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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Die Entstehung der Staatsgewalt und der staatlichen Finanzen.
Unternehmungen. Aber die Regierung vertritt zugleich die wirtschaftlichen Gesamt-
interessen nach außen und innen, schafft die für alle nötigen wirtschaftlichen Einrichtungen
und Anstalten und organisiert für die wichtigsten gemeinsamen Zwecke die einzelnen
und die in ihr enthaltenen Gruppen; sie fordert und erhebt für die Zwecke der Gemein-
schaft wirtschaftliche Mittel; sie stützt, hebt und fördert die notleidenden Gebietsteile,
Klassen und Individuen, sie bringt die widerstrebenden wirtschaftlichen Sonderinteressen
zur Versöhnung; sie erwirbt als juristische Person und Korporation ein besonderes Ge-
meinde- oder Staatsvermögen, schafft eine Centralkasse und Behörden, die Vermögen
und Kasse verwalten; sie nimmt neben den freiwilligen und Zwangsdiensten der Bürger
nach und nach bezahlte, berufsmäßig geschulte Diener, Beamte, Soldaten in ihren Dienst.
Sie bildet so auf Grund einer langen verwaltungsrechtlichen Entwickelung das besondere
Recht der Finanzgewalt und Finanzhoheit aus, nennt sich in dieser Eigenschaft "Fiskus"
und tritt als solcher in den Mittelpunkt aller volkswirtschaftlichen Veranstaltungen: die
staatliche Finanzwirtschaft wird die großartigste Sonderwirtschaft innerhalb der Volks-
wirtschaft, sie tritt allen anderen Privat- und Familienwirtschaften, Unternehmungen
und Korporationswirtschaften an bestimmten Stellen als gebietende und verbietende
Macht, Steuern und Dienste fordernd, Vorrechte ausübend, wie an anderer Stelle als
gleichgeordnete, tauschende und mit ihnen verkehrende Anstalt gegenüber. Sie beeinflußt
durch ihren Druck, durch die förderliche oder hinderliche Wirkung, die sie ausüben kann,
alle anderen Wirtschaften. Sie beherrscht, eng verbunden mit der ganzen Wirtschafts-
politik des Staates, durch ihre centralen Einrichtungen, durch die Steuern und Zölle,
durch ihr Kreditwesen, durch ihre Ordnung des Geld- und Verkehrswesens die ganze
Volkswirtschaft mehr oder weniger. Ihre gute oder schlechte Ordnung ist einer der
wesentlichsten Faktoren jeder Volkswirtschaft (vergl. oben S. 4--6, S. 61--64, S. 85 ff.).

Die Finanzwirtschaft der Gemeinde und des Staates stellt eine Arbeitsorganisation
und eine Vermögens-, Steuer-, Geld- und Kreditverwaltung dar, welche Einnahmen an
verschiedener Stelle zu erheben, Ausgaben für verschiedene Zwecke überall im Lande zu
machen, die Mittel für centrale und peripherische Funktionen zu verwenden hat, welche
Dutzende, bald auch Hunderte und Tausende von Personen beschäftigen muß. Diese
wirtschaften mit anvertrautem Gute, sie sollen für Fürst, Gemeinde, Staat redlich und
pflichttreu thätig sein; ihre Thätigkeit soll von einer Stelle aus gelenkt, in Überein-
stimmung gebracht, kontrolliert werden. Das Problem ist ein unendlich viel schwierigeres
als das, welches die Familie oder die gewöhnliche Unternehmung zu lösen hat. Es
setzt ein unendlich viel höheres geistiges und moralisches Niveau der Menschen und
einen technisch geschulten konventionellen Apparat voraus, den auch nur leidlich herzu-
stellen bisher nur großen Organisatoren auf der Höhe der politisch-socialen Entwickelung
der Kulturvölker nach einer Vorarbeit von Jahrhunderten und Jahrtausenden ge-
lungen ist. --

Die in volkswirtschaftlichen Erörterungen der Smith'schen Schule meist vorherrschende
Anschauung, als ob eine gut eingerichtete Staatsverwaltung mit geordneten Finanzen in
der Regel vorhanden sei, sich von Natur selbst einstelle, hat zu vielen Irrtümern und
falschen Schlüssen Anlaß gegeben.

