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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft.
gegen Pauschalsummen übergab, die daraus Wuchergewinne ohne Gleichen zogen, die
das Volk maßlos mißhandelten; aber das erschien doch noch als das kleinere Übel gegen-
über der erwarteten allgemeinen Dieberei und der Unfähigkeit einer direkten Staats-
finanzverwaltung. Und ähnlich ist man in neueren Zeiten wieder vielfach, in Frankreich
vom 16.--18. Jahrhundert und anderswo verfahren. Erst die spätere römische Kaiserzeit
und jetzt wieder die neueste Entwickelung der Verwaltung verstand den Beamtenapparat
in Staat und Gemeinde so weit zu vervollkommnen, daß man ihm mit minderem Schaden
als den brutalen Steuerpächtergesellschaften diese Aufgabe in die Hand geben konnte.

Von den orientalischen Monarchen wird berichtet, daß sie in ihrem Finanzdienste
hauptsächlich Eunuchen und Sklaven verwendeten; auch Athen und Rom hat Sklaven
in großer Zahl für die niederen Gemeindedienste gehabt, und der römische Principat
hat die Erbschaft der politisch und finanziell bankerotten Republik damit angetreten, daß
er lange überwiegend Sklaven und Freigelassene im großen kaiserlichen Finanzdienste
verwendete; im Mittelalter waren wieder die unfreien Ministerialen zuerst allein fähig,
eine große fürstliche Finanzwirtschaft ohne zu viel Mißbräuche ins Leben zu rufen.
Wo eben Hunderte und Tausende nicht für sich, sondern für den König, den Fiskus
thätig sein sollen, große Summen in Händen haben, bei großen Aufwendungen sparsam
verfahren sollen, da gehören, um die Mehrzahl vom Stehlen, von der Nachlässigkeit und
Verschwendung abzuhalten, ursprünglich die eisernen Disciplinmittel der Unfreiheit dazu.
An ihrer Stelle sucht heute ein bis ins kleinste Detail ausgebildetes Verwaltungs- und
Staatsdienerrecht, ein bis zu lähmender Umständlichkeit gesteigertes Kontrollsystem mit
Nachweisen, Attesten und Rechnungslegung aller Art die Tausende von Beamten in
Pflicht und Ordnung zu halten. Und doch war das 18. Jahrhundert in England und
Frankreich nur deshalb so überzeugt, daß alle Beamtenwirtschaft schlecht sei, weil man
in ihrem Finanzdienst, ihrer Kolonial- und Heeresverwaltung überwiegend faule, bestech-
liche Beamte sah. Wir haben heute, in Deutschland besonders, ein hohes Maß von
Beamtentüchtigkeit und Integrität durch einen Erziehungs- und Einschulungsprozeß von
Jahrhunderten, durch ein richtiges Besoldungs- und Carrieresystem erreicht. Auf der
Sachkenntnis, dem Patriotismus, dem offenen Sinne des höheren und besseren Teiles
dieses Beamtentumes für die staatlichen und Gesamtinteressen, auf der Abwesenheit
egoistisch-wirtschaftlicher Klasseninteressen bei ihnen beruht psychologisch ein sehr großer
Teil aller neueren Fortschritte im Staatsleben, in der wirtschaftlichen und socialen Gesetz-
gebung. Aber dieser Fortschritt ruht auf eigentümlichen Voraussetzungen, die nicht
überall zu schaffen sind. Die socialistische Strömung unserer Zeit ist geneigt, die
Beamtenwirtschaft ähnlich zu überschätzen, wie A. Smith sie unterschätzte. Es steht zu
fürchten, daß auch bei uns ein gewisser Rückschlag, eine Ernüchterung eintreten wird
in dem Maße, wie wir den Apparat der Finanzwirtschaft, die Zahl der angestellten
Beamten immer weiter ausdehnen. Es ist bekannt, wie wenig die republikanische Staats-
form die finanzielle Korruption der Volksvertreter und Beamten in großartigstem Maß-
stabe hindert.

