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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.

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Untersuchung/ derer von super-klugen
Das 22. Capitel.

Es ist nicht gut/ wenn man eine ledi-
dige Wiege wieget.

PRobatum est, denn man thut nicht gern
was ohne Nutzen oder umsonst/ wenn man
aber eine ledige Wiege wieget/ so wieget man
umsonst. Aber was soll meine Ration? Die
klugen Weiber wissen besser/ wo der rechte
Schaden sitzt/ nehmlich: Wenn man eine ledi-
ge Wiege wigt/ so wiegt man dem Kinde die Ru-
he weg/ daß es hernach nicht in der Wiege schlaf-
fen kan. Seht da/ liegt der Hund da begraben!
darauff hätte sich wohl niemand besonnen; aber/
weil mir die sorgfältigen Weiber Gelegenheit
an die Hand geben/ dieser Sache etwas nach zu
dencken/ so will ich ihnen meine Gedancken vor
Augen stellen/ woraus sie sehen werden/ daß ihre
Einbildung nicht so viel auff sich habe/ als sie
wohl vermeynen; und laufft das gantze Werck
da hinaus/ nehmlich: Wenn die Wiege gewiegt
wird/ da das Kind darinnen lieget/ so pfleget es
gemeiniglich zu ruhen; wenn aber die ledige
Wiege gewiegt wird/ so ruhet das Kind nicht/
denn wenn es ruhet/ so liegt es in der Wiegen/
und ist also wahr/ daß das Kind nicht ruhet/ wenn
man die ledige Wiege wiegt/ und geschiehet ge-
meiniglich das Wiegen der ledigen Wiegen/ von

Kinde
Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen
Das 22. Capitel.

Es iſt nicht gut/ wenn man eine ledi-
dige Wiege wieget.

PRobatum eſt, denn man thut nicht gern
was ohne Nutzen oder umſonſt/ wenn man
aber eine ledige Wiege wieget/ ſo wieget man
umſonſt. Aber was ſoll meine Ration? Die
klugen Weiber wiſſen beſſer/ wo der rechte
Schaden ſitzt/ nehmlich: Wenn man eine ledi-
ge Wiege wigt/ ſo wiegt man dem Kinde die Ru-
he weg/ daß es hernach nicht in der Wiege ſchlaf-
fen kan. Seht da/ liegt der Hund da begraben!
darauff haͤtte ſich wohl niemand beſonnen; aber/
weil mir die ſorgfaͤltigen Weiber Gelegenheit
an die Hand geben/ dieſer Sache etwas nach zu
dencken/ ſo will ich ihnen meine Gedancken vor
Augen ſtellen/ woraus ſie ſehen werden/ daß ihre
Einbildung nicht ſo viel auff ſich habe/ als ſie
wohl vermeynen; und laufft das gantze Werck
da hinaus/ nehmlich: Wenn die Wiege gewiegt
wird/ da das Kind darinnen lieget/ ſo pfleget es
gemeiniglich zu ruhen; wenn aber die ledige
Wiege gewiegt wird/ ſo ruhet das Kind nicht/
denn wenn es ruhet/ ſo liegt es in der Wiegen/
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meiniglich das Wiegen der ledigen Wiegen/ von

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[40/0062] Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen Das 22. Capitel. Es iſt nicht gut/ wenn man eine ledi- dige Wiege wieget. PRobatum eſt, denn man thut nicht gern was ohne Nutzen oder umſonſt/ wenn man aber eine ledige Wiege wieget/ ſo wieget man umſonſt. Aber was ſoll meine Ration? Die klugen Weiber wiſſen beſſer/ wo der rechte Schaden ſitzt/ nehmlich: Wenn man eine ledi- ge Wiege wigt/ ſo wiegt man dem Kinde die Ru- he weg/ daß es hernach nicht in der Wiege ſchlaf- fen kan. Seht da/ liegt der Hund da begraben! darauff haͤtte ſich wohl niemand beſonnen; aber/ weil mir die ſorgfaͤltigen Weiber Gelegenheit an die Hand geben/ dieſer Sache etwas nach zu dencken/ ſo will ich ihnen meine Gedancken vor Augen ſtellen/ woraus ſie ſehen werden/ daß ihre Einbildung nicht ſo viel auff ſich habe/ als ſie wohl vermeynen; und laufft das gantze Werck da hinaus/ nehmlich: Wenn die Wiege gewiegt wird/ da das Kind darinnen lieget/ ſo pfleget es gemeiniglich zu ruhen; wenn aber die ledige Wiege gewiegt wird/ ſo ruhet das Kind nicht/ denn wenn es ruhet/ ſo liegt es in der Wiegen/ und iſt alſo wahr/ daß das Kind nicht ruhet/ wenn man die ledige Wiege wiegt/ und geſchiehet ge- meiniglich das Wiegen der ledigen Wiegen/ von Kinde

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/62>, abgerufen am 29.03.2024.