Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite
Baron von F*** an den Grafen
von O***.
Sechster Brief.

20. Junius.

Dieser Civitella ist doch der dienstfertigste Mensch
von der Welt. Der Prinz hatte mich neulich kaum
verlassen, als schon ein Billet von dem Marchese
erschien, worin mir die Sache auf's dringendste
empfohlen wurde. Ich schickte ihm sogleich eine
Verschreibung in des Prinzen Namen auf 6000
Zechinen; in weniger als einer halben Stunde
folgte sie zurück, nebst der doppelten Summe, in
Wechseln sowohl als baarem Golde. In die Er¬
höhung der Summe willigte endlich der Prinz;
die Verschreibung aber, die nur auf sechs Wochen
gestellt war, mußte angenommen werden.

Diese ganze Woche ging in Erkundigungen
nach der geheimnißvollen Griechin hin. Biondello
setzte alle seine Maschinen in Bewegung, bis jetzt
aber war alles vergeblich. Den Gondolier machte
er zwar ausfindig, aus diesem war aber nichts
weiter heraus zu bringen, als daß er beyde Damen
auf der Insel Murano ausgesetzt habe, wo zwey
Sänften auf sie gewartet hätten, in die sie gestie¬
gen seyn. Er machte sie zu Engländerinnen, weil
sie eine fremde Sprache gesprochen und ihn mit
Gold bezahlt hätten. Auch ihren Begleiter kenne
er nicht, er komme ihm vor, wie ein Spiegel¬

fabri¬
M 3
Baron von F*** an den Grafen
von O***.
Sechster Brief.

20. Junius.

Dieſer Civitella iſt doch der dienſtfertigſte Menſch
von der Welt. Der Prinz hatte mich neulich kaum
verlaſſen, als ſchon ein Billet von dem Marcheſe
erſchien, worin mir die Sache auf's dringendſte
empfohlen wurde. Ich ſchickte ihm ſogleich eine
Verſchreibung in des Prinzen Namen auf 6000
Zechinen; in weniger als einer halben Stunde
folgte ſie zurück, nebſt der doppelten Summe, in
Wechſeln ſowohl als baarem Golde. In die Er¬
höhung der Summe willigte endlich der Prinz;
die Verſchreibung aber, die nur auf ſechs Wochen
geſtellt war, mußte angenommen werden.

Dieſe ganze Woche ging in Erkundigungen
nach der geheimnißvollen Griechin hin. Biondello
ſetzte alle ſeine Maſchinen in Bewegung, bis jetzt
aber war alles vergeblich. Den Gondolier machte
er zwar ausfindig, aus dieſem war aber nichts
weiter heraus zu bringen, als daß er beyde Damen
auf der Inſel Murano ausgeſetzt habe, wo zwey
Sänften auf ſie gewartet hätten, in die ſie geſtie¬
gen ſeyn. Er machte ſie zu Engländerinnen, weil
ſie eine fremde Sprache geſprochen und ihn mit
Gold bezahlt hätten. Auch ihren Begleiter kenne
er nicht, er komme ihm vor, wie ein Spiegel¬

fabri¬
M 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0189" n="181"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#g">Baron von F*** an den Grafen<lb/>
von O***.<lb/>
Sechster Brief.</hi><lb/>
            </head>
            <p rendition="#right">20. Junius.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>ie&#x017F;er Civitella i&#x017F;t doch der dien&#x017F;tfertig&#x017F;te Men&#x017F;ch<lb/>
von der Welt. Der Prinz hatte mich neulich kaum<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en, als &#x017F;chon ein Billet von dem Marche&#x017F;e<lb/>
er&#x017F;chien, worin mir die Sache auf's dringend&#x017F;te<lb/>
empfohlen wurde. Ich &#x017F;chickte ihm &#x017F;ogleich eine<lb/>
Ver&#x017F;chreibung in des Prinzen Namen auf 6000<lb/>
Zechinen; in weniger als einer halben Stunde<lb/>
folgte &#x017F;ie zurück, neb&#x017F;t der doppelten Summe, in<lb/>
Wech&#x017F;eln &#x017F;owohl als baarem Golde. In die Er¬<lb/>
höhung der Summe willigte endlich der Prinz;<lb/>
die Ver&#x017F;chreibung aber, die nur auf &#x017F;echs Wochen<lb/>
ge&#x017F;tellt war, mußte angenommen werden.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e ganze Woche ging in Erkundigungen<lb/>
nach der geheimnißvollen Griechin hin. Biondello<lb/>
&#x017F;etzte alle &#x017F;eine Ma&#x017F;chinen in Bewegung, bis jetzt<lb/>
aber war alles vergeblich. Den Gondolier machte<lb/>
er zwar ausfindig, aus die&#x017F;em war aber nichts<lb/>
weiter heraus zu bringen, als daß er beyde Damen<lb/>
auf der In&#x017F;el Murano ausge&#x017F;etzt habe, wo zwey<lb/>
Sänften auf &#x017F;ie gewartet hätten, in die &#x017F;ie ge&#x017F;tie¬<lb/>
gen &#x017F;eyn. Er machte &#x017F;ie zu Engländerinnen, weil<lb/>
&#x017F;ie eine fremde Sprache ge&#x017F;prochen und ihn mit<lb/>
Gold bezahlt hätten. Auch ihren Begleiter kenne<lb/>
er nicht, er komme ihm vor, wie ein Spiegel¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fabri¬<lb/></fw> <fw place="bottom" type="sig">M 3<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0189] Baron von F*** an den Grafen von O***. Sechster Brief. 20. Junius. Dieſer Civitella iſt doch der dienſtfertigſte Menſch von der Welt. Der Prinz hatte mich neulich kaum verlaſſen, als ſchon ein Billet von dem Marcheſe erſchien, worin mir die Sache auf's dringendſte empfohlen wurde. Ich ſchickte ihm ſogleich eine Verſchreibung in des Prinzen Namen auf 6000 Zechinen; in weniger als einer halben Stunde folgte ſie zurück, nebſt der doppelten Summe, in Wechſeln ſowohl als baarem Golde. In die Er¬ höhung der Summe willigte endlich der Prinz; die Verſchreibung aber, die nur auf ſechs Wochen geſtellt war, mußte angenommen werden. Dieſe ganze Woche ging in Erkundigungen nach der geheimnißvollen Griechin hin. Biondello ſetzte alle ſeine Maſchinen in Bewegung, bis jetzt aber war alles vergeblich. Den Gondolier machte er zwar ausfindig, aus dieſem war aber nichts weiter heraus zu bringen, als daß er beyde Damen auf der Inſel Murano ausgeſetzt habe, wo zwey Sänften auf ſie gewartet hätten, in die ſie geſtie¬ gen ſeyn. Er machte ſie zu Engländerinnen, weil ſie eine fremde Sprache geſprochen und ihn mit Gold bezahlt hätten. Auch ihren Begleiter kenne er nicht, er komme ihm vor, wie ein Spiegel¬ fabri¬ M 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/189
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/189>, abgerufen am 24.04.2024.