Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwölfte Vorlesung.
§ 31. Dedekind's ähnliche Abbildung eines Systems in ein anderes.
Ähnliche oder gleichmächtige Systeme.

Wir haben im vorigen Paragraphen die verschiednen Arten von
Abbildung betrachtet sozusagen: im absoluten Sinne, nämlich: als durch
gewisse Eigenschaften durchgängig, für den ganzen Denkbereich 1,
charakterisirte. In diesem Sinne war z. B. eine gegenseitig eindeutige
Abbildung als eine "Substitution" zu bezeichnen.

Für unsre vornehmsten Zwecke: der Formulirung des Gleich-
mächtigkeits
-, Endlichkeits- und Anzahl-Begriffes, genügt aber solche
Betrachtungsweise nicht, sintemal sie dem Abbildungsprinzipe oder
Relativ x von vornherein Beschränkungen auferlegt, die dasselbe keines-
wegs zu erfüllen braucht
, ja, bei den Anwendungen oft auch gar nicht
erfüllen kann
, indem sie mit wesentlichen Voraussetzungen der Unter-
suchung in Konflikt geraten resp. von vornherein inkompatibel sein
werden.

So würden beispielsweise im Gebiet der natürlichen Zahlen durch die
Zuordnung der unter einander stehenden Elemente in:
(Bei x Objekt:) 2, 3, 4, 5, 6 (: Bild bei x)
(Bei x Bild:) 5, 6, 7, 8, 9 (: Objekt bei x)

die beiden Systeme von Zahlindividuen a = 2 bis 6, b = 5 bis 9 in ein-
ander gegenseitig eindeutig abgebildet zu nennen sein, ohne dass doch unser
Abbildungsprinzip x eine Substitution zu sein brauchte sei es im ganzen
Denkbereich der natürlichen Zahlen, sei es auch nur in dem auf die hier
in Betracht kommenden Elemente
2 bis 9 beschränkten Denkbereiche! In der
That brauchen nämlich schon im letzteren die Elemente 2, 3, 4 keine x-Bilder
zu sein, die 7, 8, 9 gar keine x-Bilder zu haben.

Dass aber eine Substitution im Denkbereich der positiven Ganzzahlen
die gegenseitig eindeutige Zuordnung:
(Objekt) 1, 2, 3, 4, 5, ...
(x-Bild) 2, 3, 4, 5, 6, ...
die für den Erweis der einfachen Unendlichkeit dieses Zahlensystemes
wesentlich ist, gar nicht zu leisten vermag, ist a priori ersichtlich: es muss,
da die Zahl 1 hierbei von keinem Objekte das x-Bild ist, das Relativ x
notwendig die erste Zeile zur Leerzeile haben und kann also nicht Sub-
stitution sein. Dies hat auch Herr Hoppe 1 p. 31 richtig herausgefühlt,
jedoch daraus der Dedekind'schen Arbeit zu Unrecht den Vorwurf eines
innern Widerspruchs gemacht -- sintemal in dieser die "ähnliche Ab-
bildung" ja gar nicht als eine Substitution eingeführt worden!

Aus hiermit angedeuteten Gründen müssen wir die Abbildung,
zumal die (einseitig, sowie die) gegenseitig eindeutige, auch noch in
relativem Sinne
studiren, nämlich als eine solche blos mit Bezug auf

Zwölfte Vorlesung.
§ 31. Dedekind’s ähnliche Abbildung eines Systems in ein anderes.
Ähnliche oder gleichmächtige Systeme.

Wir haben im vorigen Paragraphen die verschiednen Arten von
Abbildung betrachtet sozusagen: im absoluten Sinne, nämlich: als durch
gewisse Eigenschaften durchgängig, für den ganzen Denkbereich 1,
charakterisirte. In diesem Sinne war z. B. eine gegenseitig eindeutige
Abbildung als eine „Substitution“ zu bezeichnen.

Für unsre vornehmsten Zwecke: der Formulirung des Gleich-
mächtigkeits
-, Endlichkeits- und Anzahl-Begriffes, genügt aber solche
Betrachtungsweise nicht, sintemal sie dem Abbildungsprinzipe oder
Relativ x von vornherein Beschränkungen auferlegt, die dasselbe keines-
wegs zu erfüllen braucht
, ja, bei den Anwendungen oft auch gar nicht
erfüllen kann
, indem sie mit wesentlichen Voraussetzungen der Unter-
suchung in Konflikt geraten resp. von vornherein inkompatibel sein
werden.

So würden beispielsweise im Gebiet der natürlichen Zahlen durch die
Zuordnung der unter einander stehenden Elemente in:
(Bei x Objekt:) 2, 3, 4, 5, 6 (: Bild bei )
(Bei x Bild:) 5, 6, 7, 8, 9 (: Objekt bei )

die beiden Systeme von Zahlindividuen a = 2 bis 6, b = 5 bis 9 in ein-
ander gegenseitig eindeutig abgebildet zu nennen sein, ohne dass doch unser
Abbildungsprinzip x eine Substitution zu sein brauchte sei es im ganzen
Denkbereich der natürlichen Zahlen, sei es auch nur in dem auf die hier
in Betracht kommenden Elemente
2 bis 9 beschränkten Denkbereiche! In der
That brauchen nämlich schon im letzteren die Elemente 2, 3, 4 keine x-Bilder
zu sein, die 7, 8, 9 gar keine x-Bilder zu haben.