Die Schwierigkeit wächst mit der Größe des Beamtenpersonals und mit seiner
geographischen Zerstreutheit. Friedrich der Große ließ sich 1752 eine Zusammenstellung
der aus den königlichen Kassen bezahlten Civilbeamten machen; es waren (ohne die
schlesischen) 8786 mit 787206 Thaler Gehalt. Nach einer neueren Zusammenstellung
von Zeller sind (ohne Staatsgewerbe, Straßenbau und ohne Unterricht) im gewöhnlichen
Justiz-, Inneren- und Finanzdienste 1889--90 beschäftigt:

in Württemberg 3093 Beamte mit 6,1 Mill. Mark Gehalt,
- Baden 3384 - - 6,6 - - -
- Bayern 10425 - - 20,3 - - -
- Preußen 46281 - - 107,9 - - -

Einschließlich der Staatsgewerbe, des Straßenbaues und der Schule waren in Württem-
berg 12525 staatliche Beamte mit 21 Mill. Mark Gehalt, mit Geistlichen und Volks-
schullehrern 18896 vorhanden. In Preußen zählte Engel schon 1876: 9499 höhere,

Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
gegen Pauſchalſummen übergab, die daraus Wuchergewinne ohne Gleichen zogen, die
das Volk maßlos mißhandelten; aber das erſchien doch noch als das kleinere Übel gegen-
über der erwarteten allgemeinen Dieberei und der Unfähigkeit einer direkten Staats-
finanzverwaltung. Und ähnlich iſt man in neueren Zeiten wieder vielfach, in Frankreich
vom 16.—18. Jahrhundert und anderswo verfahren. Erſt die ſpätere römiſche Kaiſerzeit
und jetzt wieder die neueſte Entwickelung der Verwaltung verſtand den Beamtenapparat
in Staat und Gemeinde ſo weit zu vervollkommnen, daß man ihm mit minderem Schaden
als den brutalen Steuerpächtergeſellſchaften dieſe Aufgabe in die Hand geben konnte.

Von den orientaliſchen Monarchen wird berichtet, daß ſie in ihrem Finanzdienſte
hauptſächlich Eunuchen und Sklaven verwendeten; auch Athen und Rom hat Sklaven
in großer Zahl für die niederen Gemeindedienſte gehabt, und der römiſche Principat
hat die Erbſchaft der politiſch und finanziell bankerotten Republik damit angetreten, daß
er lange überwiegend Sklaven und Freigelaſſene im großen kaiſerlichen Finanzdienſte
verwendete; im Mittelalter waren wieder die unfreien Miniſterialen zuerſt allein fähig,
eine große fürſtliche Finanzwirtſchaft ohne zu viel Mißbräuche ins Leben zu rufen.
Wo eben Hunderte und Tauſende nicht für ſich, ſondern für den König, den Fiskus
thätig ſein ſollen, große Summen in Händen haben, bei großen Aufwendungen ſparſam
verfahren ſollen, da gehören, um die Mehrzahl vom Stehlen, von der Nachläſſigkeit und
Verſchwendung abzuhalten, urſprünglich die eiſernen Disciplinmittel der Unfreiheit dazu.
An ihrer Stelle ſucht heute ein bis ins kleinſte Detail ausgebildetes Verwaltungs- und
Staatsdienerrecht, ein bis zu lähmender Umſtändlichkeit geſteigertes Kontrollſyſtem mit
Nachweiſen, Atteſten und Rechnungslegung aller Art die Tauſende von Beamten in
Pflicht und Ordnung zu halten. Und doch war das 18. Jahrhundert in England und
Frankreich nur deshalb ſo überzeugt, daß alle Beamtenwirtſchaft ſchlecht ſei, weil man
in ihrem Finanzdienſt, ihrer Kolonial- und Heeresverwaltung überwiegend faule, beſtech-
liche Beamte ſah. Wir haben heute, in Deutſchland beſonders, ein hohes Maß von
Beamtentüchtigkeit und Integrität durch einen Erziehungs- und Einſchulungsprozeß von
Jahrhunderten, durch ein richtiges Beſoldungs- und Carriereſyſtem erreicht. Auf der
Sachkenntnis, dem Patriotismus, dem offenen Sinne des höheren und beſſeren Teiles
dieſes Beamtentumes für die ſtaatlichen und Geſamtintereſſen, auf der Abweſenheit
egoiſtiſch-wirtſchaftlicher Klaſſenintereſſen bei ihnen beruht pſychologiſch ein ſehr großer
Teil aller neueren Fortſchritte im Staatsleben, in der wirtſchaftlichen und ſocialen Geſetz-
gebung. Aber dieſer Fortſchritt ruht auf eigentümlichen Vorausſetzungen, die nicht
überall zu ſchaffen ſind. Die ſocialiſtiſche Strömung unſerer Zeit iſt geneigt, die
Beamtenwirtſchaft ähnlich zu überſchätzen, wie A. Smith ſie unterſchätzte. Es ſteht zu
fürchten, daß auch bei uns ein gewiſſer Rückſchlag, eine Ernüchterung eintreten wird
in dem Maße, wie wir den Apparat der Finanzwirtſchaft, die Zahl der angeſtellten
Beamten immer weiter ausdehnen. Es iſt bekannt, wie wenig die republikaniſche Staats-
form die finanzielle Korruption der Volksvertreter und Beamten in großartigſtem Maß-
ſtabe hindert.

