Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Hr. Fabrikant Schelhorn hat hier eine Fabrik von
Zitzen, etc. und davon starken Absatz nach Italien. Er
schickt sie bis nach Verona etc. Zu den Formen kan
man kein andres als Birnbaum-Holz brauchen, dünne
Stücke werden auf Eichen aufgesetzt. Die Abschaffung
der Katholischen Feiertage schadet den Protestanten; Hr.
Schelhorn konnte seine Fabrikwaaren seither immer
wohlfeiler liefern, und hatte deswegen den Vorzug.

In Hrn. Past. Schelhorns Bibliothek fand ich
viele seltene Stücke. Viel davon hat er vom seinem Va-
ter geerbt, der die Amoen. litt. etc. schrieb. -- Die
älteste deutsche gedruckte Bibel, viele Handschriften, Di-
plomata
aus Lud. Bav. Zeiten, viele Päbstl. Bullen
etc. waren mir vorzüglich bemerkenswürdig.

Der Ton der Stadt ist viel besser, als in Ulm.
Man sieht auch meist gut gebaute Häuser.

Abends aß ich im weissen Ochsen bei Hrn. Rei-
neck,
an dem ich einen sehr musikalischen und poetischen
Wirth hatte.

In Buxheim soll ein Karthäuser seyn, voll Ge-
lehrsamkeit, Lebensart und Weltkenntnis.

Den 4ten April.

Heute gings durchs Ottobeurische und Kemptische
Gebiet bis nach Kaufbeuren, lauter rauhe Winterge-
genden. Es schneite in das Habersäen. Die Leute lei-
den oft viel Wetterschaden, und jammerten jetzt selber
über die lange rauhe Witterung, weil sie kein grünes
Futter für das Vieh bekamen. Es fras dürres Korn-
stroh, und 60. kleine Wellen kosteten 5-6. Gulden. Un-

terwegs

Hr. Fabrikant Schelhorn hat hier eine Fabrik von
Zitzen, ꝛc. und davon ſtarken Abſatz nach Italien. Er
ſchickt ſie bis nach Verona ꝛc. Zu den Formen kan
man kein andres als Birnbaum-Holz brauchen, duͤnne
Stuͤcke werden auf Eichen aufgeſetzt. Die Abſchaffung
der Katholiſchen Feiertage ſchadet den Proteſtanten; Hr.
Schelhorn konnte ſeine Fabrikwaaren ſeither immer
wohlfeiler liefern, und hatte deswegen den Vorzug.

In Hrn. Paſt. Schelhorns Bibliothek fand ich
viele ſeltene Stuͤcke. Viel davon hat er vom ſeinem Va-
ter geerbt, der die Amoen. litt. etc. ſchrieb. — Die
aͤlteſte deutſche gedruckte Bibel, viele Handſchriften, Di-
plomata
aus Lud. Bav. Zeiten, viele Paͤbſtl. Bullen
ꝛc. waren mir vorzuͤglich bemerkenswuͤrdig.

Der Ton der Stadt iſt viel beſſer, als in Ulm.
Man ſieht auch meiſt gut gebaute Haͤuſer.

Abends aß ich im weiſſen Ochſen bei Hrn. Rei-
neck,
an dem ich einen ſehr muſikaliſchen und poetiſchen
Wirth hatte.

In Buxheim ſoll ein Karthaͤuſer ſeyn, voll Ge-
lehrſamkeit, Lebensart und Weltkenntnis.

Den 4ten April.

Heute gings durchs Ottobeuriſche und Kemptiſche
Gebiet bis nach Kaufbeuren, lauter rauhe Winterge-
genden. Es ſchneite in das Haberſaͤen. Die Leute lei-
den oft viel Wetterſchaden, und jammerten jetzt ſelber
uͤber die lange rauhe Witterung, weil ſie kein gruͤnes
Futter fuͤr das Vieh bekamen. Es fras duͤrres Korn-
ſtroh, und 60. kleine Wellen koſteten 5-6. Gulden. Un-

