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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
Das 38. Capitel.

Wenn ein Weib oder Magd des
Sonnabends ihren Rocken nicht abspinnet/
so wird aus dem übrigen Flachs oder Werck
kein gut Garn/ und bleicht sich auch
nimmermehr weiß.

ICh habe nicht gewust/ wie es doch komme/
daß in mancher Leinwad solche graue
Streiffe sind; aber hier werde ich davon
benachrichtiget/ daß es garn von solchem Flachs/
der des Sonntags über auff dem Rocken geblie-
ben ist. Dieses soll sich nimmermehr weiß blei-
then/ auch sonst an sich selbst wenig taugen. Nun
wundert mich aber gleichwohl auch/ wie es doch
die Weiber können über ihr Hertz bringen/ und
wieder sich selbst reden. Denn wenn iemand
ihnen Leinwad abkaufft/ darinnen graue Streif-
fe und Fäden sind/ so sprechen sie: Die streiffig-
te Leinwad sey die beste. Dieses aber reimet
sich mit jenem gar nicht/ denn schlimm Garn kan
keine gute Leinwad machen. Daher achte ich
dafür/ es sey die Sache folgender massen beschaf-
fen: Wenn eine gute Wirthin Mägde und
grosse Töchter hat/ so siehet sie nicht allein gern/
daß des Sonnabends fein auffgeräumet/ und die
häußliche Arbeit vollbracht werde; sondern sie
will auch gern/ daß der auff denen Spinn-Rä-

dern
S
Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
Das 38. Capitel.

Wenn ein Weib oder Magd des
Sonnabends ihren Rocken nicht abſpinnet/
ſo wird aus dem uͤbrigen Flachs oder Werck
kein gut Garn/ und bleicht ſich auch
nimmermehr weiß.

ICh habe nicht gewuſt/ wie es doch komme/
daß in mancher Leinwad ſolche graue
Streiffe ſind; aber hier werde ich davon
benachrichtiget/ daß es garn von ſolchem Flachs/
der des Sonntags uͤber auff dem Rocken geblie-
ben iſt. Dieſes ſoll ſich nimmermehr weiß blei-
then/ auch ſonſt an ſich ſelbſt wenig taugen. Nun
wundert mich aber gleichwohl auch/ wie es doch
die Weiber koͤnnen uͤber ihr Hertz bringen/ und
wieder ſich ſelbſt reden. Denn wenn iemand
ihnen Leinwad abkaufft/ darinnen graue Streif-
fe und Faͤden ſind/ ſo ſprechen ſie: Die ſtreiffig-
te Leinwad ſey die beſte. Dieſes aber reimet
ſich mit jenem gar nicht/ denn ſchlimm Garn kan
keine gute Leinwad machen. Daher achte ich
dafuͤr/ es ſey die Sache folgender maſſen beſchaf-
fen: Wenn eine gute Wirthin Maͤgde und
groſſe Toͤchter hat/ ſo ſiehet ſie nicht allein gern/
daß des Sonnabends fein auffgeraͤumet/ und die
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will auch gern/ daß der auff denen Spinn-Raͤ-

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[273/0097] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Das 38. Capitel. Wenn ein Weib oder Magd des Sonnabends ihren Rocken nicht abſpinnet/ ſo wird aus dem uͤbrigen Flachs oder Werck kein gut Garn/ und bleicht ſich auch nimmermehr weiß. ICh habe nicht gewuſt/ wie es doch komme/ daß in mancher Leinwad ſolche graue Streiffe ſind; aber hier werde ich davon benachrichtiget/ daß es garn von ſolchem Flachs/ der des Sonntags uͤber auff dem Rocken geblie- ben iſt. Dieſes ſoll ſich nimmermehr weiß blei- then/ auch ſonſt an ſich ſelbſt wenig taugen. Nun wundert mich aber gleichwohl auch/ wie es doch die Weiber koͤnnen uͤber ihr Hertz bringen/ und wieder ſich ſelbſt reden. Denn wenn iemand ihnen Leinwad abkaufft/ darinnen graue Streif- fe und Faͤden ſind/ ſo ſprechen ſie: Die ſtreiffig- te Leinwad ſey die beſte. Dieſes aber reimet ſich mit jenem gar nicht/ denn ſchlimm Garn kan keine gute Leinwad machen. Daher achte ich dafuͤr/ es ſey die Sache folgender maſſen beſchaf- fen: Wenn eine gute Wirthin Maͤgde und groſſe Toͤchter hat/ ſo ſiehet ſie nicht allein gern/ daß des Sonnabends fein auffgeraͤumet/ und die haͤußliche Arbeit vollbracht werde; ſondern ſie will auch gern/ daß der auff denen Spinn-Raͤ- dern S

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/97>, abgerufen am 28.03.2024.