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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Was aber aus stetiger Berührung des vorlauten Jünglings mit
seiner neuen Gebieterin noch werden mag, weiß nur der, der Herz
und Nieren prüft! Bereits hat man bei der Hochzeit jenes getauften
Heiden wahrgenommen, wie er sich der einsamen Unterredung mit
jener Herrin in Israel nicht entzieht, und etlichemale geseufzt hat
gleich einem angeschossenen Dammhirsch. Auch hat man mit Betrüb-
niß gesehen, wie eine unstet irrlichtelnde griechische Jungfrau, genannt
Praxedis, um ihn her ihr Wesen treibt; was die Herrin unverdorben
läßt, mag die Dienerin einreißen, von der nicht einmal sicher ist, ob
sie eines orthodoxen Glaubens sich erfreue. Ein leichtfertig Weib
aber ist bitterer denn der Tod, sie ist ein Strick der Jäger, ihr Herz
ein Netz, ihre Hände sind Bande, nur wer Gott gefällt, mag ihr
entrinnen.

Es stund Rudimann, dem Beschützer der Obermagd Kerhildis,
wohl an, daß er die Worte des Predigers so getreulich im Herzen trug.

Genug, sprach der Abt. Hauptstück neun und zwanzig: von der
Rückberufung auswärts Weilender. Es wird durchschlagen. Mir
ahnt und schwant, bald wird die wetterwendische Herrin droben um
ihren Felsen herumflattern wie eine alte Schwalbe, der ihr Junges
aus dem Nest gefallen, -- Ade Herzkäfer! ... und Saspach wird
des Klosters!

Amen! murmelte Rudimann.



Achtzehntes Kapitel.
Herrn Spazzo des Kämmerers Gesandtschaft.


An einem kühlen Sommermorgen schritt Ekkehard den Burgweg
entlang in die wehende Frühluft hinaus. Eine schlaflose Nacht lag
hinter ihm; er war auf seiner Stube auf und niedergeschritten, die
Herzogin hatte wilde Gedanken in ihm aufgejagt. In seinem Kopf

Was aber aus ſtetiger Berührung des vorlauten Jünglings mit
ſeiner neuen Gebieterin noch werden mag, weiß nur der, der Herz
und Nieren prüft! Bereits hat man bei der Hochzeit jenes getauften
Heiden wahrgenommen, wie er ſich der einſamen Unterredung mit
jener Herrin in Iſrael nicht entzieht, und etlichemale geſeufzt hat
gleich einem angeſchoſſenen Dammhirſch. Auch hat man mit Betrüb-
niß geſehen, wie eine unſtet irrlichtelnde griechiſche Jungfrau, genannt
Praxedis, um ihn her ihr Weſen treibt; was die Herrin unverdorben
läßt, mag die Dienerin einreißen, von der nicht einmal ſicher iſt, ob
ſie eines orthodoxen Glaubens ſich erfreue. Ein leichtfertig Weib
aber iſt bitterer denn der Tod, ſie iſt ein Strick der Jäger, ihr Herz
ein Netz, ihre Hände ſind Bande, nur wer Gott gefällt, mag ihr
entrinnen.

Es ſtund Rudimann, dem Beſchützer der Obermagd Kerhildis,
wohl an, daß er die Worte des Predigers ſo getreulich im Herzen trug.

Genug, ſprach der Abt. Hauptſtück neun und zwanzig: von der
Rückberufung auswärts Weilender. Es wird durchſchlagen. Mir
ahnt und ſchwant, bald wird die wetterwendiſche Herrin droben um
ihren Felſen herumflattern wie eine alte Schwalbe, der ihr Junges
aus dem Neſt gefallen, — Ade Herzkäfer! ... und Saspach wird
des Kloſters!

Amen! murmelte Rudimann.



Achtzehntes Kapitel.
Herrn Spazzo des Kämmerers Geſandtſchaft.


An einem kühlen Sommermorgen ſchritt Ekkehard den Burgweg
entlang in die wehende Frühluft hinaus. Eine ſchlafloſe Nacht lag
hinter ihm; er war auf ſeiner Stube auf und niedergeſchritten, die
Herzogin hatte wilde Gedanken in ihm aufgejagt. In ſeinem Kopf

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[246/0268] Was aber aus ſtetiger Berührung des vorlauten Jünglings mit ſeiner neuen Gebieterin noch werden mag, weiß nur der, der Herz und Nieren prüft! Bereits hat man bei der Hochzeit jenes getauften Heiden wahrgenommen, wie er ſich der einſamen Unterredung mit jener Herrin in Iſrael nicht entzieht, und etlichemale geſeufzt hat gleich einem angeſchoſſenen Dammhirſch. Auch hat man mit Betrüb- niß geſehen, wie eine unſtet irrlichtelnde griechiſche Jungfrau, genannt Praxedis, um ihn her ihr Weſen treibt; was die Herrin unverdorben läßt, mag die Dienerin einreißen, von der nicht einmal ſicher iſt, ob ſie eines orthodoxen Glaubens ſich erfreue. Ein leichtfertig Weib aber iſt bitterer denn der Tod, ſie iſt ein Strick der Jäger, ihr Herz ein Netz, ihre Hände ſind Bande, nur wer Gott gefällt, mag ihr entrinnen. Es ſtund Rudimann, dem Beſchützer der Obermagd Kerhildis, wohl an, daß er die Worte des Predigers ſo getreulich im Herzen trug. Genug, ſprach der Abt. Hauptſtück neun und zwanzig: von der Rückberufung auswärts Weilender. Es wird durchſchlagen. Mir ahnt und ſchwant, bald wird die wetterwendiſche Herrin droben um ihren Felſen herumflattern wie eine alte Schwalbe, der ihr Junges aus dem Neſt gefallen, — Ade Herzkäfer! ... und Saspach wird des Kloſters! Amen! murmelte Rudimann. Achtzehntes Kapitel. Herrn Spazzo des Kämmerers Geſandtſchaft. An einem kühlen Sommermorgen ſchritt Ekkehard den Burgweg entlang in die wehende Frühluft hinaus. Eine ſchlafloſe Nacht lag hinter ihm; er war auf ſeiner Stube auf und niedergeſchritten, die Herzogin hatte wilde Gedanken in ihm aufgejagt. In ſeinem Kopf

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/268>, abgerufen am 28.03.2024.