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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Die wirtschaftliche Rolle des Wassers. Die Pflanzenwelt.
die anderen überholen und beherrschen müssen, wie die Überlegenheit der begünstigten
Orte und Menschen diesen wirtschaftliche Vorteile verschaffe, die nicht bloß zu ihrer
eigenen besseren Versorgung, sondern wesentlich auch dazu führen, daß sie ihre seltenen
Güter und Vorteile den an ungünstigeren Orten sitzenden vorenthalten oder zu über-
großem Gewinn und Herrschaft über sie ausnützen können.

56. Die Pflanzen- und Tierwelt in ihrer Verteilung. Bis auf
einen gewissen Grad, aber doch viel schwächer, tritt uns ein solcher Eindruck entgegen,
wenn wir die Pflanzen- und Tierwelt betrachten, weil ihre Verteilung eine im ganzen
gleichmäßigere ist. Die Flora und Fauna ist weniger ein Resultat örtlicher Boden-
verschiedenheiten als ein Ergebnis der großen klimatischen und Erhebungsverhältnisse
der Kontinente und Länder.

Die allgemeine volkswirtschaftliche Bedeutung der Pflanzen- und Tierwelt ist
selbstverständlich eine außerordentlich große. Die menschliche Ernährung, Bekleidung
und Erwärmung hängt von ihnen ab; der größere Teil aller wirtschaftlichen Thätigkeit
ist der Bemeisterung der Tier- und Pflanzenwelt, der Unterordnung derselben unter die
menschlichen Zwecke gewidmet. Die Menschen hängen von der Art und Zahl der vor-
kommenden Pflanzen und Tiere überall ab. Durch das dem Menschen verwandte orga-
nische Pflanzenleben ist er mit der Erde verbunden, ist sein Leben erleichtert und allein
möglich. Die Pflanzenvegetation führt die ganze Erdoberfläche gleichsam in seinen
Dienst. Der Reichtum der Länder an Pflanzen und Tieren ist ein erhebliches Stück des
natürlichen Wohlstandes der Gesellschaften.

Wir können hier auf die historische Entstehung der Pflanzen- und Tierarten, ihre
ursprüngliche und spätere Verbreitung im Zusammenhange mit der geologischen Ent-
wickelung der Erde, der Veränderung der Klimate und Kontinente nicht eingehen.
Wir stellen nur fest, daß die heutige Verbreitung der Pflanzen und Tiere eine ganz
andere ist als früher. In Mitteleuropa könnte mit der ursprünglichen Ausstattung nur
ein sehr kleiner Teil der heutigen Bevölkerung leben. Die heutige Verteilung der
Pflanzen und Tiere ist ein Ergebnis der Geschichte. "Die Natur," sagt Hehn, "gab
Polhöhe, Formation des Bodens, geographische Lage, das übrige ist ein Werk der
bauenden, säenden, einführenden, ausrottenden, ordnenden, veredelnden Kultur." Ja,
die Haustiere und die Kulturpflanzen selbst sind uns eben deshalb so unendlich nützlich,
weil sie unter der Hand des Menschen etwas wesentlich anderes wurden, als sie im
wilden Zustande waren. Aber deswegen bleiben große Epochen der wirtschaftlichen
Entwickelung und bis auf einen gewissen Grad auch die Gegenwart doch in Zusammen-
hang mit der ältesten uns bekannten Ausstattung; und alle frühere wie die gegen-
wärtige Flora und Fauna sind durch Klima und Boden in feste Grenzen gewiesen.
Innerhalb dieser Grenzen liegen die verschiedenen Arten der Ernährungsmöglichkeit, der
Lebensweise, der Wirtschaftsführung, wie sie durch die bestimmten Tier- und Pflanzen-
arten gegeben sind. Nur einige Beispiele.

Die Wirtschaft der heutigen Polarmenschen hängt zum Teil von der Milch, dem
Fleisch, den Häuten, den Geweihen und Knochen des Renntiers, in weiterer Linie also
von der Nahrung der Renntierherde, den Flechten, Moosen und anderen Gliedern der
nordischen Heideflora ab. Daneben aber könnten diese Hyperboreer ohne die Robben
und Fische, ohne die unerschöpfliche Fauna des Meeres und der Küste nicht leben.