102. Die Größe und die finanzielle Kraft der Gebietskörper-
schaften
. Wenn alle Gebietskörperschaften zu einem einheitlichen und organisierten
wirtschaftlichen Leben kommen, und wenn bei höherer Kultur der sichtbare Ausdruck
desselben die selbständige Finanzwirtschaft des betreffenden Körpers ist, so handelt es
sich nun, wenn wir die verschiedenen Formen derselben näher kennen lernen wollen,
darum, uns zuerst eine Vorstellung von den betreffenden Größenverhältnissen zu machen.
Wie groß ist das Gebiet, wie viel Menschen nehmen an der Körperschaft teil, wie groß
sind die jährlich zu verwendenden Geldmittel in dem gemeinsamen öffentlichen Haushalt?
Nur das letztere können wir leider fragen; denn die Kraft der sonstigen gesamtwirtschaft-
lichen Organisation, z. B. in der Form einer Naturaldienstverfassung, entzieht sich jeder
zahlenmäßigen Erfassung. Auch die Zahlen über die jährlichen Einnahmen einer Ge-
meinde oder eines Staates sind natürlich nur ein ganz roher Ausdruck für die Aus-

Die Entſtehung der Staatsgewalt und der ſtaatlichen Finanzen.
Unternehmungen. Aber die Regierung vertritt zugleich die wirtſchaftlichen Geſamt-
intereſſen nach außen und innen, ſchafft die für alle nötigen wirtſchaftlichen Einrichtungen
und Anſtalten und organiſiert für die wichtigſten gemeinſamen Zwecke die einzelnen
und die in ihr enthaltenen Gruppen; ſie fordert und erhebt für die Zwecke der Gemein-
ſchaft wirtſchaftliche Mittel; ſie ſtützt, hebt und fördert die notleidenden Gebietsteile,
Klaſſen und Individuen, ſie bringt die widerſtrebenden wirtſchaftlichen Sonderintereſſen
zur Verſöhnung; ſie erwirbt als juriſtiſche Perſon und Korporation ein beſonderes Ge-
meinde- oder Staatsvermögen, ſchafft eine Centralkaſſe und Behörden, die Vermögen
und Kaſſe verwalten; ſie nimmt neben den freiwilligen und Zwangsdienſten der Bürger
nach und nach bezahlte, berufsmäßig geſchulte Diener, Beamte, Soldaten in ihren Dienſt.
Sie bildet ſo auf Grund einer langen verwaltungsrechtlichen Entwickelung das beſondere
Recht der Finanzgewalt und Finanzhoheit aus, nennt ſich in dieſer Eigenſchaft „Fiskus“
und tritt als ſolcher in den Mittelpunkt aller volkswirtſchaftlichen Veranſtaltungen: die
ſtaatliche Finanzwirtſchaft wird die großartigſte Sonderwirtſchaft innerhalb der Volks-
wirtſchaft, ſie tritt allen anderen Privat- und Familienwirtſchaften, Unternehmungen
und Korporationswirtſchaften an beſtimmten Stellen als gebietende und verbietende
Macht, Steuern und Dienſte fordernd, Vorrechte ausübend, wie an anderer Stelle als
gleichgeordnete, tauſchende und mit ihnen verkehrende Anſtalt gegenüber. Sie beeinflußt
durch ihren Druck, durch die förderliche oder hinderliche Wirkung, die ſie ausüben kann,
alle anderen Wirtſchaften. Sie beherrſcht, eng verbunden mit der ganzen Wirtſchafts-
politik des Staates, durch ihre centralen Einrichtungen, durch die Steuern und Zölle,
durch ihr Kreditweſen, durch ihre Ordnung des Geld- und Verkehrsweſens die ganze
Volkswirtſchaft mehr oder weniger. Ihre gute oder ſchlechte Ordnung iſt einer der
weſentlichſten Faktoren jeder Volkswirtſchaft (vergl. oben S. 4—6, S. 61—64, S. 85 ff.).

