Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

in Spanien und Italien zeigt, glauben konnte. Der
deutschen Nation war er nicht hold, er schimpfte bei jeder
Gelegenheit auf sie. Die naturhistorischen Anmerkungen
sind nicht gemein, aber sie sind gewaltig versteckt in einer
Wust von andern Sachen, man muß sie aus den langen
Beschreibungen von Prozessionen und andern katholischen
Feierlichkeiten herausklauben.

Bemerkungen.

Es ist erstaunlich, welche scharfe Winde hier zwi-
schen dem Thor und den Vorstädten wehen. Man holt
sich gleich einen Schnupfen, und einen Rheumatismus.

Es gibt hier in der Nähe von Wien ganze Dörfer,
die allein vom Weinbau leben, und man behauptet,
daß sie nicht übel stünden. Sie keltern ihren Wein nicht
einmahl, sondern verkaufen die Trauben alle in Wien.
Ein kleiner Korb voll gilt 2. Gulden.

Heute assen wir nach vielen Fastenspeisen auch die er-
sten Erdbeeren, aber sie waren doch im Gewächshause
gezogen, und hatten ihren natürlichen Geschmack nicht.

Das Sauerkraut, das man hier alle Tage speist,
ist erstaunlich lang, weil die Kohlhäupter sehr gros wer-
den. Auch ist es in sehr schöne lange Fäden geschnitten.
Man kocht an Fasttagen allerlei darin, das oft schwer zu
errathen ist, heute schien mir Fischrogen darin zu seyn.
Aber so köstlich und künstlich man auch in Wien kocht --
so machts der Schwabe doch noch natürlicher, gesünder,
und schmackhafter.

Den

in Spanien und Italien zeigt, glauben konnte. Der
deutſchen Nation war er nicht hold, er ſchimpfte bei jeder
Gelegenheit auf ſie. Die naturhiſtoriſchen Anmerkungen
ſind nicht gemein, aber ſie ſind gewaltig verſteckt in einer
Wuſt von andern Sachen, man muß ſie aus den langen
Beſchreibungen von Prozeſſionen und andern katholiſchen
Feierlichkeiten herausklauben.

Bemerkungen.

Es iſt erſtaunlich, welche ſcharfe Winde hier zwi-
ſchen dem Thor und den Vorſtaͤdten wehen. Man holt
ſich gleich einen Schnupfen, und einen Rheumatiſmus.

Es gibt hier in der Naͤhe von Wien ganze Doͤrfer,
die allein vom Weinbau leben, und man behauptet,
daß ſie nicht uͤbel ſtuͤnden. Sie keltern ihren Wein nicht
einmahl, ſondern verkaufen die Trauben alle in Wien.
Ein kleiner Korb voll gilt 2. Gulden.

Heute aſſen wir nach vielen Faſtenſpeiſen auch die er-
ſten Erdbeeren, aber ſie waren doch im Gewaͤchshauſe
gezogen, und hatten ihren natuͤrlichen Geſchmack nicht.

Das Sauerkraut, das man hier alle Tage ſpeiſt,
iſt erſtaunlich lang, weil die Kohlhaͤupter ſehr gros wer-
den. Auch iſt es in ſehr ſchoͤne lange Faͤden geſchnitten.
Man kocht an Faſttagen allerlei darin, das oft ſchwer zu
errathen iſt, heute ſchien mir Fiſchrogen darin zu ſeyn.
Aber ſo koͤſtlich und kuͤnſtlich man auch in Wien kocht —
ſo machts der Schwabe doch noch natuͤrlicher, geſuͤnder,
und ſchmackhafter.

