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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 221. Arbitrariae actiones.
werden, daß der Arbiter auf die freywillige Naturalresti-
tution hinzuwirken suchte.

Hätte man jedoch lediglich auf den guten Willen oder
die Nachgiebigkeit des Beklagten rechnen wollen, so wäre
diese Anstalt gerade da, wo sie besonders wichtig war, der
entschlossenen Ungerechtigkeit gegenüber, völlig kraftlos ge-
blieben. Sie erhielt aber Kraft durch ein indirectes Zwangs-
mittel; der Beklagte, welcher der Aufforderung des Arbi-
ter nicht nachgab, sollte durch das nun folgende Urtheil in
größeren Nachtheil kommen, als er durch die freywillige
Nachgiebigkeit erlitten haben würde, und in diesem ange-
drohten Präjudiz lag ein, gewiß sehr wirksames, indirec-
tes Zwangsmittel (d). Der allgemeinste Nachtheil bestand
aber darin, daß nun die Geldsumme, auf welche der Ar-
biter den Beklagten verurtheilte, den wahren Werth des
Gegenstandes weit übersteigen konnte, indem der Kläger
durch seinen Eid die Summe bestimmen durfte (e). Bey

(d) Nach L. 68 de R. V. (6.
1.) soll auch directer Zwang gel-
ten, manu militari. Ich halte
dieses für eine entschiedene Inter-
polation, da in anderen Digesten-
stellen die Unmöglichkeit jedes di-
recten Zwanges bestimmt voraus-
gesetzt wird, so z. B. in L. 4 § 3
fin. reg. (10. 1.), L. 73 de fide-
juss.
(46. 1.). Eben so läßt die
Fassung des § 31 J. de act. (4.
6.) für eine Execution in die Sache
selbst keinen Raum; diese Stelle
ist denn wahrscheinlich ohne Ver-
änderung aus einem alten Juri-
sten abgeschrieben. Endlich ist auch,
die Naturalexecution vorausgesetzt,
nicht wohl einzusehen, wie es je-
mals ob contumaciam zu einem
Eid kommen konnte (Note e).
(e) L. 2 § 1 de in litem jur.
(12. 2.) cum vero dolus, aut
contumacia non restituentis
vel non exhibentis,
(punitur),
quanti in litem juraverit actor
(aestimatur)." Dolus
geht auf
den Fall, da der Besitzer die Sache
verzehrt oder verkauft hat, contu-
macia
ist der hier erwähnte Un-
gehorsam. Vgl. L. 1 eod. L. 18

§. 221. Arbitrariae actiones.
werden, daß der Arbiter auf die freywillige Naturalreſti-
tution hinzuwirken ſuchte.

Hätte man jedoch lediglich auf den guten Willen oder
die Nachgiebigkeit des Beklagten rechnen wollen, ſo wäre
dieſe Anſtalt gerade da, wo ſie beſonders wichtig war, der
entſchloſſenen Ungerechtigkeit gegenüber, völlig kraftlos ge-
blieben. Sie erhielt aber Kraft durch ein indirectes Zwangs-
mittel; der Beklagte, welcher der Aufforderung des Arbi-
ter nicht nachgab, ſollte durch das nun folgende Urtheil in
größeren Nachtheil kommen, als er durch die freywillige
Nachgiebigkeit erlitten haben würde, und in dieſem ange-
drohten Präjudiz lag ein, gewiß ſehr wirkſames, indirec-
tes Zwangsmittel (d). Der allgemeinſte Nachtheil beſtand
aber darin, daß nun die Geldſumme, auf welche der Ar-
biter den Beklagten verurtheilte, den wahren Werth des
Gegenſtandes weit überſteigen konnte, indem der Kläger
durch ſeinen Eid die Summe beſtimmen durfte (e). Bey

