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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

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12.
Schluß.

Ich fasse nochmals in kurzen Worten zusammen,
worin meine Ansicht mit der Ansicht der Freunde
eines Gesetzbuchs übereinstimmt, und worin sich beide
unterscheiden.

In dem Zweck sind wir einig: wir wollen Grund-
lage eines sicheren Rechts, sicher gegen Eingriff der
Willkühr und ungerechter Gesinnung; desgleichen Ge-
meinschaft der Nation und Concentration ihrer wis-
senschaftlichen Bestrebungen auf dasselbe Object. Für
diesen Zweck verlangen sie ein Gesetzbuch, was aber
die gewünschte Einheit nur für die Hälfte von Deutsch-
land hervorbringen, die andere Hälfte dagegen schär-
fer als vorher absondern würde. Ich sehe das rechte
Mittel in einer organisch fortschreitenden Rechtswis-
senschaft, die der ganzen Nation gemein seyn kann.

Auch in der Beurtheilung des gegenwärtigen Zu-
standes treffen wir überein, denn wir erkennen ihn
beide für mangelhaft. Sie aber sehen den Grund
des Uebels in den Rechtsquellen, und glauben durch
ein Gesetzbuch zu helfen: ich finde ihn vielmehr in
uns, und glaube, daß wir eben deshalb zu einem
Gesetzbuch nicht berufen sind.

12.
Schluß.

Ich faſſe nochmals in kurzen Worten zuſammen,
worin meine Anſicht mit der Anſicht der Freunde
eines Geſetzbuchs übereinſtimmt, und worin ſich beide
unterſcheiden.

In dem Zweck ſind wir einig: wir wollen Grund-
lage eines ſicheren Rechts, ſicher gegen Eingriff der
Willkühr und ungerechter Geſinnung; desgleichen Ge-
meinſchaft der Nation und Concentration ihrer wiſ-
ſenſchaftlichen Beſtrebungen auf daſſelbe Object. Für
dieſen Zweck verlangen ſie ein Geſetzbuch, was aber
die gewünſchte Einheit nur für die Hälfte von Deutſch-
land hervorbringen, die andere Hälfte dagegen ſchär-
fer als vorher abſondern würde. Ich ſehe das rechte
Mittel in einer organiſch fortſchreitenden Rechtswiſ-
ſenſchaft, die der ganzen Nation gemein ſeyn kann.

Auch in der Beurtheilung des gegenwärtigen Zu-
ſtandes treffen wir überein, denn wir erkennen ihn
beide für mangelhaft. Sie aber ſehen den Grund
des Uebels in den Rechtsquellen, und glauben durch
ein Geſetzbuch zu helfen: ich finde ihn vielmehr in
uns, und glaube, daß wir eben deshalb zu einem
Geſetzbuch nicht berufen ſind.

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[161/0171] 12. Schluß. Ich faſſe nochmals in kurzen Worten zuſammen, worin meine Anſicht mit der Anſicht der Freunde eines Geſetzbuchs übereinſtimmt, und worin ſich beide unterſcheiden. In dem Zweck ſind wir einig: wir wollen Grund- lage eines ſicheren Rechts, ſicher gegen Eingriff der Willkühr und ungerechter Geſinnung; desgleichen Ge- meinſchaft der Nation und Concentration ihrer wiſ- ſenſchaftlichen Beſtrebungen auf daſſelbe Object. Für dieſen Zweck verlangen ſie ein Geſetzbuch, was aber die gewünſchte Einheit nur für die Hälfte von Deutſch- land hervorbringen, die andere Hälfte dagegen ſchär- fer als vorher abſondern würde. Ich ſehe das rechte Mittel in einer organiſch fortſchreitenden Rechtswiſ- ſenſchaft, die der ganzen Nation gemein ſeyn kann. Auch in der Beurtheilung des gegenwärtigen Zu- ſtandes treffen wir überein, denn wir erkennen ihn beide für mangelhaft. Sie aber ſehen den Grund des Uebels in den Rechtsquellen, und glauben durch ein Geſetzbuch zu helfen: ich finde ihn vielmehr in uns, und glaube, daß wir eben deshalb zu einem Geſetzbuch nicht berufen ſind.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/171>, abgerufen am 29.03.2024.