Die Finanzwirtſchaft der Gemeinde und des Staates ſtellt eine Arbeitsorganiſation
und eine Vermögens-, Steuer-, Geld- und Kreditverwaltung dar, welche Einnahmen an
verſchiedener Stelle zu erheben, Ausgaben für verſchiedene Zwecke überall im Lande zu
machen, die Mittel für centrale und peripheriſche Funktionen zu verwenden hat, welche
Dutzende, bald auch Hunderte und Tauſende von Perſonen beſchäftigen muß. Dieſe
wirtſchaften mit anvertrautem Gute, ſie ſollen für Fürſt, Gemeinde, Staat redlich und
pflichttreu thätig ſein; ihre Thätigkeit ſoll von einer Stelle aus gelenkt, in Überein-
ſtimmung gebracht, kontrolliert werden. Das Problem iſt ein unendlich viel ſchwierigeres
als das, welches die Familie oder die gewöhnliche Unternehmung zu löſen hat. Es
ſetzt ein unendlich viel höheres geiſtiges und moraliſches Niveau der Menſchen und
einen techniſch geſchulten konventionellen Apparat voraus, den auch nur leidlich herzu-
ſtellen bisher nur großen Organiſatoren auf der Höhe der politiſch-ſocialen Entwickelung
der Kulturvölker nach einer Vorarbeit von Jahrhunderten und Jahrtauſenden ge-
lungen iſt. —

Die in volkswirtſchaftlichen Erörterungen der Smith’ſchen Schule meiſt vorherrſchende
Anſchauung, als ob eine gut eingerichtete Staatsverwaltung mit geordneten Finanzen in
der Regel vorhanden ſei, ſich von Natur ſelbſt einſtelle, hat zu vielen Irrtümern und
falſchen Schlüſſen Anlaß gegeben.

102. Die Größe und die finanzielle Kraft der Gebietskörper-
ſchaften
. Wenn alle Gebietskörperſchaften zu einem einheitlichen und organiſierten
wirtſchaftlichen Leben kommen, und wenn bei höherer Kultur der ſichtbare Ausdruck
desſelben die ſelbſtändige Finanzwirtſchaft des betreffenden Körpers iſt, ſo handelt es
ſich nun, wenn wir die verſchiedenen Formen derſelben näher kennen lernen wollen,
darum, uns zuerſt eine Vorſtellung von den betreffenden Größenverhältniſſen zu machen.
Wie groß iſt das Gebiet, wie viel Menſchen nehmen an der Körperſchaft teil, wie groß
ſind die jährlich zu verwendenden Geldmittel in dem gemeinſamen öffentlichen Haushalt?
Nur das letztere können wir leider fragen; denn die Kraft der ſonſtigen geſamtwirtſchaft-
lichen Organiſation, z. B. in der Form einer Naturaldienſtverfaſſung, entzieht ſich jeder
zahlenmäßigen Erfaſſung. Auch die Zahlen über die jährlichen Einnahmen einer Ge-
meinde oder eines Staates ſind natürlich nur ein ganz roher Ausdruck für die Aus-