terwegs
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0469" n="431"/>
              <p>Hr. Fabrikant <hi rendition="#fr">Schelhorn</hi> hat hier eine Fabrik von<lb/>
Zitzen, &#xA75B;c. und davon &#x017F;tarken Ab&#x017F;atz nach <hi rendition="#fr">Italien.</hi> Er<lb/>
&#x017F;chickt &#x017F;ie bis nach <hi rendition="#fr">Verona</hi> &#xA75B;c. Zu den Formen kan<lb/>
man kein andres als <hi rendition="#fr">Birnbaum</hi>-Holz brauchen, du&#x0364;nne<lb/>
Stu&#x0364;cke werden auf Eichen aufge&#x017F;etzt. Die Ab&#x017F;chaffung<lb/>
der Katholi&#x017F;chen Feiertage &#x017F;chadet den Prote&#x017F;tanten; Hr.<lb/><hi rendition="#fr">Schelhorn</hi> konnte &#x017F;eine Fabrikwaaren &#x017F;either immer<lb/>
wohlfeiler liefern, und hatte deswegen den Vorzug.</p><lb/>
              <p>In Hrn. Pa&#x017F;t. <hi rendition="#fr">Schelhorns</hi> Bibliothek fand ich<lb/>
viele &#x017F;eltene Stu&#x0364;cke. Viel davon hat er vom &#x017F;einem Va-<lb/>
ter geerbt, der die <hi rendition="#aq">Amoen. litt. etc.</hi> &#x017F;chrieb. &#x2014; Die<lb/>
a&#x0364;lte&#x017F;te deut&#x017F;che gedruckte Bibel, viele Hand&#x017F;chriften, <hi rendition="#aq">Di-<lb/>
plomata</hi> aus <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Lud. Bav.</hi></hi> Zeiten, viele Pa&#x0364;b&#x017F;tl. Bullen<lb/>
&#xA75B;c. waren mir vorzu&#x0364;glich bemerkenswu&#x0364;rdig.</p><lb/>
              <p>Der Ton der Stadt i&#x017F;t viel be&#x017F;&#x017F;er, als in <hi rendition="#fr">Ulm.</hi><lb/>
Man &#x017F;ieht auch mei&#x017F;t gut gebaute Ha&#x0364;u&#x017F;er.</p><lb/>
              <p>Abends aß ich im <hi rendition="#fr">wei&#x017F;&#x017F;en Och&#x017F;en</hi> bei Hrn. <hi rendition="#fr">Rei-<lb/>
neck,</hi> an dem ich einen &#x017F;ehr mu&#x017F;ikali&#x017F;chen und poeti&#x017F;chen<lb/>
Wirth hatte.</p><lb/>
              <p>In <hi rendition="#fr">Buxheim</hi> &#x017F;oll ein <hi rendition="#fr">Kartha&#x0364;u&#x017F;er</hi> &#x017F;eyn, voll Ge-<lb/>
lehr&#x017F;amkeit, Lebensart und Weltkenntnis.</p>
            </div><lb/>
            <div n="3">
              <head>Den 4ten April.</head><lb/>
              <p>Heute gings durchs <hi rendition="#fr">Ottobeur</hi>i&#x017F;che und <hi rendition="#fr">Kempti&#x017F;che</hi><lb/>
Gebiet bis nach <hi rendition="#fr">Kaufbeuren,</hi> lauter rauhe Winterge-<lb/>
genden. Es &#x017F;chneite in das Haber&#x017F;a&#x0364;en. Die Leute lei-<lb/>
den oft viel Wetter&#x017F;chaden, und jammerten jetzt &#x017F;elber<lb/>
u&#x0364;ber die lange rauhe Witterung, weil &#x017F;ie kein gru&#x0364;nes<lb/>
Futter fu&#x0364;r das Vieh bekamen. Es fras du&#x0364;rres Korn-<lb/>
&#x017F;troh, und 60. kleine Wellen ko&#x017F;teten 5-6. Gulden. Un-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">terwegs</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[431/0469] Hr. Fabrikant Schelhorn hat hier eine Fabrik von Zitzen, ꝛc. und davon ſtarken Abſatz nach Italien. Er ſchickt ſie bis nach Verona ꝛc. Zu den Formen kan man kein andres als Birnbaum-Holz brauchen, duͤnne Stuͤcke werden auf Eichen aufgeſetzt. Die Abſchaffung der Katholiſchen Feiertage ſchadet den Proteſtanten; Hr. Schelhorn konnte ſeine Fabrikwaaren ſeither immer wohlfeiler liefern, und hatte deswegen den Vorzug. In Hrn. Paſt. Schelhorns Bibliothek fand ich viele ſeltene Stuͤcke. Viel davon hat er vom ſeinem Va- ter geerbt, der die Amoen. litt. etc. ſchrieb. — Die aͤlteſte deutſche gedruckte Bibel, viele Handſchriften, Di- plomata aus Lud. Bav. Zeiten, viele Paͤbſtl. Bullen ꝛc. waren mir vorzuͤglich bemerkenswuͤrdig. Der Ton der Stadt iſt viel beſſer, als in Ulm. Man ſieht auch meiſt gut gebaute Haͤuſer. Abends aß ich im weiſſen Ochſen bei Hrn. Rei- neck, an dem ich einen ſehr muſikaliſchen und poetiſchen Wirth hatte. In Buxheim ſoll ein Karthaͤuſer ſeyn, voll Ge- lehrſamkeit, Lebensart und Weltkenntnis. Den 4ten April. Heute gings durchs Ottobeuriſche und Kemptiſche Gebiet bis nach Kaufbeuren, lauter rauhe Winterge- genden. Es ſchneite in das Haberſaͤen. Die Leute lei- den oft viel Wetterſchaden, und jammerten jetzt ſelber uͤber die lange rauhe Witterung, weil ſie kein gruͤnes Futter fuͤr das Vieh bekamen. Es fras duͤrres Korn- ſtroh, und 60. kleine Wellen koſteten 5-6. Gulden. Un- terwegs

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/469
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/469>, abgerufen am 19.04.2024.