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Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.

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ein Schauspiel.
ber auf Stelzen geschraubt, und mit Drathfäden
gezogen zu werden. Hahaha!
Spiegelberg trinkt, Lies den Josephus, ich bit-
te dich drum.
Moor, Pfui! Pfui über das schlappe Kastra-
ten-Jahrhundert, zu nichts nüze, als die Thaten
der Vorzeit wiederzukäuen, und die Helden des
Alterthums mit Kommentationen zu schinden, und
zu verhunzen mit Trauerspielen. Die Kraft seiner
Lenden ist versiegen gegangen, und nun muß Bier-
hefe den Menschen fortpflanzen helfen.
Spiegelberg. Thee, Bruder, Thee!
Moor. Da verrammeln sie sich die gesunde
Natur mit abgeschmackten Konvenzionen, haben
das Herz nicht ein Glas zu leeren, weil sie Ge-
sundheit dazu trinken müßen -- beleken den Schuh-
puzer, daß er sie vertrete bei Jhro Gnaden und
hudeln den armen Schelm, den sie nicht fürchten.
Vergöttern sich um ein Mittagessen, und möchten
einander vergiften um ein Unterbett, das ihnen
beim Aufstreich überboten wird. -- Verdammen den
Sadduzäer, der nicht fleißig genug in die Kirche
kommt, und berechnen ihren Judenzins am Altare
-- fallen auf die Knie, damit sie ja ihren Schlamp
ausbreiten können -- wenden kein Aug von dem
Pfarrer, damit sie sehen, wie seine Perücke frisirt
ist. -- fallen in Ohnmacht, wenn sie eine Gans
bluten sehen, und klatschen in die Hände, wenn
ihr
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ein Schauſpiel.
ber auf Stelzen geſchraubt, und mit Drathfaͤden
gezogen zu werden. Hahaha!
Spiegelberg trinkt, Lies den Joſephus, ich bit-
te dich drum.
Moor, Pfui! Pfui uͤber das ſchlappe Kaſtra-
ten-Jahrhundert, zu nichts nuͤze, als die Thaten
der Vorzeit wiederzukaͤuen, und die Helden des
Alterthums mit Kommentationen zu ſchinden, und
zu verhunzen mit Trauerſpielen. Die Kraft ſeiner
Lenden iſt verſiegen gegangen, und nun muß Bier-
hefe den Menſchen fortpflanzen helfen.
Spiegelberg. Thee, Bruder, Thee!
Moor. Da verrammeln ſie ſich die geſunde
Natur mit abgeſchmackten Konvenzionen, haben
das Herz nicht ein Glas zu leeren, weil ſie Ge-
ſundheit dazu trinken muͤßen — beleken den Schuh-
puzer, daß er ſie vertrete bei Jhro Gnaden und
hudeln den armen Schelm, den ſie nicht fuͤrchten.
Vergoͤttern ſich um ein Mittageſſen, und moͤchten
einander vergiften um ein Unterbett, das ihnen
beim Aufſtreich uͤberboten wird. — Verdammen den
Sadduzaͤer, der nicht fleißig genug in die Kirche
kommt, und berechnen ihren Judenzins am Altare
— fallen auf die Knie, damit ſie ja ihren Schlamp
ausbreiten koͤnnen — wenden kein Aug von dem
Pfarrer, damit ſie ſehen, wie ſeine Peruͤcke friſirt
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bluten ſehen, und klatſchen in die Haͤnde, wenn
ihr
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[19/0041] ein Schauſpiel. ber auf Stelzen geſchraubt, und mit Drathfaͤden gezogen zu werden. Hahaha! Spiegelberg trinkt, Lies den Joſephus, ich bit- te dich drum. Moor, Pfui! Pfui uͤber das ſchlappe Kaſtra- ten-Jahrhundert, zu nichts nuͤze, als die Thaten der Vorzeit wiederzukaͤuen, und die Helden des Alterthums mit Kommentationen zu ſchinden, und zu verhunzen mit Trauerſpielen. Die Kraft ſeiner Lenden iſt verſiegen gegangen, und nun muß Bier- hefe den Menſchen fortpflanzen helfen. Spiegelberg. Thee, Bruder, Thee! Moor. Da verrammeln ſie ſich die geſunde Natur mit abgeſchmackten Konvenzionen, haben das Herz nicht ein Glas zu leeren, weil ſie Ge- ſundheit dazu trinken muͤßen — beleken den Schuh- puzer, daß er ſie vertrete bei Jhro Gnaden und hudeln den armen Schelm, den ſie nicht fuͤrchten. Vergoͤttern ſich um ein Mittageſſen, und moͤchten einander vergiften um ein Unterbett, das ihnen beim Aufſtreich uͤberboten wird. — Verdammen den Sadduzaͤer, der nicht fleißig genug in die Kirche kommt, und berechnen ihren Judenzins am Altare — fallen auf die Knie, damit ſie ja ihren Schlamp ausbreiten koͤnnen — wenden kein Aug von dem Pfarrer, damit ſie ſehen, wie ſeine Peruͤcke friſirt iſt. — fallen in Ohnmacht, wenn ſie eine Gans bluten ſehen, und klatſchen in die Haͤnde, wenn ihr B 2

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/41>, abgerufen am 19.04.2024.