Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Wesen der wirtschaftlichen Freiheit.

Die Gesamtheit der Regulative von Moral, Sitte und Recht muß in gewissem
Sinne zunehmen, sofern die gesellschaftlichen Körper komplizierter werden, die Menschen
dichter wohnen, die Interessenkonflikte wachsen. Aber je mehr die Menschen sich innerlich
vervollkommnen, desto weniger empfinden sie auch die normalen Regulative als Hemmnis
und Schranke. In der großen Scheidung zwischen dem harten Zwang des Rechtes und
der leisen Nötigung durch Sitte und Moral liegt der wichtigste Schlüssel für das Ver-
ständnis des Fortschrittes. Das Recht kann sich vom inneren geistigen Leben, auch von
vielen wirtschaftlichen Vorgängen in dem Maße zurückziehen, als jene kräftiger wirken.
Es muß sich bald ausdehnen, bald wieder einschränken. Es thut das erstere aber nicht
bloß in Zeiten der sinkenden Kultur und der Auflösung, welche die gesetzgeberische
Maschinerie übermäßig in Anspruch zu nehmen pflegen. Auch alle Epochen großer und
fortschreitender Neubildung sind regelmäßig zugleich Zeiten umfangreicher, specialisierter
Gesetzgebung und Ausdehnung des Rechtes und des staatlichen Zwanges auf mancherlei
Gebiete. Oft kann man denselben freilich nach einigen Jahrzehnten wieder fallen lassen,
weil nun in der Hauptsache von selbst geschieht, was man früher erzwingen mußte.
Diejenigen, welche im zeitweisen Vordringen oder Zurückweichen des Rechtes und des
staatlichen Zwanges das wesentliche Symptom des Auf- und Niederganges der Völker
oder ihrer Wirtschaft sehen, beweisen ein geringes Maß historischer Kenntnisse, sie haften
an formalen Äußerlichkeiten. Der Fortschritt der Völker liegt darin, daß die Gesamtheit
ihrer Regulative sich formell und materiell bessere, und daß mit deren Hülfe die Menschen
besser erzogen, geistig und körperlich auf höhere Stufen gehoben werden. Ob dabei
zeitweise das positive Recht eine größere oder kleinere Rolle spiele, ob zeitweise die
Aktion der staatlichen Zwangsgewalt eine stärkere sei oder die freie Bewegung der Volks-
kräfte, das hängt von den jeweilig im Vordergrunde stehenden Aufgaben und davon ab,
wo im Augenblicke mehr Verstand, Kenntnisse und sittliche Kraft sei, -- im Centrum
des Staates, in der Regierung, oder in der Peripherie, in den freien gesellschaftlichen
Kräften.

9. Der allgemeine Zusammenhang zwischen volkswirtschaftlichem und sittlichem
Leben.
Zu 30, 31 u. 33 siehe die Litteratur der letzten Abschnitte. Außerdem: J. St. Mill, Ge-
sammelte Werke. Deutsch 1869 ff.; hauptsächlich das Nützlichkeitsprincip in Bd. 1. Aug. Comte und
der Positivismus Bd. 9. --
Krohn, Beiträge zur Kenntnis und Würdigung der Sociologie. J. f.
St. 1880 u. 81.
R. v. Mohl, Die Staatswissenschaften und die Gesellschaftswissenschaften in: Gesch. u. Litt.
der Staatswiss. 1, 1855, S. 67--110. --
v. Treitschke, Die Gesellschaftswissenschaft. 1859.
Schmoller, Die Gerechtigkeit in der Volkswirtschaft. J. f. G.V. 1880 u. Soc.- u. Gew.-P. --

Rümelin, Über die Idee der Gerechtigkeit. R. A. Bd. 2. 1881.