(d) Nach L. 68 de R. V. (6.
1.) ſoll auch directer Zwang gel-
ten, manu militari. Ich halte
dieſes für eine entſchiedene Inter-
polation, da in anderen Digeſten-
ſtellen die Unmöglichkeit jedes di-
recten Zwanges beſtimmt voraus-
geſetzt wird, ſo z. B. in L. 4 § 3
fin. reg. (10. 1.), L. 73 de fide-
juss.
(46. 1.). Eben ſo läßt die
Faſſung des § 31 J. de act. (4.
6.) für eine Execution in die Sache
ſelbſt keinen Raum; dieſe Stelle
iſt denn wahrſcheinlich ohne Ver-
änderung aus einem alten Juri-
ſten abgeſchrieben. Endlich iſt auch,
die Naturalexecution vorausgeſetzt,
nicht wohl einzuſehen, wie es je-
mals ob contumaciam zu einem
Eid kommen konnte (Note e).
(e) L. 2 § 1 de in litem jur.
(12. 2.) cum vero dolus, aut
contumacia non restituentis
vel non exhibentis,
(punitur),
quanti in litem juraverit actor
(aestimatur).” Dolus
geht auf
den Fall, da der Beſitzer die Sache
verzehrt oder verkauft hat, contu-
macia
iſt der hier erwähnte Un-
gehorſam. Vgl. L. 1 eod. L. 18
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[123/0137] §. 221. Arbitrariae actiones. werden, daß der Arbiter auf die freywillige Naturalreſti- tution hinzuwirken ſuchte. Hätte man jedoch lediglich auf den guten Willen oder die Nachgiebigkeit des Beklagten rechnen wollen, ſo wäre dieſe Anſtalt gerade da, wo ſie beſonders wichtig war, der entſchloſſenen Ungerechtigkeit gegenüber, völlig kraftlos ge- blieben. Sie erhielt aber Kraft durch ein indirectes Zwangs- mittel; der Beklagte, welcher der Aufforderung des Arbi- ter nicht nachgab, ſollte durch das nun folgende Urtheil in größeren Nachtheil kommen, als er durch die freywillige Nachgiebigkeit erlitten haben würde, und in dieſem ange- drohten Präjudiz lag ein, gewiß ſehr wirkſames, indirec- tes Zwangsmittel (d). Der allgemeinſte Nachtheil beſtand aber darin, daß nun die Geldſumme, auf welche der Ar- biter den Beklagten verurtheilte, den wahren Werth des Gegenſtandes weit überſteigen konnte, indem der Kläger durch ſeinen Eid die Summe beſtimmen durfte (e). Bey (d) Nach L. 68 de R. V. (6. 1.) ſoll auch directer Zwang gel- ten, manu militari. Ich halte dieſes für eine entſchiedene Inter- polation, da in anderen Digeſten- ſtellen die Unmöglichkeit jedes di- recten Zwanges beſtimmt voraus- geſetzt wird, ſo z. B. in L. 4 § 3 fin. reg. (10. 1.), L. 73 de fide- juss. (46. 1.). Eben ſo läßt die Faſſung des § 31 J. de act. (4. 6.) für eine Execution in die Sache ſelbſt keinen Raum; dieſe Stelle iſt denn wahrſcheinlich ohne Ver- änderung aus einem alten Juri- ſten abgeſchrieben. Endlich iſt auch, die Naturalexecution vorausgeſetzt, nicht wohl einzuſehen, wie es je- mals ob contumaciam zu einem Eid kommen konnte (Note e). (e) L. 2 § 1 de in litem jur. (12. 2.) cum vero dolus, aut contumacia non restituentis vel non exhibentis, (punitur), quanti in litem juraverit actor (aestimatur).” Dolus geht auf den Fall, da der Beſitzer die Sache verzehrt oder verkauft hat, contu- macia iſt der hier erwähnte Un- gehorſam. Vgl. L. 1 eod. L. 18

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/137>, abgerufen am 18.04.2024.