Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.

Bild:
<< vorherige Seite

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
ser trincken; weil ich aber noch nie gehöret habe/
daß derselbige Wein sey wieder zu Wasser wor-
den/ so muß es wohl ein besserer als Gänse-
Wein gewesen seyn; unser Wasser aber in der
Christ-Nacht wird wohl allezeit Gänse-Wein
bleiben/ davon die albern abergläubischen Gänse
nicht leichtlich einen Rausch bekommen werden.

Das 56. Capitel.

Wessen Schatten auff den Weyh-
nacht-Heil. Abend/ bey eingebrachtem Lich-
te/ keinen Kopff hat/ der stirbt in sel-
bigem Jahre.

DAs glaube ich. Und wer ohne Kopff zu
Bette gehet/ der ist des Teuffels. Aber
wo giebts denn der gleichen Krüpel? Viel-
leicht bey dem wütenden Heer? Natürlicher
Weise sind aller Menschen Schatten zu allen
Zeiten vollkommen/ und ist das Vorgeben/ daß
eines Menschen Schatten am Weyhnacht hei-
ligen Abend ohne Kopff erscheinen solle/ eine of-
fenbare Lüge. Das ist zwar wahr/ daß man mit
zwey Lichten gar leichte machen kan/ daß eines
Menschen Schatten ohne Kopff erscheinet/ aber
das kan man alle Tage thun/ und darff nicht e-
ben am Weyhnacht-Abend geschehen. Und da
es nun eine Sache ist/ die sich durchs gantze Jahr
zutragen kan/ so darff sich keiner die Sorge ma-

chen/

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
ſer trincken; weil ich aber noch nie gehoͤret habe/
daß derſelbige Wein ſey wieder zu Waſſer wor-
den/ ſo muß es wohl ein beſſerer als Gaͤnſe-
Wein geweſen ſeyn; unſer Waſſer aber in der
Chriſt-Nacht wird wohl allezeit Gaͤnſe-Wein
bleiben/ davon die albern aberglaͤubiſchen Gaͤnſe
nicht leichtlich einen Rauſch bekommen werden.

Das 56. Capitel.

Weſſen Schatten auff den Weyh-
nacht-Heil. Abend/ bey eingebrachtem Lich-
te/ keinen Kopff hat/ der ſtirbt in ſel-
bigem Jahre.

DAs glaube ich. Und wer ohne Kopff zu
Bette gehet/ der iſt des Teuffels. Aber
wo giebts denn der gleichen Kruͤpel? Viel-
leicht bey dem wuͤtenden Heer? Natuͤrlicher
Weiſe ſind aller Menſchen Schatten zu allen
Zeiten vollkommen/ und iſt das Vorgeben/ daß
eines Menſchen Schatten am Weyhnacht hei-
ligen Abend ohne Kopff erſcheinen ſolle/ eine of-
fenbare Luͤge. Das iſt zwar wahr/ daß man mit
zwey Lichten gar leichte machen kan/ daß eines
Menſchen Schatten ohne Kopff erſcheinet/ aber
das kan man alle Tage thun/ und darff nicht e-
ben am Weyhnacht-Abend geſchehen. Und da
es nun eine Sache iſt/ die ſich durchs gantze Jahr
zutragen kan/ ſo darff ſich keiner die Sorge ma-

