Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Ihr solltet mir die Freiheit theuer machen,
An eurer Hand, beglückt durch eure Liebe,
Wollt' ich des neuen Lebens mich erfreun.
Jetzt, da ich auf dem Weg bin, von der Welt
Zu scheiden, und ein sel'ger Geist zu werden,
Den keine ird'sche Neigung mehr versucht,
Jetzt, Lester, darf ich ohne Schaamerröthen
Euch die besiegte Schwachheit eingestehn --
Lebt wohl, und wenn ihr könnt, so lebt beglückt!
Ihr durftet werben um zwei Königinnen,
Ein zärtlich liebend Herz habt ihr verschmäht,
Verrathen, um ein stolzes zu gewinnen,
Kniet zu den Füßen der Elisabeth!
Mög' euer Lohn nicht eure Strafe werden!
Lebt wohl! -- Jetzt hab' ich nichts mehr auf der Erden!

(Sie geht ab, der Scherif voraus, Melvil und die Amme ihr
zur Seite, Burleigh und Paulet folgen, die übrigen sehen
ihr jammernd nach, bis sie verschwunden ist, dann entfer-
nen sie sich durch die zwei andern Thüren.)
Zehnter Auftritt.
Leicester allein zurückbleibend.
Ich lebe noch! Ich trag es, noch zu leben!
Stürzt dieses Dach nicht sein Gewicht auf mich!
Thut sich kein Schlund auf, das elendeste
Der Wesen zu verschlingen! Was hab' ich
15
Ihr ſolltet mir die Freiheit theuer machen,
An eurer Hand, begluͤckt durch eure Liebe,
Wollt' ich des neuen Lebens mich erfreun.
Jetzt, da ich auf dem Weg bin, von der Welt
Zu ſcheiden, und ein ſel'ger Geiſt zu werden,
Den keine ird'ſche Neigung mehr verſucht,
Jetzt, Leſter, darf ich ohne Schaamerroͤthen
Euch die beſiegte Schwachheit eingeſtehn —
Lebt wohl, und wenn ihr koͤnnt, ſo lebt begluͤckt!
Ihr durftet werben um zwei Koͤniginnen,
Ein zaͤrtlich liebend Herz habt ihr verſchmaͤht,
Verrathen, um ein ſtolzes zu gewinnen,
Kniet zu den Fuͤßen der Eliſabeth!
Moͤg' euer Lohn nicht eure Strafe werden!
Lebt wohl! — Jetzt hab' ich nichts mehr auf der Erden!

(Sie geht ab, der Scherif voraus, Melvil und die Amme ihr
zur Seite, Burleigh und Paulet folgen, die uͤbrigen ſehen
ihr jammernd nach, bis ſie verſchwunden iſt, dann entfer-
nen ſie ſich durch die zwei andern Thuͤren.)
Zehnter Auftritt.
Leiceſter allein zuruͤckbleibend.
Ich lebe noch! Ich trag es, noch zu leben!
Stuͤrzt dieſes Dach nicht ſein Gewicht auf mich!
Thut ſich kein Schlund auf, das elendeſte
Der Weſen zu verſchlingen! Was hab' ich
15
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#MARSTUA">
            <p><pb facs="#f0231" n="225"/>
Ihr &#x017F;olltet mir die Freiheit <hi rendition="#g">theuer</hi> machen,<lb/>
An eurer Hand, beglu&#x0364;ckt durch eure Liebe,<lb/>
Wollt' ich des neuen Lebens mich erfreun.<lb/>
Jetzt, da ich auf dem Weg bin, von der Welt<lb/>
Zu &#x017F;cheiden, und ein &#x017F;el'ger Gei&#x017F;t zu werden,<lb/>
Den keine ird'&#x017F;che Neigung mehr ver&#x017F;ucht,<lb/>
Jetzt, Le&#x017F;ter, darf ich ohne Schaamerro&#x0364;then<lb/>
Euch die be&#x017F;iegte Schwachheit einge&#x017F;tehn &#x2014;<lb/>
Lebt wohl, und wenn ihr ko&#x0364;nnt, &#x017F;o lebt beglu&#x0364;ckt!<lb/>
Ihr durftet werben um zwei Ko&#x0364;niginnen,<lb/>
Ein za&#x0364;rtlich liebend Herz habt ihr ver&#x017F;chma&#x0364;ht,<lb/>
Verrathen, um ein &#x017F;tolzes zu gewinnen,<lb/>
Kniet zu den Fu&#x0364;ßen der Eli&#x017F;abeth!<lb/>
Mo&#x0364;g' euer Lohn nicht eure Strafe werden!<lb/>
Lebt wohl! &#x2014; Jetzt hab' ich nichts mehr auf der Erden!</p><lb/>
            <stage>(Sie geht ab, der Scherif voraus, Melvil und die Amme ihr<lb/>
zur Seite, Burleigh und Paulet folgen, die u&#x0364;brigen &#x017F;ehen<lb/>
ihr jammernd nach, bis &#x017F;ie ver&#x017F;chwunden i&#x017F;t, dann entfer-<lb/>
nen &#x017F;ie &#x017F;ich durch die zwei andern Thu&#x0364;ren.)</stage>
          </sp>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Zehnter Auftritt</hi>.</head><lb/>
          <sp who="#LEIGRA">
            <speaker> <hi rendition="#g">Leice&#x017F;ter</hi> </speaker>
            <stage>allein zuru&#x0364;ckbleibend.</stage><lb/>
            <p>Ich lebe noch! Ich trag es, noch zu leben!<lb/>
Stu&#x0364;rzt die&#x017F;es Dach nicht &#x017F;ein Gewicht auf mich!<lb/>
Thut &#x017F;ich kein Schlund auf, das elende&#x017F;te<lb/>
Der We&#x017F;en zu ver&#x017F;chlingen! <hi rendition="#g">Was</hi> hab' ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">15</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0231] Ihr ſolltet mir die Freiheit theuer machen, An eurer Hand, begluͤckt durch eure Liebe, Wollt' ich des neuen Lebens mich erfreun. Jetzt, da ich auf dem Weg bin, von der Welt Zu ſcheiden, und ein ſel'ger Geiſt zu werden, Den keine ird'ſche Neigung mehr verſucht, Jetzt, Leſter, darf ich ohne Schaamerroͤthen Euch die beſiegte Schwachheit eingeſtehn — Lebt wohl, und wenn ihr koͤnnt, ſo lebt begluͤckt! Ihr durftet werben um zwei Koͤniginnen, Ein zaͤrtlich liebend Herz habt ihr verſchmaͤht, Verrathen, um ein ſtolzes zu gewinnen, Kniet zu den Fuͤßen der Eliſabeth! Moͤg' euer Lohn nicht eure Strafe werden! Lebt wohl! — Jetzt hab' ich nichts mehr auf der Erden! (Sie geht ab, der Scherif voraus, Melvil und die Amme ihr zur Seite, Burleigh und Paulet folgen, die uͤbrigen ſehen ihr jammernd nach, bis ſie verſchwunden iſt, dann entfer- nen ſie ſich durch die zwei andern Thuͤren.) Zehnter Auftritt. Leiceſter allein zuruͤckbleibend. Ich lebe noch! Ich trag es, noch zu leben! Stuͤrzt dieſes Dach nicht ſein Gewicht auf mich! Thut ſich kein Schlund auf, das elendeſte Der Weſen zu verſchlingen! Was hab' ich 15

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/231
Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/231>, abgerufen am 28.03.2024.