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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Beylage VIII.
weil außerdem jene Klage entbehrlich, also auch unzulässig,
seyn würde (Note f).

XI.

Es giebt jedoch zwey wichtige Ausnahmen der eben
dargestellten Regel: Fälle, in welchen ein Rechtsgeschäft
blos wegen eines irrigen Beweggrundes als ungültig durch
besondere Klagen angefochten werden kann (a).

Der erste dieser ausgenommenen Fälle findet sich in
den ädilicischen Klagen. Wer eine Sache kauft, die mit
einem heimlichen Fehler besonders bestimmter Art behaftet
ist, kann nach seiner Wahl entweder den Kauf aufheben,
oder eine Verminderung des Kaufgeldes verlangen, und
zwar lediglich wegen dieses Irrthums, der Verkäufer also
mag den Fehler gekannt haben oder nicht (b). Die ge-

(a) Mit diesen ausgenommenen
Fällen darf nicht zusammengestellt
werden der Fall des Betrugs;
denn bey diesem tritt der Irrthum
als solcher ganz zurück, und der
Betrug für sich ist selbstständiger
Entstehungsgrund eigenthümlicher
Rechtsverhältnisse (System § 115).
Eben so darf dahin nicht gezählt
werden die Anfechtung des Kaufs
wegen laesio ultra dimidium;
denn bey dieser ist der Irrthum
des Verkäufers über den wahren
Werth der Sache zwar ein mög-
licher Beweggrund, aber nicht der
nothwendige: es kann auch ein
Verkauf seyn aus Geldnoth, die
der Käufer wucherlich misbraucht,
in welchem Fall kein Irrthum
zum Grund liegt.
(b) Mit den ädilicischen Klagen
darf in dieser Hinsicht nicht zu-
sammengestellt werden die Klage
auf Evictionsleistung, obgleich auch
bey dieser ein Irrthum allerdings
vorausgesetzt wird. (L. 27 C. de
evict.
8. 45.). Denn der wahre
Grund der Klage ist hier nicht
der Irrthum, sondern der nicht
gehörig erfüllte Kauf (L. 11 § 2
de act. emti 19. 1, L. 8 de
evict.
21. 2.); der Irrthum aber
kommt hier nur insofern in Be-
tracht, als umgekehrt in der Be-
kanntschaft mit dem fremden Recht
eine Entsagung auf den Regreß

Beylage VIII.
weil außerdem jene Klage entbehrlich, alſo auch unzuläſſig,
ſeyn würde (Note f).

XI.

Es giebt jedoch zwey wichtige Ausnahmen der eben
dargeſtellten Regel: Fälle, in welchen ein Rechtsgeſchäft
blos wegen eines irrigen Beweggrundes als ungültig durch
beſondere Klagen angefochten werden kann (a).

Der erſte dieſer ausgenommenen Fälle findet ſich in
den ädiliciſchen Klagen. Wer eine Sache kauft, die mit
einem heimlichen Fehler beſonders beſtimmter Art behaftet
iſt, kann nach ſeiner Wahl entweder den Kauf aufheben,
oder eine Verminderung des Kaufgeldes verlangen, und
zwar lediglich wegen dieſes Irrthums, der Verkäufer alſo
mag den Fehler gekannt haben oder nicht (b). Die ge-

(a) Mit dieſen ausgenommenen
Fällen darf nicht zuſammengeſtellt
werden der Fall des Betrugs;
denn bey dieſem tritt der Irrthum
als ſolcher ganz zurück, und der
Betrug für ſich iſt ſelbſtſtändiger
Entſtehungsgrund eigenthümlicher
Rechtsverhältniſſe (Syſtem § 115).
Eben ſo darf dahin nicht gezählt
werden die Anfechtung des Kaufs
wegen laesio ultra dimidium;
denn bey dieſer iſt der Irrthum
des Verkäufers über den wahren
Werth der Sache zwar ein mög-
licher Beweggrund, aber nicht der
nothwendige: es kann auch ein
Verkauf ſeyn aus Geldnoth, die
der Käufer wucherlich misbraucht,
in welchem Fall kein Irrthum
zum Grund liegt.
(b) Mit den ädiliciſchen Klagen
darf in dieſer Hinſicht nicht zu-
ſammengeſtellt werden die Klage
auf Evictionsleiſtung, obgleich auch
bey dieſer ein Irrthum allerdings
vorausgeſetzt wird. (L. 27 C. de
evict.
8. 45.). Denn der wahre
Grund der Klage iſt hier nicht
der Irrthum, ſondern der nicht
gehörig erfüllte Kauf (L. 11 § 2
de act. emti 19. 1, L. 8 de
evict.
21. 2.); der Irrthum aber
kommt hier nur inſofern in Be-
tracht, als umgekehrt in der Be-
kanntſchaft mit dem fremden Recht
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[358/0370] Beylage VIII. weil außerdem jene Klage entbehrlich, alſo auch unzuläſſig, ſeyn würde (Note f). XI. Es giebt jedoch zwey wichtige Ausnahmen der eben dargeſtellten Regel: Fälle, in welchen ein Rechtsgeſchäft blos wegen eines irrigen Beweggrundes als ungültig durch beſondere Klagen angefochten werden kann (a). Der erſte dieſer ausgenommenen Fälle findet ſich in den ädiliciſchen Klagen. Wer eine Sache kauft, die mit einem heimlichen Fehler beſonders beſtimmter Art behaftet iſt, kann nach ſeiner Wahl entweder den Kauf aufheben, oder eine Verminderung des Kaufgeldes verlangen, und zwar lediglich wegen dieſes Irrthums, der Verkäufer alſo mag den Fehler gekannt haben oder nicht (b). Die ge- (a) Mit dieſen ausgenommenen Fällen darf nicht zuſammengeſtellt werden der Fall des Betrugs; denn bey dieſem tritt der Irrthum als ſolcher ganz zurück, und der Betrug für ſich iſt ſelbſtſtändiger Entſtehungsgrund eigenthümlicher Rechtsverhältniſſe (Syſtem § 115). Eben ſo darf dahin nicht gezählt werden die Anfechtung des Kaufs wegen laesio ultra dimidium; denn bey dieſer iſt der Irrthum des Verkäufers über den wahren Werth der Sache zwar ein mög- licher Beweggrund, aber nicht der nothwendige: es kann auch ein Verkauf ſeyn aus Geldnoth, die der Käufer wucherlich misbraucht, in welchem Fall kein Irrthum zum Grund liegt. (b) Mit den ädiliciſchen Klagen darf in dieſer Hinſicht nicht zu- ſammengeſtellt werden die Klage auf Evictionsleiſtung, obgleich auch bey dieſer ein Irrthum allerdings vorausgeſetzt wird. (L. 27 C. de evict. 8. 45.). Denn der wahre Grund der Klage iſt hier nicht der Irrthum, ſondern der nicht gehörig erfüllte Kauf (L. 11 § 2 de act. emti 19. 1, L. 8 de evict. 21. 2.); der Irrthum aber kommt hier nur inſofern in Be- tracht, als umgekehrt in der Be- kanntſchaft mit dem fremden Recht eine Entſagung auf den Regreß

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/370>, abgerufen am 19.04.2024.