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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umgestaltung von Produktion und Verkehr.
über dem Fabriksystem hängt ab freilich in erster Linie
von der Technik, von der Thatsache, ob für eine Pro-
duktion ganz große Maschinen nothwendig werden, dann
aber auch von der Geschicklichkeit, der Rührigkeit, den
moralischen Eigenschaften im Kreise der kleinen Meister.
Und All das hinwiederum steht im Zusammenhang mit
der geschäftlichen Organisation, mit der Thätigkeit von
Gemeinde und Staat für Schulen und gemeinsame
Institute, mit der Entwickelung des Genossenschaftswesens
unter den Leuten selbst. Oft hat nur das letztere den
hausindustriellen Betrieb, überhaupt die kleinern Ge-
schäfte gegenüber den Fabriken erhalten. Besonders
schwer ist es häufig für den kleinen Meister guten und
billigen Rohstoff, Leder, Garn, Tuch und Aehnliches
zu kaufen. Es ist nicht zu beschreiben, wie der kleine
Mann, der um jeden Preis Arbeit sucht, da von
gewissenlosen Händlern betrügerisch übertheuert, durch
absichtlichen Lotterkredit in Abhängigkeit gebracht wird.
Da wirken die Kreditvereine, die Rohstoffgenossenschaften
Wunder. Ebenso wichtig freilich sind die gemeinsamen
Verkaufsmagazine und besonders gemeinsame Wasser-
oder Dampfkräfte mit den entsprechenden Einrichtungen,
gemeinsame Walken und Appreturanstalten für die Weber.
Gemeinsame Unternehmungen der letztern Art sind heut-
zutage schon eher zu Stande zu bringen, auch ist bei ihnen
eine Intervention von Gemeinde und Staat weniger
gefährlich als bei den eigentlichen Produktivassociationen.
Da aber, wo für diese die moralischen und geschäftlichen
Eigenschaften bei den kleinen Meistern vorhanden sind,
liegt in ihnen sicher das beste Mittel, das Handwerk

Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
über dem Fabrikſyſtem hängt ab freilich in erſter Linie
von der Technik, von der Thatſache, ob für eine Pro-
duktion ganz große Maſchinen nothwendig werden, dann
aber auch von der Geſchicklichkeit, der Rührigkeit, den
moraliſchen Eigenſchaften im Kreiſe der kleinen Meiſter.
Und All das hinwiederum ſteht im Zuſammenhang mit
der geſchäftlichen Organiſation, mit der Thätigkeit von
Gemeinde und Staat für Schulen und gemeinſame
Inſtitute, mit der Entwickelung des Genoſſenſchaftsweſens
unter den Leuten ſelbſt. Oft hat nur das letztere den
hausinduſtriellen Betrieb, überhaupt die kleinern Ge-
ſchäfte gegenüber den Fabriken erhalten. Beſonders
ſchwer iſt es häufig für den kleinen Meiſter guten und
billigen Rohſtoff, Leder, Garn, Tuch und Aehnliches
zu kaufen. Es iſt nicht zu beſchreiben, wie der kleine
Mann, der um jeden Preis Arbeit ſucht, da von
gewiſſenloſen Händlern betrügeriſch übertheuert, durch
abſichtlichen Lotterkredit in Abhängigkeit gebracht wird.
Da wirken die Kreditvereine, die Rohſtoffgenoſſenſchaften
Wunder. Ebenſo wichtig freilich ſind die gemeinſamen
Verkaufsmagazine und beſonders gemeinſame Waſſer-
oder Dampfkräfte mit den entſprechenden Einrichtungen,
gemeinſame Walken und Appreturanſtalten für die Weber.
Gemeinſame Unternehmungen der letztern Art ſind heut-
zutage ſchon eher zu Stande zu bringen, auch iſt bei ihnen
eine Intervention von Gemeinde und Staat weniger
gefährlich als bei den eigentlichen Produktivaſſociationen.
Da aber, wo für dieſe die moraliſchen und geſchäftlichen
Eigenſchaften bei den kleinen Meiſtern vorhanden ſind,
liegt in ihnen ſicher das beſte Mittel, das Handwerk

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[206/0228] Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr. über dem Fabrikſyſtem hängt ab freilich in erſter Linie von der Technik, von der Thatſache, ob für eine Pro- duktion ganz große Maſchinen nothwendig werden, dann aber auch von der Geſchicklichkeit, der Rührigkeit, den moraliſchen Eigenſchaften im Kreiſe der kleinen Meiſter. Und All das hinwiederum ſteht im Zuſammenhang mit der geſchäftlichen Organiſation, mit der Thätigkeit von Gemeinde und Staat für Schulen und gemeinſame Inſtitute, mit der Entwickelung des Genoſſenſchaftsweſens unter den Leuten ſelbſt. Oft hat nur das letztere den hausinduſtriellen Betrieb, überhaupt die kleinern Ge- ſchäfte gegenüber den Fabriken erhalten. Beſonders ſchwer iſt es häufig für den kleinen Meiſter guten und billigen Rohſtoff, Leder, Garn, Tuch und Aehnliches zu kaufen. Es iſt nicht zu beſchreiben, wie der kleine Mann, der um jeden Preis Arbeit ſucht, da von gewiſſenloſen Händlern betrügeriſch übertheuert, durch abſichtlichen Lotterkredit in Abhängigkeit gebracht wird. Da wirken die Kreditvereine, die Rohſtoffgenoſſenſchaften Wunder. Ebenſo wichtig freilich ſind die gemeinſamen Verkaufsmagazine und beſonders gemeinſame Waſſer- oder Dampfkräfte mit den entſprechenden Einrichtungen, gemeinſame Walken und Appreturanſtalten für die Weber. Gemeinſame Unternehmungen der letztern Art ſind heut- zutage ſchon eher zu Stande zu bringen, auch iſt bei ihnen eine Intervention von Gemeinde und Staat weniger gefährlich als bei den eigentlichen Produktivaſſociationen. Da aber, wo für dieſe die moraliſchen und geſchäftlichen Eigenſchaften bei den kleinen Meiſtern vorhanden ſind, liegt in ihnen ſicher das beſte Mittel, das Handwerk

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/228>, abgerufen am 25.04.2024.