Zu 32: Darwin, Die Abstammung des Menschen. Deutsch 1871. --
Knapp, Darwin und
die Socialwissenschaften. J. f. N. 1. F. 18, 1872. --
Fick, Einfluß der Naturwissenschaft auf
das Recht. Daselbst. --
Schäffle, Der kollektive Kampf ums Tasein; zum Darwinismus vom
Standpunkt der Gesellschaftslehre. Z. f. St.W. 1876 u. 79. --
Ders., Bau und Leben des socialen
Körpers. Bd. 2, 1878. --
Haeckel, Freie Wissenschaft und freie Lehre. 1878. -- O. Schmidt,
Darwinismus und Socialdemokratie. 1878. --
Gumplowicz, Der Rassenkampf. 1883. --
Ammon, Der Darwinismus gegen die Socialdemokratie. 1891. -- Ders., Die Gesellschafts-
ordnung und ihre natürlichen Grundlagen. 1895. --
H. E. Ziegler, Die Naturwissenschaft und
die socialdemokratische Theorie. 1894. --
B. Kidd, Sociale Evolution. Deutsche Übers. 1895. --
Plötz, Die Tüchtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen. 1895. -- Thomas H. Huxley,
Sociale Essays. Deutsch 1899.

30. Natürliche und sittliche Kräfte. Man kann die Volkswirtschaft als
ein System natürlicher, wie als ein System sittlicher Kräfte betrachten; sie ist beides
zugleich, je nach dem Standpunkte der Betrachtung.

Blicke ich auf die handelnden Menschen, ihre Triebe, ihre Zahl, auf die Schätze
des Bodens, die Kapital- und Warenvorräte, die technischen Fertigkeiten, die Wirkung
von Angebot und Nachfrage, den Austausch der in bestimmter Menge vorhandenen Dienste
und Waren, so sehe ich einen Prozeß ineinander greifender natürlich-technischer Kräfte,

Das Weſen der wirtſchaftlichen Freiheit.

Die Geſamtheit der Regulative von Moral, Sitte und Recht muß in gewiſſem
Sinne zunehmen, ſofern die geſellſchaftlichen Körper komplizierter werden, die Menſchen
dichter wohnen, die Intereſſenkonflikte wachſen. Aber je mehr die Menſchen ſich innerlich
vervollkommnen, deſto weniger empfinden ſie auch die normalen Regulative als Hemmnis
und Schranke. In der großen Scheidung zwiſchen dem harten Zwang des Rechtes und
der leiſen Nötigung durch Sitte und Moral liegt der wichtigſte Schlüſſel für das Ver-
ſtändnis des Fortſchrittes. Das Recht kann ſich vom inneren geiſtigen Leben, auch von
vielen wirtſchaftlichen Vorgängen in dem Maße zurückziehen, als jene kräftiger wirken.
Es muß ſich bald ausdehnen, bald wieder einſchränken. Es thut das erſtere aber nicht
bloß in Zeiten der ſinkenden Kultur und der Auflöſung, welche die geſetzgeberiſche
Maſchinerie übermäßig in Anſpruch zu nehmen pflegen. Auch alle Epochen großer und
fortſchreitender Neubildung ſind regelmäßig zugleich Zeiten umfangreicher, ſpecialiſierter
Geſetzgebung und Ausdehnung des Rechtes und des ſtaatlichen Zwanges auf mancherlei
Gebiete. Oft kann man denſelben freilich nach einigen Jahrzehnten wieder fallen laſſen,
weil nun in der Hauptſache von ſelbſt geſchieht, was man früher erzwingen mußte.
