Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 140. Vertrag.
Diese Bestimmung ist eben so von Einfluß, wie die der
Gattung selbst; ist sie nun irrig, indem eine solche Ei-
genschaft bey der ganzen Gattung nicht vorkommt, so daß
die Haupt- und Nebenbestimmung mit einander im Wider-
spruch stehen, so wird dadurch das ganze Rechtsgeschäft
entkräftet (n).

§. 140.
IV. Vertrag.

Unsere Betrachtung der juristischen Thatsachen ist bis
jetzt stets vom Allgemeinen zum Besonderen fortgeschritten:
von der Thatsache überhaupt zur freyen Handlung, von
dieser zur Willenserklärung (§ 104 fg.). Wir gehen auf
diesem Wege einen Schritt weiter, indem wir das Wesen
des Vertrags zu bestimmen suchen, welcher unter allen
Arten der Willenserklärung die wichtigste und umfassendste
ist. Der Begriff desselben ist Allen, auch außer dem Ge-
biet unsrer Wissenschaft, geläufig, den Juristen aber durch
vielfache Anwendungen so bekannt und unentbehrlich, daß
man überall eine gleichförmige und richtige Auffassung des-
selben erwarten möchte; dennoch fehlt hieran sehr viel.


(n) L. 7 § 1 de trit. (33. 6.).
"Lucio Titio tritici modios cen-
tum, qui singuli pondo centum
pendeant, heres dato.
Ofilius,
nihil legatum esse, quod et La-
beo probat: quoniam ejusmodi
triticum in rerum natura non
esset: quod verum puto."
Der
Modius Weizen mochte im Durch-
schnitt kaum Fünf und zwanzig
Römische Pfunde wiegen (Pli-
nius
H. N. XVIII.
7.), Weizen zu
Hundert Pfund schwer war also
unmöglich zu finden.
20*

§. 140. Vertrag.
Dieſe Beſtimmung iſt eben ſo von Einfluß, wie die der
Gattung ſelbſt; iſt ſie nun irrig, indem eine ſolche Ei-
genſchaft bey der ganzen Gattung nicht vorkommt, ſo daß
die Haupt- und Nebenbeſtimmung mit einander im Wider-
ſpruch ſtehen, ſo wird dadurch das ganze Rechtsgeſchäft
entkräftet (n).

§. 140.
IV. Vertrag.

Unſere Betrachtung der juriſtiſchen Thatſachen iſt bis
jetzt ſtets vom Allgemeinen zum Beſonderen fortgeſchritten:
von der Thatſache überhaupt zur freyen Handlung, von
dieſer zur Willenserklärung (§ 104 fg.). Wir gehen auf
dieſem Wege einen Schritt weiter, indem wir das Weſen
des Vertrags zu beſtimmen ſuchen, welcher unter allen
Arten der Willenserklärung die wichtigſte und umfaſſendſte
iſt. Der Begriff deſſelben iſt Allen, auch außer dem Ge-
biet unſrer Wiſſenſchaft, geläufig, den Juriſten aber durch
vielfache Anwendungen ſo bekannt und unentbehrlich, daß
man überall eine gleichförmige und richtige Auffaſſung deſ-
ſelben erwarten möchte; dennoch fehlt hieran ſehr viel.