Den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <p><pb facs="#f0586" n="548"/>
in <hi rendition="#fr">Spanien</hi> und <hi rendition="#fr">Italien</hi> zeigt, glauben konnte. Der<lb/>
deut&#x017F;chen Nation war er nicht hold, er &#x017F;chimpfte bei jeder<lb/>
Gelegenheit auf &#x017F;ie. Die naturhi&#x017F;tori&#x017F;chen Anmerkungen<lb/>
&#x017F;ind nicht gemein, aber &#x017F;ie &#x017F;ind gewaltig ver&#x017F;teckt in einer<lb/>
Wu&#x017F;t von andern Sachen, man muß &#x017F;ie aus den langen<lb/>
Be&#x017F;chreibungen von Proze&#x017F;&#x017F;ionen und andern katholi&#x017F;chen<lb/>
Feierlichkeiten herausklauben.</p>
            </div><lb/>
            <div n="3">
              <head> <hi rendition="#fr">Bemerkungen.</hi> </head><lb/>
              <p>Es i&#x017F;t er&#x017F;taunlich, welche &#x017F;charfe <hi rendition="#fr">Winde</hi> hier zwi-<lb/>
&#x017F;chen dem Thor und den Vor&#x017F;ta&#x0364;dten wehen. Man holt<lb/>
&#x017F;ich gleich einen Schnupfen, und einen Rheumati&#x017F;mus.</p><lb/>
              <p>Es gibt hier in der Na&#x0364;he von <hi rendition="#fr">Wien</hi> ganze Do&#x0364;rfer,<lb/>
die allein vom <hi rendition="#fr">Weinbau</hi> leben, und man behauptet,<lb/>
daß &#x017F;ie nicht u&#x0364;bel &#x017F;tu&#x0364;nden. Sie keltern ihren Wein nicht<lb/>
einmahl, &#x017F;ondern verkaufen die Trauben alle in <hi rendition="#fr">Wien.</hi><lb/>
Ein kleiner Korb voll gilt 2. Gulden.</p><lb/>
              <p>Heute a&#x017F;&#x017F;en wir nach vielen Fa&#x017F;ten&#x017F;pei&#x017F;en auch die er-<lb/>
&#x017F;ten <hi rendition="#fr">Erdbeeren,</hi> aber &#x017F;ie waren doch im Gewa&#x0364;chshau&#x017F;e<lb/>
gezogen, und hatten ihren natu&#x0364;rlichen Ge&#x017F;chmack nicht.</p><lb/>
              <p>Das <hi rendition="#fr">Sauerkraut,</hi> das man hier alle Tage &#x017F;pei&#x017F;t,<lb/>
i&#x017F;t er&#x017F;taunlich lang, weil die Kohlha&#x0364;upter &#x017F;ehr gros wer-<lb/>
den. Auch i&#x017F;t es in &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;ne lange Fa&#x0364;den ge&#x017F;chnitten.<lb/>
Man kocht an Fa&#x017F;ttagen allerlei darin, das oft &#x017F;chwer zu<lb/>
errathen i&#x017F;t, heute &#x017F;chien mir Fi&#x017F;chrogen darin zu &#x017F;eyn.<lb/>
Aber &#x017F;o ko&#x0364;&#x017F;tlich und ku&#x0364;n&#x017F;tlich man auch in <hi rendition="#fr">Wien</hi> kocht &#x2014;<lb/>
&#x017F;o machts der <hi rendition="#fr">Schwabe</hi> doch noch natu&#x0364;rlicher, ge&#x017F;u&#x0364;nder,<lb/>
und &#x017F;chmackhafter.</p>
            </div><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Den</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[548/0586] in Spanien und Italien zeigt, glauben konnte. Der deutſchen Nation war er nicht hold, er ſchimpfte bei jeder Gelegenheit auf ſie. Die naturhiſtoriſchen Anmerkungen ſind nicht gemein, aber ſie ſind gewaltig verſteckt in einer Wuſt von andern Sachen, man muß ſie aus den langen Beſchreibungen von Prozeſſionen und andern katholiſchen Feierlichkeiten herausklauben. Bemerkungen. Es iſt erſtaunlich, welche ſcharfe Winde hier zwi- ſchen dem Thor und den Vorſtaͤdten wehen. Man holt ſich gleich einen Schnupfen, und einen Rheumatiſmus. Es gibt hier in der Naͤhe von Wien ganze Doͤrfer, die allein vom Weinbau leben, und man behauptet, daß ſie nicht uͤbel ſtuͤnden. Sie keltern ihren Wein nicht einmahl, ſondern verkaufen die Trauben alle in Wien. Ein kleiner Korb voll gilt 2. Gulden. Heute aſſen wir nach vielen Faſtenſpeiſen auch die er- ſten Erdbeeren, aber ſie waren doch im Gewaͤchshauſe gezogen, und hatten ihren natuͤrlichen Geſchmack nicht. Das Sauerkraut, das man hier alle Tage ſpeiſt, iſt erſtaunlich lang, weil die Kohlhaͤupter ſehr gros wer- den. Auch iſt es in ſehr ſchoͤne lange Faͤden geſchnitten. Man kocht an Faſttagen allerlei darin, das oft ſchwer zu errathen iſt, heute ſchien mir Fiſchrogen darin zu ſeyn. Aber ſo koͤſtlich und kuͤnſtlich man auch in Wien kocht — ſo machts der Schwabe doch noch natuͤrlicher, geſuͤnder, und ſchmackhafter. Den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/586
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/586>, abgerufen am 28.03.2024.