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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

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Untersuchung derer von super-klugen
Das 85. Capitel.

Wenn einem Früh-morgens zu erst
eine reine Jungfrau oder ein Priester be-
gegnet/ so bedeutets Unglück; aber eine
Hure bedeutet Glück.

WEr zwey Augen hat/ und hat lesen und
schreiben gelernet/ der wird ohne Brille
sehen können/ welches Geistes Kinder die-
jenigen sind/ welche solche Thorheiten glauben.
Sie belieben das Huren-Glück/ das mögen sie
auch behalten/ samt derer Huren ihrer Ehre.
Wie wohl zwar manche Leute sich weder an Eh-
re noch Schande kehren/ wenn sie nur in dem ver-
meynten Glücke bleiben/ es gebe darneben so
schändlich zu/ als es wolle. Und gemahnen mich
solche Leute nicht anders/ als wie vor diesem eine
Weibs-Person in einer wohlbe kandten Han-
dels-Stadt/ welche reiche Eltern hatte/ und da
sich ein Doctor mit ihr in ein Ehe-Verbündniß
einließ/ hatte sie sich immittelst mit einem Studi-
oso
in der Veneris Fecht-Schule exerciret/ all-
wo sie solche Stösse bekommen hatte/ daß ihr der
Bauch davon geschwoll. Da dieses der Liebste
merckte/ ließ er von ihr ab/ und bedeutete die El-
tern/ daß er eine solche verderbte Jungfer nicht
haben möchte; sprach sie aber dargegen um die
jüngere Tochter an/ die er auch erhielt/ und bald

Hochzeit
Unterſuchung derer von ſuper-klugen
Das 85. Capitel.

Wenn einem Fruͤh-morgens zu erſt
eine reine Jungfrau oder ein Prieſter be-
gegnet/ ſo bedeutets Ungluͤck; aber eine
Hure bedeutet Gluͤck.

WEr zwey Augen hat/ und hat leſen und
ſchreiben gelernet/ der wird ohne Brille
ſehen koͤnnen/ welches Geiſtes Kinder die-
jenigen ſind/ welche ſolche Thorheiten glauben.
Sie belieben das Huren-Gluͤck/ das moͤgen ſie
auch behalten/ ſamt derer Huren ihrer Ehre.
Wie wohl zwar manche Leute ſich weder an Eh-
re noch Schande kehꝛen/ wenn ſie nur in dem veꝛ-
meynten Gluͤcke bleiben/ es gebe darneben ſo
ſchaͤndlich zu/ als es wolle. Und gemahnen mich
ſolche Leute nicht anders/ als wie vor dieſem eine
Weibs-Perſon in einer wohlbe kandten Han-
dels-Stadt/ welche reiche Eltern hatte/ und da
ſich ein Doctor mit ihr in ein Ehe-Verbuͤndniß
einließ/ hatte ſie ſich immittelſt mit einem Studi-
oſo
in der Veneris Fecht-Schule exerciret/ all-
wo ſie ſolche Stoͤſſe bekommen hatte/ daß ihr der
Bauch davon geſchwoll. Da dieſes der Liebſte
merckte/ ließ er von ihr ab/ und bedeutete die El-
tern/ daß er eine ſolche verderbte Jungfer nicht
haben moͤchte; ſprach ſie aber dargegen um die
juͤngere Tochter an/ die er auch erhielt/ und bald

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[388/0212] Unterſuchung derer von ſuper-klugen Das 85. Capitel. Wenn einem Fruͤh-morgens zu erſt eine reine Jungfrau oder ein Prieſter be- gegnet/ ſo bedeutets Ungluͤck; aber eine Hure bedeutet Gluͤck. WEr zwey Augen hat/ und hat leſen und ſchreiben gelernet/ der wird ohne Brille ſehen koͤnnen/ welches Geiſtes Kinder die- jenigen ſind/ welche ſolche Thorheiten glauben. Sie belieben das Huren-Gluͤck/ das moͤgen ſie auch behalten/ ſamt derer Huren ihrer Ehre. Wie wohl zwar manche Leute ſich weder an Eh- re noch Schande kehꝛen/ wenn ſie nur in dem veꝛ- meynten Gluͤcke bleiben/ es gebe darneben ſo ſchaͤndlich zu/ als es wolle. Und gemahnen mich ſolche Leute nicht anders/ als wie vor dieſem eine Weibs-Perſon in einer wohlbe kandten Han- dels-Stadt/ welche reiche Eltern hatte/ und da ſich ein Doctor mit ihr in ein Ehe-Verbuͤndniß einließ/ hatte ſie ſich immittelſt mit einem Studi- oſo in der Veneris Fecht-Schule exerciret/ all- wo ſie ſolche Stoͤſſe bekommen hatte/ daß ihr der Bauch davon geſchwoll. Da dieſes der Liebſte merckte/ ließ er von ihr ab/ und bedeutete die El- tern/ daß er eine ſolche verderbte Jungfer nicht haben moͤchte; ſprach ſie aber dargegen um die juͤngere Tochter an/ die er auch erhielt/ und bald Hochzeit

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/212>, abgerufen am 29.03.2024.