Diejenigen, welche im zeitweiſen Vordringen oder Zurückweichen des Rechtes und des
ſtaatlichen Zwanges das weſentliche Symptom des Auf- und Niederganges der Völker
oder ihrer Wirtſchaft ſehen, beweiſen ein geringes Maß hiſtoriſcher Kenntniſſe, ſie haften
an formalen Äußerlichkeiten. Der Fortſchritt der Völker liegt darin, daß die Geſamtheit
ihrer Regulative ſich formell und materiell beſſere, und daß mit deren Hülfe die Menſchen
beſſer erzogen, geiſtig und körperlich auf höhere Stufen gehoben werden. Ob dabei
zeitweiſe das poſitive Recht eine größere oder kleinere Rolle ſpiele, ob zeitweiſe die
Aktion der ſtaatlichen Zwangsgewalt eine ſtärkere ſei oder die freie Bewegung der Volks-
kräfte, das hängt von den jeweilig im Vordergrunde ſtehenden Aufgaben und davon ab,
wo im Augenblicke mehr Verſtand, Kenntniſſe und ſittliche Kraft ſei, — im Centrum
des Staates, in der Regierung, oder in der Peripherie, in den freien geſellſchaftlichen
Kräften.

9. Der allgemeine Zuſammenhang zwiſchen volkswirtſchaftlichem und ſittlichem
Leben.
Zu 30, 31 u. 33 ſiehe die Litteratur der letzten Abſchnitte. Außerdem: J. St. Mill, Ge-
ſammelte Werke. Deutſch 1869 ff.; hauptſächlich das Nützlichkeitsprincip in Bd. 1. Aug. Comte und
der Poſitivismus Bd. 9. —
Krohn, Beiträge zur Kenntnis und Würdigung der Sociologie. J. f.
St. 1880 u. 81.
R. v. Mohl, Die Staatswiſſenſchaften und die Geſellſchaftswiſſenſchaften in: Geſch. u. Litt.
der Staatswiſſ. 1, 1855, S. 67—110. —
v. Treitſchke, Die Geſellſchaftswiſſenſchaft. 1859.
Schmoller, Die Gerechtigkeit in der Volkswirtſchaft. J. f. G.V. 1880 u. Soc.- u. Gew.-P. —

Rümelin, Über die Idee der Gerechtigkeit. R. A. Bd. 2. 1881.
Zu 32: Darwin, Die Abſtammung des Menſchen. Deutſch 1871. —
Knapp, Darwin und
die Socialwiſſenſchaften. J. f. N. 1. F. 18, 1872. —
Fick, Einfluß der Naturwiſſenſchaft auf
das Recht. Daſelbſt. —
Schäffle, Der kollektive Kampf ums Taſein; zum Darwinismus vom
Standpunkt der Geſellſchaftslehre. Z. f. St.W. 1876 u. 79. —
Derſ., Bau und Leben des ſocialen
Körpers. Bd. 2, 1878. —
Haeckel, Freie Wiſſenſchaft und freie Lehre. 1878. — O. Schmidt,
Darwinismus und Socialdemokratie. 1878. —
Gumplowicz, Der Raſſenkampf. 1883. —
Ammon, Der Darwinismus gegen die Socialdemokratie. 1891. — Derſ., Die Geſellſchafts-
ordnung und ihre natürlichen Grundlagen. 1895. —
H. E. Ziegler, Die Naturwiſſenſchaft und
die ſocialdemokratiſche Theorie. 1894. —
B. Kidd, Sociale Evolution. Deutſche Überſ. 1895. —
Plötz, Die Tüchtigkeit unſerer Raſſe und der Schutz der Schwachen. 1895. — Thomas H. Huxley,
Sociale Eſſays. Deutſch 1899.

30. Natürliche und ſittliche Kräfte. Man kann die Volkswirtſchaft als
ein Syſtem natürlicher, wie als ein Syſtem ſittlicher Kräfte betrachten; ſie iſt beides
zugleich, je nach dem Standpunkte der Betrachtung.

