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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Beylage XIV.
XVII.

Nach der hier gegebenen Darstellung ist also die con-
dictio furtiva
keine Delictsklage, indem sie nicht, so wie
die furti und doli actio, aus einem Delict entsteht; sie
entsteht vielmehr, eben so wie jede andere condictio sine
causa,
aus des Gegners grundloser Bereicherung durch
unser Eigenthum, also aus einem als Quasicontract zu
bezeichnenden Rechtsgeschäft. Daneben soll jedoch nicht be-
stritten werden, daß sie bey Gelegenheit eines Delicts ent-
steht, ja daß das Daseyn desselben die nothwendige Vor-
aussetzung ist, ohne welche sie, mit der oben dargestellten
eigenthümlichen Natur, gar nicht entstehen kann.

Diese Meynung aber ist keinesweges allgemein aner-
kannt, vielmehr ist die Natur dieser Klage, und namentlich
die Frage, ob sie ex delicto entsteht oder nicht, seit Jahr-
hunderten Gegenstand einer großen Controverse unter den
Rechtslehrern (a). Für die Richtigkeit der hier aufgestellten
Lehre von den Condictionen ist aber diese Frage sehr wichtig.
Denn wenn jene Condiction wirklich eine Delictsklage ist,
so ist damit jene Lehre schwer zu vereinigen. Selbst die

(a) Einer der neuesten Verthei-
diger der Delictsnatur dieser Klage
ist Francke Beyträge S. 28--33.
Schriftsteller über diese Streitfrage
finden sich reichlich angeführt bey
Glück B. 13 § 839. Die Ablei-
tung aus einem quasicontractus
findet sich schon bey Anderen, z. B.
Lyclama benedictor. Lib. 1 C.
1--8. -- Krug de condict. furt.
Lips. 1830 p.
8--12 hält sie zwar
für eine Delictsklage, will aber
ihre Entstehung (ohne hinreichende
Gründe) aus der Fiction eines
Abfindungsvertrags ableiten, und
daraus ihre Eigenthümlichkeiten
erklären, z. B. den Übergang auf
die Erben des Diebes.
Beylage XIV.
XVII.

Nach der hier gegebenen Darſtellung iſt alſo die con-
dictio furtiva
keine Delictsklage, indem ſie nicht, ſo wie
die furti und doli actio, aus einem Delict entſteht; ſie
entſteht vielmehr, eben ſo wie jede andere condictio sine
causa,
aus des Gegners grundloſer Bereicherung durch
unſer Eigenthum, alſo aus einem als Quaſicontract zu
bezeichnenden Rechtsgeſchäft. Daneben ſoll jedoch nicht be-
ſtritten werden, daß ſie bey Gelegenheit eines Delicts ent-
ſteht, ja daß das Daſeyn deſſelben die nothwendige Vor-
ausſetzung iſt, ohne welche ſie, mit der oben dargeſtellten
eigenthümlichen Natur, gar nicht entſtehen kann.

Dieſe Meynung aber iſt keinesweges allgemein aner-
kannt, vielmehr iſt die Natur dieſer Klage, und namentlich
die Frage, ob ſie ex delicto entſteht oder nicht, ſeit Jahr-
hunderten Gegenſtand einer großen Controverſe unter den
Rechtslehrern (a). Für die Richtigkeit der hier aufgeſtellten
Lehre von den Condictionen iſt aber dieſe Frage ſehr wichtig.
Denn wenn jene Condiction wirklich eine Delictsklage iſt,
ſo iſt damit jene Lehre ſchwer zu vereinigen. Selbſt die

(a) Einer der neueſten Verthei-
diger der Delictsnatur dieſer Klage
iſt Francke Beyträge S. 28—33.
Schriftſteller über dieſe Streitfrage
finden ſich reichlich angeführt bey
Glück B. 13 § 839. Die Ablei-
tung aus einem quasicontractus
findet ſich ſchon bey Anderen, z. B.
Lyclama benedictor. Lib. 1 C.
1—8. — Krug de condict. furt.
Lips. 1830 p.
8—12 hält ſie zwar
für eine Delictsklage, will aber
ihre Entſtehung (ohne hinreichende
Gründe) aus der Fiction eines
Abfindungsvertrags ableiten, und
daraus ihre Eigenthümlichkeiten
erklären, z. B. den Übergang auf
die Erben des Diebes.
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[556/0570] Beylage XIV. XVII. Nach der hier gegebenen Darſtellung iſt alſo die con- dictio furtiva keine Delictsklage, indem ſie nicht, ſo wie die furti und doli actio, aus einem Delict entſteht; ſie entſteht vielmehr, eben ſo wie jede andere condictio sine causa, aus des Gegners grundloſer Bereicherung durch unſer Eigenthum, alſo aus einem als Quaſicontract zu bezeichnenden Rechtsgeſchäft. Daneben ſoll jedoch nicht be- ſtritten werden, daß ſie bey Gelegenheit eines Delicts ent- ſteht, ja daß das Daſeyn deſſelben die nothwendige Vor- ausſetzung iſt, ohne welche ſie, mit der oben dargeſtellten eigenthümlichen Natur, gar nicht entſtehen kann. Dieſe Meynung aber iſt keinesweges allgemein aner- kannt, vielmehr iſt die Natur dieſer Klage, und namentlich die Frage, ob ſie ex delicto entſteht oder nicht, ſeit Jahr- hunderten Gegenſtand einer großen Controverſe unter den Rechtslehrern (a). Für die Richtigkeit der hier aufgeſtellten Lehre von den Condictionen iſt aber dieſe Frage ſehr wichtig. Denn wenn jene Condiction wirklich eine Delictsklage iſt, ſo iſt damit jene Lehre ſchwer zu vereinigen. Selbſt die (a) Einer der neueſten Verthei- diger der Delictsnatur dieſer Klage iſt Francke Beyträge S. 28—33. Schriftſteller über dieſe Streitfrage finden ſich reichlich angeführt bey Glück B. 13 § 839. Die Ablei- tung aus einem quasicontractus findet ſich ſchon bey Anderen, z. B. Lyclama benedictor. Lib. 1 C. 1—8. — Krug de condict. furt. Lips. 1830 p. 8—12 hält ſie zwar für eine Delictsklage, will aber ihre Entſtehung (ohne hinreichende Gründe) aus der Fiction eines Abfindungsvertrags ableiten, und daraus ihre Eigenthümlichkeiten erklären, z. B. den Übergang auf die Erben des Diebes.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/570>, abgerufen am 19.04.2024.