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[281/0297] Die Entſtehung der Staatsgewalt und der ſtaatlichen Finanzen. Unternehmungen. Aber die Regierung vertritt zugleich die wirtſchaftlichen Geſamt- intereſſen nach außen und innen, ſchafft die für alle nötigen wirtſchaftlichen Einrichtungen und Anſtalten und organiſiert für die wichtigſten gemeinſamen Zwecke die einzelnen und die in ihr enthaltenen Gruppen; ſie fordert und erhebt für die Zwecke der Gemein- ſchaft wirtſchaftliche Mittel; ſie ſtützt, hebt und fördert die notleidenden Gebietsteile, Klaſſen und Individuen, ſie bringt die widerſtrebenden wirtſchaftlichen Sonderintereſſen zur Verſöhnung; ſie erwirbt als juriſtiſche Perſon und Korporation ein beſonderes Ge- meinde- oder Staatsvermögen, ſchafft eine Centralkaſſe und Behörden, die Vermögen und Kaſſe verwalten; ſie nimmt neben den freiwilligen und Zwangsdienſten der Bürger nach und nach bezahlte, berufsmäßig geſchulte Diener, Beamte, Soldaten in ihren Dienſt. Sie bildet ſo auf Grund einer langen verwaltungsrechtlichen Entwickelung das beſondere Recht der Finanzgewalt und Finanzhoheit aus, nennt ſich in dieſer Eigenſchaft „Fiskus“ und tritt als ſolcher in den Mittelpunkt aller volkswirtſchaftlichen Veranſtaltungen: die ſtaatliche Finanzwirtſchaft wird die großartigſte Sonderwirtſchaft innerhalb der Volks- wirtſchaft, ſie tritt allen anderen Privat- und Familienwirtſchaften, Unternehmungen und Korporationswirtſchaften an beſtimmten Stellen als gebietende und verbietende Macht, Steuern und Dienſte fordernd, Vorrechte ausübend, wie an anderer Stelle als gleichgeordnete, tauſchende und mit ihnen verkehrende Anſtalt gegenüber. Sie beeinflußt durch ihren Druck, durch die förderliche oder hinderliche Wirkung, die ſie ausüben kann, alle anderen Wirtſchaften. Sie beherrſcht, eng verbunden mit der ganzen Wirtſchafts- politik des Staates, durch ihre centralen Einrichtungen, durch die Steuern und Zölle, durch ihr Kreditweſen, durch ihre Ordnung des Geld- und Verkehrsweſens die ganze Volkswirtſchaft mehr oder weniger. Ihre gute oder ſchlechte Ordnung iſt einer der weſentlichſten Faktoren jeder Volkswirtſchaft (vergl. oben S. 4—6, S. 61—64, S. 85 ff.). Die Finanzwirtſchaft der Gemeinde und des Staates ſtellt eine Arbeitsorganiſation und eine Vermögens-, Steuer-, Geld- und Kreditverwaltung dar, welche Einnahmen an verſchiedener Stelle zu erheben, Ausgaben für verſchiedene Zwecke überall im Lande zu machen, die Mittel für centrale und peripheriſche Funktionen zu verwenden hat, welche Dutzende, bald auch Hunderte und Tauſende von Perſonen beſchäftigen muß. Dieſe wirtſchaften mit anvertrautem Gute, ſie ſollen für Fürſt, Gemeinde, Staat redlich und pflichttreu thätig ſein; ihre Thätigkeit ſoll von einer Stelle aus gelenkt, in Überein- ſtimmung gebracht, kontrolliert werden. Das Problem iſt ein unendlich viel ſchwierigeres als das, welches die Familie oder die gewöhnliche Unternehmung zu löſen hat. Es ſetzt ein unendlich viel höheres geiſtiges und moraliſches Niveau der Menſchen und einen techniſch geſchulten konventionellen Apparat voraus, den auch nur leidlich herzu- ſtellen bisher nur großen Organiſatoren auf der Höhe der politiſch-ſocialen Entwickelung der Kulturvölker nach einer Vorarbeit von Jahrhunderten und Jahrtauſenden ge- lungen iſt. — Die in volkswirtſchaftlichen Erörterungen der Smith’ſchen Schule meiſt vorherrſchende Anſchauung, als ob eine gut eingerichtete Staatsverwaltung mit geordneten Finanzen in der Regel vorhanden ſei, ſich von Natur ſelbſt einſtelle, hat zu vielen Irrtümern und falſchen Schlüſſen Anlaß gegeben. 102. Die Größe und die finanzielle Kraft der Gebietskörper- ſchaften. Wenn alle Gebietskörperſchaften zu einem einheitlichen und organiſierten wirtſchaftlichen Leben kommen, und wenn bei höherer Kultur der ſichtbare Ausdruck desſelben die ſelbſtändige Finanzwirtſchaft des betreffenden Körpers iſt, ſo handelt es ſich nun, wenn wir die verſchiedenen Formen derſelben näher kennen lernen wollen, darum, uns zuerſt eine Vorſtellung von den betreffenden Größenverhältniſſen zu machen. Wie groß iſt das Gebiet, wie viel Menſchen nehmen an der Körperſchaft teil, wie groß ſind die jährlich zu verwendenden Geldmittel in dem gemeinſamen öffentlichen Haushalt? Nur das letztere können wir leider fragen; denn die Kraft der ſonſtigen geſamtwirtſchaft- lichen Organiſation, z. B. in der Form einer Naturaldienſtverfaſſung, entzieht ſich jeder zahlenmäßigen Erfaſſung. Auch die Zahlen über die jährlichen Einnahmen einer Ge- meinde oder eines Staates ſind natürlich nur ein ganz roher Ausdruck für die Aus-

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/297>, abgerufen am 28.03.2024.