Blicke ich auf die handelnden Menſchen, ihre Triebe, ihre Zahl, auf die Schätze
des Bodens, die Kapital- und Warenvorräte, die techniſchen Fertigkeiten, die Wirkung
von Angebot und Nachfrage, den Austauſch der in beſtimmter Menge vorhandenen Dienſte
und Waren, ſo ſehe ich einen Prozeß ineinander greifender natürlich-techniſcher Kräfte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0075" n="59"/>
          <fw place="top" type="header">Das We&#x017F;en der wirt&#x017F;chaftlichen Freiheit.</fw><lb/>
          <p>Die Ge&#x017F;amtheit der Regulative von Moral, Sitte und Recht muß in gewi&#x017F;&#x017F;em<lb/>
Sinne zunehmen, &#x017F;ofern die ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Körper komplizierter werden, die Men&#x017F;chen<lb/>
dichter wohnen, die Intere&#x017F;&#x017F;enkonflikte wach&#x017F;en. Aber je mehr die Men&#x017F;chen &#x017F;ich innerlich<lb/>
vervollkommnen, de&#x017F;to weniger empfinden &#x017F;ie auch die normalen Regulative als Hemmnis<lb/>
und Schranke. In der großen Scheidung zwi&#x017F;chen dem harten Zwang des Rechtes und<lb/>
der lei&#x017F;en Nötigung durch Sitte und Moral liegt der wichtig&#x017F;te Schlü&#x017F;&#x017F;el für das Ver-<lb/>
&#x017F;tändnis des Fort&#x017F;chrittes. Das Recht kann &#x017F;ich vom inneren gei&#x017F;tigen Leben, auch von<lb/>
vielen wirt&#x017F;chaftlichen Vorgängen in dem Maße zurückziehen, als jene kräftiger wirken.<lb/>
Es muß &#x017F;ich bald ausdehnen, bald wieder ein&#x017F;chränken. Es thut das er&#x017F;tere aber nicht<lb/>
bloß in Zeiten der &#x017F;inkenden Kultur und der Auflö&#x017F;ung, welche die ge&#x017F;etzgeberi&#x017F;che<lb/>
Ma&#x017F;chinerie übermäßig in An&#x017F;pruch zu nehmen pflegen. Auch alle Epochen großer und<lb/>
fort&#x017F;chreitender Neubildung &#x017F;ind regelmäßig zugleich Zeiten umfangreicher, &#x017F;peciali&#x017F;ierter<lb/>
Ge&#x017F;etzgebung und Ausdehnung des Rechtes und des &#x017F;taatlichen Zwanges auf mancherlei<lb/>
Gebiete. Oft kann man den&#x017F;elben freilich nach einigen Jahrzehnten wieder fallen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
weil nun in der Haupt&#x017F;ache von &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;chieht, was man früher erzwingen mußte.<lb/>
Diejenigen, welche im zeitwei&#x017F;en Vordringen oder Zurückweichen des Rechtes und des<lb/>
&#x017F;taatlichen Zwanges das we&#x017F;entliche Symptom des Auf- und Niederganges der Völker<lb/>
oder ihrer Wirt&#x017F;chaft &#x017F;ehen, bewei&#x017F;en ein geringes Maß hi&#x017F;tori&#x017F;cher Kenntni&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ie haften<lb/>
an formalen Äußerlichkeiten. Der Fort&#x017F;chritt der Völker liegt darin, daß die Ge&#x017F;amtheit<lb/>
ihrer Regulative &#x017F;ich formell und materiell be&#x017F;&#x017F;ere, und daß mit deren Hülfe die Men&#x017F;chen<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er erzogen, gei&#x017F;tig und körperlich auf höhere Stufen gehoben werden. Ob dabei<lb/>
zeitwei&#x017F;e das po&#x017F;itive Recht eine größere oder kleinere Rolle &#x017F;piele, ob zeitwei&#x017F;e die<lb/>