chen/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0117" n="95"/><fw place="top" type="header">Weibern hochgehaltenen Aberglauben.</fw><lb/>
&#x017F;er trincken; weil ich aber noch nie geho&#x0364;ret habe/<lb/>
daß der&#x017F;elbige Wein &#x017F;ey wieder zu Wa&#x017F;&#x017F;er wor-<lb/>
den/ &#x017F;o muß es wohl ein be&#x017F;&#x017F;erer als Ga&#x0364;n&#x017F;e-<lb/>
Wein gewe&#x017F;en &#x017F;eyn; un&#x017F;er Wa&#x017F;&#x017F;er aber in der<lb/>
Chri&#x017F;t-Nacht wird wohl allezeit Ga&#x0364;n&#x017F;e-Wein<lb/>
bleiben/ davon die albern abergla&#x0364;ubi&#x017F;chen Ga&#x0364;n&#x017F;e<lb/>
nicht leichtlich einen Rau&#x017F;ch bekommen werden.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Das 56. Capitel.</hi> </head><lb/>
        <argument>
          <p>We&#x017F;&#x017F;en Schatten auff den Weyh-<lb/>
nacht-Heil. Abend/ bey eingebrachtem Lich-<lb/><hi rendition="#c">te/ keinen Kopff hat/ der &#x017F;tirbt in &#x017F;el-<lb/>
bigem Jahre.</hi></p>
        </argument><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>As glaube ich. Und wer ohne Kopff zu<lb/>
Bette gehet/ der i&#x017F;t des Teuffels. Aber<lb/>
wo giebts denn der gleichen Kru&#x0364;pel? Viel-<lb/>
leicht bey dem wu&#x0364;tenden Heer? Natu&#x0364;rlicher<lb/>
Wei&#x017F;e &#x017F;ind aller Men&#x017F;chen Schatten zu allen<lb/>
Zeiten vollkommen/ und i&#x017F;t das Vorgeben/ daß<lb/>
eines Men&#x017F;chen Schatten am Weyhnacht hei-<lb/>
ligen Abend ohne Kopff er&#x017F;cheinen &#x017F;olle/ eine of-<lb/>
fenbare Lu&#x0364;ge. Das i&#x017F;t zwar wahr/ daß man mit<lb/>
zwey Lichten gar leichte machen kan/ daß eines<lb/>
Men&#x017F;chen Schatten ohne Kopff er&#x017F;cheinet/ aber<lb/>
das kan man alle Tage thun/ und darff nicht e-<lb/>
ben am Weyhnacht-Abend ge&#x017F;chehen. Und da<lb/>
es nun eine Sache i&#x017F;t/ die &#x017F;ich durchs gantze Jahr<lb/>
zutragen kan/ &#x017F;o darff &#x017F;ich keiner die Sorge ma-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">chen/</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0117] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. ſer trincken; weil ich aber noch nie gehoͤret habe/ daß derſelbige Wein ſey wieder zu Waſſer wor- den/ ſo muß es wohl ein beſſerer als Gaͤnſe- Wein geweſen ſeyn; unſer Waſſer aber in der Chriſt-Nacht wird wohl allezeit Gaͤnſe-Wein bleiben/ davon die albern aberglaͤubiſchen Gaͤnſe nicht leichtlich einen Rauſch bekommen werden. Das 56. Capitel. Weſſen Schatten auff den Weyh- nacht-Heil. Abend/ bey eingebrachtem Lich- te/ keinen Kopff hat/ der ſtirbt in ſel- bigem Jahre. DAs glaube ich. Und wer ohne Kopff zu Bette gehet/ der iſt des Teuffels. Aber wo giebts denn der gleichen Kruͤpel? Viel- leicht bey dem wuͤtenden Heer? Natuͤrlicher Weiſe ſind aller Menſchen Schatten zu allen Zeiten vollkommen/ und iſt das Vorgeben/ daß eines Menſchen Schatten am Weyhnacht hei- ligen Abend ohne Kopff erſcheinen ſolle/ eine of- fenbare Luͤge. Das iſt zwar wahr/ daß man mit zwey Lichten gar leichte machen kan/ daß eines Menſchen Schatten ohne Kopff erſcheinet/ aber das kan man alle Tage thun/ und darff nicht e- ben am Weyhnacht-Abend geſchehen. Und da es nun eine Sache iſt/ die ſich durchs gantze Jahr zutragen kan/ ſo darff ſich keiner die Sorge ma- chen/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/117
Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/117>, abgerufen am 29.03.2024.