Gehen wir weiter nach dem Süden, so ist alle menschliche Wirtschaft zunächst
davon abhängig, ob die Erdoberfläche mit Wald oder nur mit niederen Pflanzen
oder gar nicht mit solchen bedeckt ist. Die ursprüngliche und natürliche Verbreitung
des Waldes hängt vom Boden, vom Klima und den Niederschlägen ab. Die südlichen
Länder waren nie so waldreich wie unsere mitteleuropäischen, ursprünglich fast ganz
mit Wald und Sumpf bedeckten Gebiete. Der Kampf mit dem Walde hat ganze Epochen
der menschlichen Wirtschaftsgeschichte beherrscht: mit den reißenden Tieren des Waldes
hat der Mensch gekämpft; viele der anderen Tiere haben ihn zur Jagd erzogen. Das
wirtschaftliche Leben der Menschen in den eigentlichen Waldgegenden ist heute noch ein
bestimmt geartetes; nur eine mäßige Bevölkerung kann von den Holz- und Waldgewerben

Die wirtſchaftliche Rolle des Waſſers. Die Pflanzenwelt.
die anderen überholen und beherrſchen müſſen, wie die Überlegenheit der begünſtigten
Orte und Menſchen dieſen wirtſchaftliche Vorteile verſchaffe, die nicht bloß zu ihrer
eigenen beſſeren Verſorgung, ſondern weſentlich auch dazu führen, daß ſie ihre ſeltenen
Güter und Vorteile den an ungünſtigeren Orten ſitzenden vorenthalten oder zu über-
großem Gewinn und Herrſchaft über ſie ausnützen können.

56. Die Pflanzen- und Tierwelt in ihrer Verteilung. Bis auf
einen gewiſſen Grad, aber doch viel ſchwächer, tritt uns ein ſolcher Eindruck entgegen,
wenn wir die Pflanzen- und Tierwelt betrachten, weil ihre Verteilung eine im ganzen
gleichmäßigere iſt. Die Flora und Fauna iſt weniger ein Reſultat örtlicher Boden-
verſchiedenheiten als ein Ergebnis der großen klimatiſchen und Erhebungsverhältniſſe
der Kontinente und Länder.

Die allgemeine volkswirtſchaftliche Bedeutung der Pflanzen- und Tierwelt iſt
ſelbſtverſtändlich eine außerordentlich große. Die menſchliche Ernährung, Bekleidung
und Erwärmung hängt von ihnen ab; der größere Teil aller wirtſchaftlichen Thätigkeit
iſt der Bemeiſterung der Tier- und Pflanzenwelt, der Unterordnung derſelben unter die
menſchlichen Zwecke gewidmet. Die Menſchen hängen von der Art und Zahl der vor-
kommenden Pflanzen und Tiere überall ab. Durch das dem Menſchen verwandte orga-
niſche Pflanzenleben iſt er mit der Erde verbunden, iſt ſein Leben erleichtert und allein
möglich. Die Pflanzenvegetation führt die ganze Erdoberfläche gleichſam in ſeinen
Dienſt. Der Reichtum der Länder an Pflanzen und Tieren iſt ein erhebliches Stück des
natürlichen Wohlſtandes der Geſellſchaften.