Aktion der &#x017F;taatlichen Zwangsgewalt eine &#x017F;tärkere &#x017F;ei oder die freie Bewegung der Volks-<lb/>
kräfte, das hängt von den jeweilig im Vordergrunde &#x017F;tehenden Aufgaben und davon ab,<lb/>
wo im Augenblicke mehr Ver&#x017F;tand, Kenntni&#x017F;&#x017F;e und &#x017F;ittliche Kraft &#x017F;ei, &#x2014; im Centrum<lb/>
des Staates, in der Regierung, oder in der Peripherie, in den freien ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen<lb/>
Kräften.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">9. Der allgemeine Zu&#x017F;ammenhang zwi&#x017F;chen volkswirt&#x017F;chaftlichem und &#x017F;ittlichem<lb/>
Leben.</hi> </head><lb/>
          <listBibl>
            <bibl>Zu 30, 31 u. 33 &#x017F;iehe die Litteratur der letzten Ab&#x017F;chnitte. Außerdem: J. St. <hi rendition="#g">Mill</hi>, Ge-<lb/>
&#x017F;ammelte Werke. Deut&#x017F;ch 1869 ff.; haupt&#x017F;ächlich das Nützlichkeitsprincip in Bd. 1. Aug. Comte und<lb/>
der Po&#x017F;itivismus Bd. 9. &#x2014;</bibl>
            <bibl><hi rendition="#g">Krohn</hi>, Beiträge zur Kenntnis und Würdigung der Sociologie. J. f.<lb/>
St. 1880 u. 81.<lb/>
R. v. <hi rendition="#g">Mohl</hi>, Die Staatswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften und die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften in: Ge&#x017F;ch. u. Litt.<lb/>
der Staatswi&#x017F;&#x017F;. 1, 1855, S. 67&#x2014;110. &#x2014;</bibl>
            <bibl> v. <hi rendition="#g">Treit&#x017F;chke</hi>, Die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft. 1859.<lb/><hi rendition="#g">Schmoller</hi>, Die Gerechtigkeit in der Volkswirt&#x017F;chaft. J. f. G.V. 1880 u. Soc.- u. Gew.-P. &#x2014;</bibl>
            <bibl><lb/><hi rendition="#g">Rümelin</hi>, Über die Idee der Gerechtigkeit. R. A. Bd. 2. 1881.<lb/>
Zu 32: <hi rendition="#g">Darwin</hi>, Die Ab&#x017F;tammung des Men&#x017F;chen. Deut&#x017F;ch 1871. &#x2014;</bibl>
            <bibl><hi rendition="#g">Knapp</hi>, Darwin und<lb/>
die Socialwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften. J. f. N. 1. F. 18, 1872. &#x2014;</bibl>
            <bibl><hi rendition="#g">Fick</hi>, Einfluß der Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft auf<lb/>
das Recht. Da&#x017F;elb&#x017F;t. &#x2014;</bibl>
            <bibl><hi rendition="#g">Schäffle</hi>, Der kollektive Kampf ums Ta&#x017F;ein; zum Darwinismus vom<lb/>
Standpunkt der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftslehre. Z. f. St.W. 1876 u. 79. &#x2014;</bibl>
            <bibl><hi rendition="#g">Der&#x017F;.</hi>, Bau und Leben des &#x017F;ocialen<lb/>
Körpers. Bd. 2, 1878. &#x2014;</bibl>
            <bibl><hi rendition="#g">Haeckel</hi>, Freie Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft und freie Lehre. 1878. &#x2014;</bibl>
            <bibl> O. <hi rendition="#g">Schmidt</hi>,<lb/>
Darwinismus und Socialdemokratie. 1878. &#x2014;</bibl>
            <bibl><hi rendition="#g">Gumplowicz</hi>, Der Ra&#x017F;&#x017F;enkampf. 1883. &#x2014;</bibl>
            <bibl><lb/><hi rendition="#g">Ammon</hi>, Der Darwinismus gegen die Socialdemokratie. 1891. &#x2014;</bibl>