(n) L. 7 § 1 de trit. (33. 6.).
Lucio Titio tritici modios cen-
tum, qui singuli pondo centum
pendeant, heres dato.
Ofilius,
nihil legatum esse, quod et La-
beo probat: quoniam ejusmodi
triticum in rerum natura non
esset: quod verum puto.”
Der
Modius Weizen mochte im Durch-
ſchnitt kaum Fünf und zwanzig
Römiſche Pfunde wiegen (Pli-
nius
H. N. XVIII.
7.), Weizen zu
Hundert Pfund ſchwer war alſo
unmöglich zu finden.
20*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0319" n="307"/><fw place="top" type="header">§. 140. Vertrag.</fw><lb/>
Die&#x017F;e Be&#x017F;timmung i&#x017F;t eben &#x017F;o von Einfluß, wie die der<lb/>
Gattung &#x017F;elb&#x017F;t; i&#x017F;t &#x017F;ie nun irrig, indem eine &#x017F;olche Ei-<lb/>
gen&#x017F;chaft bey der ganzen Gattung nicht vorkommt, &#x017F;o daß<lb/>
die Haupt- und Nebenbe&#x017F;timmung mit einander im Wider-<lb/>
&#x017F;pruch &#x017F;tehen, &#x017F;o wird dadurch das ganze Rechtsge&#x017F;chäft<lb/>
entkräftet <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 7 § 1 <hi rendition="#i">de trit.</hi> (33. 6.).<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#i">Lucio Titio tritici modios cen-<lb/>
tum, qui singuli pondo centum<lb/>
pendeant, heres dato.</hi> Ofilius,<lb/>
nihil legatum esse, quod et La-<lb/>
beo probat: quoniam ejusmodi<lb/>
triticum in rerum natura non<lb/>
esset: quod verum puto.&#x201D;</hi> Der<lb/>
Modius Weizen mochte im Durch-<lb/>
&#x017F;chnitt kaum Fünf und zwanzig<lb/>
Römi&#x017F;che Pfunde wiegen (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Pli-<lb/>
nius</hi> H. N. XVIII.</hi> 7.), Weizen zu<lb/>
Hundert Pfund &#x017F;chwer war al&#x017F;o<lb/>
unmöglich zu finden.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 140.<lb/><hi rendition="#aq">IV.</hi> <hi rendition="#g">Vertrag</hi>.</head><lb/>
            <p>Un&#x017F;ere Betrachtung der juri&#x017F;ti&#x017F;chen That&#x017F;achen i&#x017F;t bis<lb/>
jetzt &#x017F;tets vom Allgemeinen zum Be&#x017F;onderen fortge&#x017F;chritten:<lb/>
von der That&#x017F;ache überhaupt zur freyen Handlung, von<lb/>
die&#x017F;er zur Willenserklärung (§ 104 fg.). Wir gehen auf<lb/>
die&#x017F;em Wege einen Schritt weiter, indem wir das We&#x017F;en<lb/>
des <hi rendition="#g">Vertrags</hi> zu be&#x017F;timmen &#x017F;uchen, welcher unter allen<lb/>
Arten der Willenserklärung die wichtig&#x017F;te und umfa&#x017F;&#x017F;end&#x017F;te<lb/>
i&#x017F;t. Der Begriff de&#x017F;&#x017F;elben i&#x017F;t Allen, auch außer dem Ge-<lb/>
biet un&#x017F;rer Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, geläufig, den Juri&#x017F;ten aber durch<lb/>
vielfache Anwendungen &#x017F;o bekannt und unentbehrlich, daß<lb/>
man überall eine gleichförmige und richtige Auffa&#x017F;&#x017F;ung de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben erwarten möchte; dennoch fehlt hieran &#x017F;ehr viel.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">20*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0319] §. 140. Vertrag. Dieſe Beſtimmung iſt eben ſo von Einfluß, wie die der Gattung ſelbſt; iſt ſie nun irrig, indem eine ſolche Ei- genſchaft bey der ganzen Gattung nicht vorkommt, ſo daß die Haupt- und Nebenbeſtimmung mit einander im Wider- ſpruch ſtehen, ſo wird dadurch das ganze Rechtsgeſchäft entkräftet (n). §. 140. IV. Vertrag. Unſere Betrachtung der juriſtiſchen Thatſachen iſt bis jetzt ſtets vom Allgemeinen zum Beſonderen fortgeſchritten: von der Thatſache überhaupt zur freyen Handlung, von dieſer zur Willenserklärung (§ 104 fg.). Wir gehen auf dieſem Wege einen Schritt weiter, indem wir das Weſen des Vertrags zu beſtimmen ſuchen, welcher unter allen Arten der Willenserklärung die wichtigſte und umfaſſendſte iſt. Der Begriff deſſelben iſt Allen, auch außer dem Ge- biet unſrer Wiſſenſchaft, geläufig, den Juriſten aber durch vielfache Anwendungen ſo bekannt und unentbehrlich, daß man überall eine gleichförmige und richtige Auffaſſung deſ- ſelben erwarten möchte; dennoch fehlt hieran ſehr viel. (n) L. 7 § 1 de trit. (33. 6.). „Lucio Titio tritici modios cen- tum, qui singuli pondo centum pendeant, heres dato. Ofilius, nihil legatum esse, quod et La- beo probat: quoniam ejusmodi triticum in rerum natura non esset: quod verum puto.” Der Modius Weizen mochte im Durch- ſchnitt kaum Fünf und zwanzig Römiſche Pfunde wiegen (Pli- nius H. N. XVIII. 7.), Weizen zu Hundert Pfund ſchwer war alſo unmöglich zu finden. 20*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/319
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/319>, abgerufen am 25.04.2024.