Wir können hier auf die hiſtoriſche Entſtehung der Pflanzen- und Tierarten, ihre
urſprüngliche und ſpätere Verbreitung im Zuſammenhange mit der geologiſchen Ent-
wickelung der Erde, der Veränderung der Klimate und Kontinente nicht eingehen.
Wir ſtellen nur feſt, daß die heutige Verbreitung der Pflanzen und Tiere eine ganz
andere iſt als früher. In Mitteleuropa könnte mit der urſprünglichen Ausſtattung nur
ein ſehr kleiner Teil der heutigen Bevölkerung leben. Die heutige Verteilung der
Pflanzen und Tiere iſt ein Ergebnis der Geſchichte. „Die Natur,“ ſagt Hehn, „gab
Polhöhe, Formation des Bodens, geographiſche Lage, das übrige iſt ein Werk der
bauenden, ſäenden, einführenden, ausrottenden, ordnenden, veredelnden Kultur.“ Ja,
die Haustiere und die Kulturpflanzen ſelbſt ſind uns eben deshalb ſo unendlich nützlich,
weil ſie unter der Hand des Menſchen etwas weſentlich anderes wurden, als ſie im
wilden Zuſtande waren. Aber deswegen bleiben große Epochen der wirtſchaftlichen
Entwickelung und bis auf einen gewiſſen Grad auch die Gegenwart doch in Zuſammen-
hang mit der älteſten uns bekannten Ausſtattung; und alle frühere wie die gegen-
wärtige Flora und Fauna ſind durch Klima und Boden in feſte Grenzen gewieſen.
Innerhalb dieſer Grenzen liegen die verſchiedenen Arten der Ernährungsmöglichkeit, der
Lebensweiſe, der Wirtſchaftsführung, wie ſie durch die beſtimmten Tier- und Pflanzen-
arten gegeben ſind. Nur einige Beiſpiele.

Die Wirtſchaft der heutigen Polarmenſchen hängt zum Teil von der Milch, dem
Fleiſch, den Häuten, den Geweihen und Knochen des Renntiers, in weiterer Linie alſo
von der Nahrung der Renntierherde, den Flechten, Mooſen und anderen Gliedern der
nordiſchen Heideflora ab. Daneben aber könnten dieſe Hyperboreer ohne die Robben
und Fiſche, ohne die unerſchöpfliche Fauna des Meeres und der Küſte nicht leben.

Gehen wir weiter nach dem Süden, ſo iſt alle menſchliche Wirtſchaft zunächſt
davon abhängig, ob die Erdoberfläche mit Wald oder nur mit niederen Pflanzen
oder gar nicht mit ſolchen bedeckt iſt. Die urſprüngliche und natürliche Verbreitung
des Waldes hängt vom Boden, vom Klima und den Niederſchlägen ab. Die ſüdlichen
Länder waren nie ſo waldreich wie unſere mitteleuropäiſchen, urſprünglich faſt ganz
mit Wald und Sumpf bedeckten Gebiete. Der Kampf mit dem Walde hat ganze Epochen
der menſchlichen Wirtſchaftsgeſchichte beherrſcht: mit den reißenden Tieren des Waldes
hat der Menſch gekämpft; viele der anderen Tiere haben ihn zur Jagd erzogen. Das
wirtſchaftliche Leben der Menſchen in den eigentlichen Waldgegenden iſt heute noch ein
beſtimmt geartetes; nur eine mäßige Bevölkerung kann von den Holz- und Waldgewerben

