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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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Antonello von Messina.

Antonello eilte gleich nach dem Ableben seines
großen Lehrers nach Jtalien zurück, und begab sich
nach Venedig, wo er durch seine in den Niederlanden
erlernte Kunst allgemeine Bewunderung sich erwarb.
Viele seiner Zeitgenossen bemühten sich auf das an-
gelegentlichste, das Geheimniß des Giovanni da
Brugge
von ihm zu erforschen; er widerstand lange
und nur einem Einzigen gab er sich zulezt hin. Dieser
hieß Domenico; sein Name ist jezt fast verschollen,
seine Werke hat der Strom der Zeiten fortgerissen,
doch war er in seinen Tagen ein hochberühmter
Meister der kaum im Entstehen begriffenen venezia-
nischen Schule. Wie Antonello das Herz des
Johann van Eyck gewann, so wußte Domenico das
Herz Antonellos zu gewinnen und dieser vertraute
ihm nach Verlauf weniger Monde, aus uneigen-
nütziger Liebe, das Geheimniß, welches er für
keinen andern Preis verkauft haben würde.

Beide Freunde arbeiteten von nun an mit
hoher Freude und Lust; ihr Ruhm ward groß im

7 *

Antonello von Meſſina.

Antonello eilte gleich nach dem Ableben ſeines
großen Lehrers nach Jtalien zurück, und begab ſich
nach Venedig, wo er durch ſeine in den Niederlanden
erlernte Kunſt allgemeine Bewunderung ſich erwarb.
Viele ſeiner Zeitgenoſſen bemühten ſich auf das an-
gelegentlichſte, das Geheimniß des Giovanni da
Brugge
von ihm zu erforſchen; er widerſtand lange
und nur einem Einzigen gab er ſich zulezt hin. Dieſer
hieß Domenico; ſein Name iſt jezt faſt verſchollen,
ſeine Werke hat der Strom der Zeiten fortgeriſſen,
doch war er in ſeinen Tagen ein hochberühmter
Meiſter der kaum im Entſtehen begriffenen venezia-
niſchen Schule. Wie Antonello das Herz des
Johann van Eyck gewann, ſo wußte Domenico das
Herz Antonellos zu gewinnen und dieſer vertraute
ihm nach Verlauf weniger Monde, aus uneigen-
nütziger Liebe, das Geheimniß, welches er für
keinen andern Preis verkauft haben würde.

Beide Freunde arbeiteten von nun an mit
hoher Freude und Luſt; ihr Ruhm ward groß im

7 *
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[99/0111] Antonello von Meſſina. Antonello eilte gleich nach dem Ableben ſeines großen Lehrers nach Jtalien zurück, und begab ſich nach Venedig, wo er durch ſeine in den Niederlanden erlernte Kunſt allgemeine Bewunderung ſich erwarb. Viele ſeiner Zeitgenoſſen bemühten ſich auf das an- gelegentlichſte, das Geheimniß des Giovanni da Brugge von ihm zu erforſchen; er widerſtand lange und nur einem Einzigen gab er ſich zulezt hin. Dieſer hieß Domenico; ſein Name iſt jezt faſt verſchollen, ſeine Werke hat der Strom der Zeiten fortgeriſſen, doch war er in ſeinen Tagen ein hochberühmter Meiſter der kaum im Entſtehen begriffenen venezia- niſchen Schule. Wie Antonello das Herz des Johann van Eyck gewann, ſo wußte Domenico das Herz Antonellos zu gewinnen und dieſer vertraute ihm nach Verlauf weniger Monde, aus uneigen- nütziger Liebe, das Geheimniß, welches er für keinen andern Preis verkauft haben würde. Beide Freunde arbeiteten von nun an mit hoher Freude und Luſt; ihr Ruhm ward groß im 7 *

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/111>, abgerufen am 28.03.2024.