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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
Das 45. Capitel.

Ein neugebohren Kind soll man
nicht auff die lincke Seite zu erst legen/ es
wird und bleibet sonst sein Lebtage
linckisch.

ES sind unzehlich viel Leute/ welche lin-
chisch sind/ so viel ich aber derer kenne/ und
Nachricht von ihrer Aufferziebung habe/
so kan ich von denen meisten mit Warheit bezeu-
gen/ daß sie nicht linck worden wären/ wenn die
Unachtsamkeit derer/ die sie/ in der Minderjäb-
rigkeit/ um aller übel anstehenden Sitten willen/
hätten straffen/ und davon ab- hingegen zu allen
anständigen Sitten anmahnen sollen/ nicht Ur-
sach gewesen wären. Weil auch/ der Gewohn-
heit nach/ die meisten Kinder auff dem lincken
Arm derer Kinderwärterin getragen werden/
wodurch die Kinder den lincken Arm und Hand
mehr frey haben/ als die rechte/ so gewöhnen sie
sich demnach stracks mit der lincken Hand etwas
eber anzufassen/ als mit der rechten/ und wenn
ihnen solches nicht ernstlich untersaget wird/ blei-
ben sie hernach ihr Lebtage linckisch. Und dieses
ist die rechte eigentliche Ursach/ warum so sehr viel
Leute/ sonderlich unter dem Bauer-Volcke/ linck
werden. Das erste Niederlegen auff die rechte
oder lincke Seite aber ist nur ein alber Mährlein

und
T
Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
Das 45. Capitel.

Ein neugebohren Kind ſoll man
nicht auff die lincke Seite zu erſt legen/ es
wird und bleibet ſonſt ſein Lebtage
linckiſch.

ES ſind unzehlich viel Leute/ welche lin-
chiſch ſind/ ſo viel ich aber derer kenne/ und
Nachricht von ihrer Aufferziebung habe/
ſo kan ich von denen meiſten mit Warheit bezeu-
gen/ daß ſie nicht linck worden waͤren/ wenn die
Unachtſamkeit derer/ die ſie/ in der Minderjaͤb-
rigkeit/ um aller uͤbel anſtehenden Sitten willen/
haͤtten ſtraffen/ und davon ab- hingegen zu allen
anſtaͤndigen Sitten anmahnen ſollen/ nicht Ur-
ſach geweſen waͤren. Weil auch/ der Gewohn-
heit nach/ die meiſten Kinder auff dem lincken
Arm derer Kinderwaͤrterin getragen werden/
wodurch die Kinder den lincken Arm und Hand
mehr frey haben/ als die rechte/ ſo gewoͤhnen ſie
ſich demnach ſtracks mit der lincken Hand etwas
eber anzufaſſen/ als mit der rechten/ und wenn
ihnen ſolches nicht ernſtlich unterſaget wird/ blei-
ben ſie hernach ihr Lebtage linckiſch. Und dieſes
iſt die rechte eigentliche Urſach/ warum ſo ſehr viel
Leute/ ſonderlich unter dem Bauer-Volcke/ linck
werden. Das erſte Niederlegen auff die rechte
oder lincke Seite aber iſt nur ein alber Maͤhrlein

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[289/0113] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Das 45. Capitel. Ein neugebohren Kind ſoll man nicht auff die lincke Seite zu erſt legen/ es wird und bleibet ſonſt ſein Lebtage linckiſch. ES ſind unzehlich viel Leute/ welche lin- chiſch ſind/ ſo viel ich aber derer kenne/ und Nachricht von ihrer Aufferziebung habe/ ſo kan ich von denen meiſten mit Warheit bezeu- gen/ daß ſie nicht linck worden waͤren/ wenn die Unachtſamkeit derer/ die ſie/ in der Minderjaͤb- rigkeit/ um aller uͤbel anſtehenden Sitten willen/ haͤtten ſtraffen/ und davon ab- hingegen zu allen anſtaͤndigen Sitten anmahnen ſollen/ nicht Ur- ſach geweſen waͤren. Weil auch/ der Gewohn- heit nach/ die meiſten Kinder auff dem lincken Arm derer Kinderwaͤrterin getragen werden/ wodurch die Kinder den lincken Arm und Hand mehr frey haben/ als die rechte/ ſo gewoͤhnen ſie ſich demnach ſtracks mit der lincken Hand etwas eber anzufaſſen/ als mit der rechten/ und wenn ihnen ſolches nicht ernſtlich unterſaget wird/ blei- ben ſie hernach ihr Lebtage linckiſch. Und dieſes iſt die rechte eigentliche Urſach/ warum ſo ſehr viel Leute/ ſonderlich unter dem Bauer-Volcke/ linck werden. Das erſte Niederlegen auff die rechte oder lincke Seite aber iſt nur ein alber Maͤhrlein und T

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/113>, abgerufen am 18.04.2024.