            <bibl><hi rendition="#g">Der&#x017F;.</hi>, Die Ge&#x017F;ell&#x017F;chafts-<lb/>
ordnung und ihre natürlichen Grundlagen. 1895. &#x2014;</bibl>
            <bibl> H. E. <hi rendition="#g">Ziegler</hi>, Die Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft und<lb/>
die &#x017F;ocialdemokrati&#x017F;che Theorie. 1894. &#x2014;</bibl>
            <bibl> B. <hi rendition="#g">Kidd</hi>, Sociale Evolution. Deut&#x017F;che Über&#x017F;. 1895. &#x2014;</bibl>
            <bibl><lb/><hi rendition="#g">Plötz</hi>, Die Tüchtigkeit un&#x017F;erer Ra&#x017F;&#x017F;e und der Schutz der Schwachen. 1895. &#x2014;</bibl>
            <bibl><hi rendition="#g">Thomas H. Huxley</hi>,<lb/>
Sociale E&#x017F;&#x017F;ays. Deut&#x017F;ch 1899.</bibl>
          </listBibl><lb/>
          <p>30. <hi rendition="#g">Natürliche und &#x017F;ittliche Kräfte</hi>. Man kann die Volkswirt&#x017F;chaft als<lb/>
ein Sy&#x017F;tem natürlicher, wie als ein Sy&#x017F;tem &#x017F;ittlicher Kräfte betrachten; &#x017F;ie i&#x017F;t beides<lb/>
zugleich, je nach dem Standpunkte der Betrachtung.</p><lb/>
          <p>Blicke ich auf die handelnden Men&#x017F;chen, ihre Triebe, ihre Zahl, auf die Schätze<lb/>
des Bodens, die Kapital- und Warenvorräte, die techni&#x017F;chen Fertigkeiten, die Wirkung<lb/>
von Angebot und Nachfrage, den Austau&#x017F;ch der in be&#x017F;timmter Menge vorhandenen Dien&#x017F;te<lb/>
und Waren, &#x017F;o &#x017F;ehe ich einen Prozeß ineinander greifender natürlich-techni&#x017F;cher Kräfte,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0075] Das Weſen der wirtſchaftlichen Freiheit. Die Geſamtheit der Regulative von Moral, Sitte und Recht muß in gewiſſem Sinne zunehmen, ſofern die geſellſchaftlichen Körper komplizierter werden, die Menſchen dichter wohnen, die Intereſſenkonflikte wachſen. Aber je mehr die Menſchen ſich innerlich vervollkommnen, deſto weniger empfinden ſie auch die normalen Regulative als Hemmnis und Schranke. In der großen Scheidung zwiſchen dem harten Zwang des Rechtes und der leiſen Nötigung durch Sitte und Moral liegt der wichtigſte Schlüſſel für das Ver- ſtändnis des Fortſchrittes. Das Recht kann ſich vom inneren geiſtigen Leben, auch von vielen wirtſchaftlichen Vorgängen in dem Maße zurückziehen, als jene kräftiger wirken. Es muß ſich bald ausdehnen, bald wieder einſchränken. Es thut das erſtere aber nicht bloß in Zeiten der ſinkenden Kultur und der Auflöſung, welche die geſetzgeberiſche Maſchinerie übermäßig in Anſpruch zu nehmen pflegen. Auch alle Epochen großer und fortſchreitender Neubildung ſind regelmäßig zugleich Zeiten umfangreicher, ſpecialiſierter Geſetzgebung und Ausdehnung des Rechtes und des ſtaatlichen Zwanges auf mancherlei Gebiete. Oft kann man denſelben freilich nach einigen Jahrzehnten wieder fallen laſſen, weil nun in der Hauptſache von ſelbſt geſchieht, was man früher erzwingen mußte. Diejenigen, welche im zeitweiſen Vordringen oder Zurückweichen des Rechtes und des ſtaatlichen Zwanges das weſentliche Symptom des Auf- und Niederganges der Völker