Die Schwierigkeit wächſt mit der Größe des Beamtenperſonals und mit ſeiner
geographiſchen Zerſtreutheit. Friedrich der Große ließ ſich 1752 eine Zuſammenſtellung
der aus den königlichen Kaſſen bezahlten Civilbeamten machen; es waren (ohne die
ſchleſiſchen) 8786 mit 787206 Thaler Gehalt. Nach einer neueren Zuſammenſtellung
von Zeller ſind (ohne Staatsgewerbe, Straßenbau und ohne Unterricht) im gewöhnlichen
Juſtiz-, Inneren- und Finanzdienſte 1889—90 beſchäftigt:

in Württemberg 3093 Beamte mit 6,1 Mill. Mark Gehalt,
- Baden 3384 - - 6,6 - - -
- Bayern 10425 - - 20,3 - - -
- Preußen 46281 - - 107,9 - - -

Einſchließlich der Staatsgewerbe, des Straßenbaues und der Schule waren in Württem-
berg 12525 ſtaatliche Beamte mit 21 Mill. Mark Gehalt, mit Geiſtlichen und Volks-
ſchullehrern 18896 vorhanden. In Preußen zählte Engel ſchon 1876: 9499 höhere,

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[312/0328] Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. gegen Pauſchalſummen übergab, die daraus Wuchergewinne ohne Gleichen zogen, die das Volk maßlos mißhandelten; aber das erſchien doch noch als das kleinere Übel gegen- über der erwarteten allgemeinen Dieberei und der Unfähigkeit einer direkten Staats- finanzverwaltung. Und ähnlich iſt man in neueren Zeiten wieder vielfach, in Frankreich vom 16.—18. Jahrhundert und anderswo verfahren. Erſt die ſpätere römiſche Kaiſerzeit und jetzt wieder die neueſte Entwickelung der Verwaltung verſtand den Beamtenapparat in Staat und Gemeinde ſo weit zu vervollkommnen, daß man ihm mit minderem Schaden als den brutalen Steuerpächtergeſellſchaften dieſe Aufgabe in die Hand geben konnte. Von den orientaliſchen Monarchen wird berichtet, daß ſie in ihrem Finanzdienſte hauptſächlich Eunuchen und Sklaven verwendeten; auch Athen und Rom hat Sklaven in großer Zahl für die niederen Gemeindedienſte gehabt, und der römiſche Principat hat die Erbſchaft der politiſch und finanziell bankerotten Republik damit angetreten, daß er lange überwiegend Sklaven und Freigelaſſene im großen kaiſerlichen Finanzdienſte verwendete; im Mittelalter waren wieder die unfreien Miniſterialen zuerſt allein fähig, eine große fürſtliche Finanzwirtſchaft ohne zu viel Mißbräuche ins Leben zu rufen. Wo eben Hunderte und Tauſende nicht für ſich, ſondern für den König, den Fiskus thätig ſein ſollen, große Summen in Händen haben, bei großen Aufwendungen ſparſam verfahren ſollen, da gehören, um die Mehrzahl vom Stehlen, von der Nachläſſigkeit und Verſchwendung abzuhalten, urſprünglich die eiſernen Disciplinmittel der Unfreiheit dazu. An ihrer Stelle ſucht heute ein bis ins