlich werden koͤnnten. Zum Erſtaunen iſt es auch, was fuͤr groſſe Strecken man mit einem guten und wohlgepflegten Pferde in Einem Tage zuruͤcklegen kan. Ohne Zweifel lebte unſer ſeel. Martini noch, haͤtt’ er das Reiten fruͤher angefangen, und oͤftrer wiederholt. Zu naturhiſtoriſchen Reiſen iſt ohnehin das Pferd die al- lerſchicklichſte Voiture. Es klettert auf jeden Berg, trabt auf jedem kleinen Wege fort, geht in Thaͤlern und Ber- gen zwiſchen den rauhſten Steinen ſeinen Weg fort, frißt ſich ſchnell wieder zu Kraͤften, und ſchlaͤft nur wenige Stunden. Auch iſt das Spaͤtjahr die bequemſte Zeit zu ſolchen Expeditionen. Man kan alsdann noch eher auf beſtaͤndige Witterung hoffen, als im Fruͤhjahre. Die Hitze des Sommers iſt groͤſtentheils vorbei, die Inſekten verſchwinden allmaͤhlich, und der Tag hat noch ſeine ge- hoͤrige Laͤnge. Im Fruͤhjahre iſt immer zu viel Waſſer in der Natur, das ſtoͤrt manches Vergnuͤgen, auch iſt der Koͤrper des Studirenden durch die kuͤnſtliche Waͤrme im Winter ſo weich, ſo zart und empfindlich geworden, daß A 3

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/43>, abgerufen am 29.03.2024.