oder ihrer Wirtſchaft ſehen, beweiſen ein geringes Maß hiſtoriſcher Kenntniſſe, ſie haften an formalen Äußerlichkeiten. Der Fortſchritt der Völker liegt darin, daß die Geſamtheit ihrer Regulative ſich formell und materiell beſſere, und daß mit deren Hülfe die Menſchen beſſer erzogen, geiſtig und körperlich auf höhere Stufen gehoben werden. Ob dabei zeitweiſe das poſitive Recht eine größere oder kleinere Rolle ſpiele, ob zeitweiſe die Aktion der ſtaatlichen Zwangsgewalt eine ſtärkere ſei oder die freie Bewegung der Volks- kräfte, das hängt von den jeweilig im Vordergrunde ſtehenden Aufgaben und davon ab, wo im Augenblicke mehr Verſtand, Kenntniſſe und ſittliche Kraft ſei, — im Centrum des Staates, in der Regierung, oder in der Peripherie, in den freien geſellſchaftlichen Kräften. 9. Der allgemeine Zuſammenhang zwiſchen volkswirtſchaftlichem und ſittlichem Leben. Zu 30, 31 u. 33 ſiehe die Litteratur der letzten Abſchnitte. Außerdem: J. St. Mill, Ge- ſammelte Werke. Deutſch 1869 ff.; hauptſächlich das Nützlichkeitsprincip in Bd. 1. Aug. Comte und der Poſitivismus Bd. 9. — Krohn, Beiträge zur Kenntnis und Würdigung der Sociologie. J. f. St. 1880 u. 81. R. v. Mohl, Die Staatswiſſenſchaften und die Geſellſchaftswiſſenſchaften in: Geſch. u. Litt. der Staatswiſſ. 1, 1855, S. 67—110. — v. Treitſchke, Die Geſellſchaftswiſſenſchaft. 1859. Schmoller, Die Gerechtigkeit in der Volkswirtſchaft. J. f. G.V. 1880 u. Soc.- u. Gew.-P. — Rümelin, Über die Idee der Gerechtigkeit. R. A. Bd. 2. 1881. Zu 32: Darwin, Die Abſtammung des Menſchen. Deutſch 1871. — Knapp, Darwin und die Socialwiſſenſchaften. J. f. N. 1. F. 18, 1872. — Fick, Einfluß der Naturwiſſenſchaft auf das Recht. Daſelbſt. — Schäffle, Der kollektive Kampf ums Taſein; zum Darwinismus vom Standpunkt der Geſellſchaftslehre. Z. f. St.W. 1876 u. 79. — Derſ., Bau und Leben des ſocialen Körpers. Bd. 2, 1878. — Haeckel, Freie Wiſſenſchaft und freie Lehre. 1878. — O. Schmidt, Darwinismus und Socialdemokratie. 1878. — Gumplowicz, Der Raſſenkampf. 1883. — Ammon, Der Darwinismus gegen die Socialdemokratie. 1891. — Derſ., Die Geſellſchafts- ordnung und ihre natürlichen Grundlagen. 1895. — H. E. Ziegler, Die Naturwiſſenſchaft und die ſocialdemokratiſche Theorie. 1894. — B. Kidd, Sociale Evolution. Deutſche Überſ. 1895. — Plötz, Die Tüchtigkeit unſerer Raſſe und der Schutz der Schwachen. 1895. — Thomas H. Huxley, Sociale Eſſays. Deutſch 1899. 30. Natürliche und ſittliche Kräfte. Man kann die Volkswirtſchaft als ein Syſtem natürlicher, wie als ein Syſtem ſittlicher Kräfte betrachten; ſie iſt beides zugleich, je nach dem Standpunkte der Betrachtung. Blicke ich auf die handelnden Menſchen, ihre Triebe, ihre Zahl, auf die Schätze des Bodens, die Kapital- und Warenvorräte, die techniſchen Fertigkeiten, die Wirkung von Angebot und Nachfrage, den Austauſch der in beſtimmter Menge vorhandenen Dienſte und Waren, ſo ſehe ich einen Prozeß ineinander greifender natürlich-techniſcher Kräfte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/75
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/75>, abgerufen am 19.04.2024.