kleinſte Detail ausgebildetes Verwaltungs- und Staatsdienerrecht, ein bis zu lähmender Umſtändlichkeit geſteigertes Kontrollſyſtem mit Nachweiſen, Atteſten und Rechnungslegung aller Art die Tauſende von Beamten in Pflicht und Ordnung zu halten. Und doch war das 18. Jahrhundert in England und Frankreich nur deshalb ſo überzeugt, daß alle Beamtenwirtſchaft ſchlecht ſei, weil man in ihrem Finanzdienſt, ihrer Kolonial- und Heeresverwaltung überwiegend faule, beſtech- liche Beamte ſah. Wir haben heute, in Deutſchland beſonders, ein hohes Maß von Beamtentüchtigkeit und Integrität durch einen Erziehungs- und Einſchulungsprozeß von Jahrhunderten, durch ein richtiges Beſoldungs- und Carriereſyſtem erreicht. Auf der Sachkenntnis, dem Patriotismus, dem offenen Sinne des höheren und beſſeren Teiles dieſes Beamtentumes für die ſtaatlichen und Geſamtintereſſen, auf der Abweſenheit egoiſtiſch-wirtſchaftlicher Klaſſenintereſſen bei ihnen beruht pſychologiſch ein ſehr großer Teil aller neueren Fortſchritte im Staatsleben, in der wirtſchaftlichen und ſocialen Geſetz- gebung. Aber dieſer Fortſchritt ruht auf eigentümlichen Vorausſetzungen, die nicht überall zu ſchaffen ſind. Die ſocialiſtiſche Strömung unſerer Zeit iſt geneigt, die Beamtenwirtſchaft ähnlich zu überſchätzen, wie A. Smith ſie unterſchätzte. Es ſteht zu fürchten, daß auch bei uns ein gewiſſer Rückſchlag, eine Ernüchterung eintreten wird in dem Maße, wie wir den Apparat der Finanzwirtſchaft, die Zahl der angeſtellten Beamten immer weiter ausdehnen. Es iſt bekannt, wie wenig die republikaniſche Staats- form die finanzielle Korruption der Volksvertreter und Beamten in großartigſtem Maß- ſtabe hindert. Die Schwierigkeit wächſt mit der Größe des Beamtenperſonals und mit ſeiner geographiſchen Zerſtreutheit. Friedrich der Große ließ ſich 1752 eine Zuſammenſtellung der aus den königlichen Kaſſen bezahlten Civilbeamten machen; es waren (ohne die ſchleſiſchen) 8786 mit 787206 Thaler Gehalt. Nach einer neueren Zuſammenſtellung von Zeller ſind (ohne Staatsgewerbe, Straßenbau und ohne Unterricht) im gewöhnlichen Juſtiz-, Inneren- und Finanzdienſte 1889—90 beſchäftigt: in Württemberg 3093 Beamte mit 6,1 Mill. Mark Gehalt, - Baden 3384 - - 6,6 - - - - Bayern 10425 - - 20,3 - - - - Preußen 46281 - - 107,9 - - - Einſchließlich der Staatsgewerbe, des Straßenbaues und der Schule waren in Württem- berg 12525 ſtaatliche Beamte mit 21 Mill. Mark Gehalt, mit Geiſtlichen und Volks- ſchullehrern 18896 vorhanden. In Preußen zählte Engel ſchon 1876: 9499 höhere,

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/328>, abgerufen am 19.04.2024.