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[135/0151] Die wirtſchaftliche Rolle des Waſſers. Die Pflanzenwelt. die anderen überholen und beherrſchen müſſen, wie die Überlegenheit der begünſtigten Orte und Menſchen dieſen wirtſchaftliche Vorteile verſchaffe, die nicht bloß zu ihrer eigenen beſſeren Verſorgung, ſondern weſentlich auch dazu führen, daß ſie ihre ſeltenen Güter und Vorteile den an ungünſtigeren Orten ſitzenden vorenthalten oder zu über- großem Gewinn und Herrſchaft über ſie ausnützen können. 56. Die Pflanzen- und Tierwelt in ihrer Verteilung. Bis auf einen gewiſſen Grad, aber doch viel ſchwächer, tritt uns ein ſolcher Eindruck entgegen, wenn wir die Pflanzen- und Tierwelt betrachten, weil ihre Verteilung eine im ganzen gleichmäßigere iſt. Die Flora und Fauna iſt weniger ein Reſultat örtlicher Boden- verſchiedenheiten als ein Ergebnis der großen klimatiſchen und Erhebungsverhältniſſe der Kontinente und Länder. Die allgemeine volkswirtſchaftliche Bedeutung der Pflanzen- und Tierwelt iſt ſelbſtverſtändlich eine außerordentlich große. Die menſchliche Ernährung, Bekleidung und Erwärmung hängt von ihnen ab; der größere Teil aller wirtſchaftlichen Thätigkeit iſt der Bemeiſterung der Tier- und Pflanzenwelt, der Unterordnung derſelben unter die menſchlichen Zwecke gewidmet. Die Menſchen hängen von der Art und Zahl der vor- kommenden Pflanzen und Tiere überall ab. Durch das dem Menſchen verwandte orga- niſche Pflanzenleben iſt er mit der Erde verbunden, iſt ſein Leben erleichtert und allein möglich. Die Pflanzenvegetation führt die ganze Erdoberfläche gleichſam in ſeinen Dienſt. Der Reichtum der Länder an Pflanzen und Tieren iſt ein erhebliches Stück des natürlichen Wohlſtandes der Geſellſchaften. Wir können hier auf die hiſtoriſche Entſtehung der Pflanzen- und Tierarten, ihre urſprüngliche und ſpätere Verbreitung im Zuſammenhange mit der geologiſchen Ent- wickelung der Erde, der Veränderung der Klimate und Kontinente nicht eingehen. Wir ſtellen nur feſt, daß die heutige Verbreitung der Pflanzen und Tiere eine ganz andere iſt als früher. In Mitteleuropa könnte mit der urſprünglichen Ausſtattung nur ein ſehr kleiner Teil der heutigen Bevölkerung leben. Die heutige Verteilung der Pflanzen und Tiere iſt ein Ergebnis der Geſchichte. „Die Natur,“ ſagt Hehn, „gab Polhöhe, Formation des Bodens, geographiſche Lage, das übrige iſt ein Werk der bauenden, ſäenden, einführenden, ausrottenden, ordnenden, veredelnden Kultur.“ Ja, die Haustiere und die Kulturpflanzen ſelbſt ſind uns eben deshalb ſo unendlich nützlich, weil ſie unter der Hand des Menſchen etwas weſentlich anderes wurden, als ſie im wilden Zuſtande waren. Aber deswegen bleiben große Epochen der wirtſchaftlichen Entwickelung und bis auf einen gewiſſen Grad auch die Gegenwart doch in Zuſammen- hang mit der älteſten uns bekannten Ausſtattung; und alle frühere wie die gegen- wärtige Flora und Fauna ſind durch Klima und Boden in feſte Grenzen gewieſen. Innerhalb dieſer Grenzen liegen die verſchiedenen Arten der Ernährungsmöglichkeit, der Lebensweiſe, der Wirtſchaftsführung, wie ſie durch die beſtimmten Tier- und Pflanzen- arten gegeben ſind. Nur einige Beiſpiele. Die Wirtſchaft der heutigen Polarmenſchen hängt zum Teil von der Milch, dem Fleiſch, den Häuten, den Geweihen und Knochen des Renntiers, in weiterer Linie alſo von der Nahrung der Renntierherde, den Flechten, Mooſen und anderen Gliedern der nordiſchen Heideflora ab. Daneben aber könnten dieſe Hyperboreer ohne die Robben und Fiſche, ohne die unerſchöpfliche Fauna des Meeres und der Küſte nicht leben. Gehen wir weiter nach dem Süden, ſo iſt alle menſchliche Wirtſchaft zunächſt davon abhängig, ob die Erdoberfläche mit Wald oder nur mit niederen Pflanzen oder gar nicht mit ſolchen bedeckt iſt. Die urſprüngliche und natürliche Verbreitung des Waldes hängt vom Boden, vom Klima und den Niederſchlägen ab. Die ſüdlichen Länder waren nie ſo waldreich wie unſere mitteleuropäiſchen, urſprünglich faſt ganz mit Wald und Sumpf bedeckten Gebiete. Der Kampf mit dem Walde hat ganze Epochen der menſchlichen Wirtſchaftsgeſchichte beherrſcht: mit den reißenden Tieren des Waldes hat der Menſch gekämpft; viele der anderen Tiere haben ihn zur Jagd erzogen. Das wirtſchaftliche Leben der Menſchen in den eigentlichen Waldgegenden iſt heute noch ein beſtimmt geartetes; nur eine mäßige Bevölkerung kann von den Holz- und Waldgewerben

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/151>, abgerufen am 29.03.2024.