Dass aber eine Substitution im Denkbereich der positiven Ganzzahlen
die gegenseitig eindeutige Zuordnung:
(Objekt) 1̇, 2, 3, 4, 5, …
(x-Bild) 2, 3, 4, 5, 6, …
die für den Erweis der einfachen Unendlichkeit dieses Zahlensystemes
wesentlich ist, gar nicht zu leisten vermag, ist a priori ersichtlich: es muss,
da die Zahl 1̇ hierbei von keinem Objekte das x-Bild ist, das Relativ x
notwendig die erste Zeile zur Leerzeile haben und kann also nicht Sub-
stitution sein. Dies hat auch Herr Hoppe 1 p. 31 richtig herausgefühlt,
jedoch daraus der Dedekind’schen Arbeit zu Unrecht den Vorwurf eines
innern Widerspruchs gemacht — sintemal in dieser die „ähnliche Ab-
bildung“ ja gar nicht als eine Substitution eingeführt worden!

Aus hiermit angedeuteten Gründen müssen wir die Abbildung,
zumal die (einseitig, sowie die) gegenseitig eindeutige, auch noch in
relativem Sinne
studiren, nämlich als eine solche blos mit Bezug auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0610" n="596"/>
        <fw place="top" type="header">Zwölfte Vorlesung.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>§ 31. <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Dedekind&#x2019;</hi>s ähnliche Abbildung eines Systems in ein anderes.<lb/>
Ähnliche oder gleichmächtige Systeme.</hi></head><lb/>
          <p>Wir haben im vorigen Paragraphen die verschiednen Arten von<lb/>
Abbildung betrachtet sozusagen: <hi rendition="#i">im absoluten Sinne</hi>, nämlich: als durch<lb/>
gewisse Eigenschaften durchgängig, <hi rendition="#i">für den ganzen Denkbereich</hi> 1,<lb/>
charakterisirte. In diesem Sinne war z. B. eine gegenseitig eindeutige<lb/>
Abbildung als eine &#x201E;Substitution&#x201C; zu bezeichnen.</p><lb/>
          <p>Für unsre vornehmsten Zwecke: der Formulirung des <hi rendition="#i">Gleich-<lb/>
mächtigkeits</hi>-, <hi rendition="#i">Endlichkeits</hi>- und <hi rendition="#i">Anzahl</hi>-Begriffes, genügt aber solche<lb/>
Betrachtungsweise nicht, sintemal sie dem Abbildungsprinzipe oder<lb/>
Relativ <hi rendition="#i">x</hi> von vornherein Beschränkungen auferlegt, die dasselbe <hi rendition="#i">keines-<lb/>
wegs zu erfüllen braucht</hi>, ja, bei den Anwendungen oft auch <hi rendition="#i">gar nicht<lb/>
erfüllen kann</hi>, indem sie mit wesentlichen Voraussetzungen der Unter-<lb/>
suchung in Konflikt geraten resp. von vornherein inkompatibel sein<lb/>
werden.</p><lb/>
          <p>So würden beispielsweise im Gebiet der natürlichen Zahlen durch die<lb/>
Zuordnung der unter einander stehenden Elemente in:<lb/><hi rendition="#et">(Bei <hi rendition="#i">x</hi> Objekt:) 2, 3, 4, 5, 6 (: Bild bei <hi rendition="#i">x&#x0306;</hi>)<lb/>
(Bei <hi rendition="#i">x</hi> Bild:) 5, 6, 7, 8, 9 (: Objekt bei <hi rendition="#i">x&#x0306;</hi>)</hi><lb/>
die beiden Systeme von Zahlindividuen <hi rendition="#i">a</hi> = 2 bis 6, <hi rendition="#i">b</hi> = 5 bis 9 in ein-<lb/>
ander gegenseitig eindeutig abgebildet zu nennen sein, <hi rendition="#i">ohne dass</hi> doch unser<lb/>
Abbildungsprinzip <hi rendition="#i">x eine Substitution zu sein brauchte</hi> sei es im ganzen<lb/>
Denkbereich der natürlichen Zahlen, sei es <hi rendition="#i">auch nur in dem auf die hier<lb/>
in Betracht kommenden Elemente</hi> 2 <hi rendition="#i">bis</hi> 9 <hi rendition="#i">beschränkten Denkbereiche</hi>! In der<lb/>
That brauchen nämlich schon im letzteren die Elemente 2, 3, 4 keine <hi rendition="#i">x</hi>-Bilder<lb/>
zu <hi rendition="#i">sein</hi>, die 7, 8, 9 gar keine <hi rendition="#i">x</hi>-Bilder zu <hi rendition="#i">haben</hi>.</p><lb/>
          <p>Dass aber eine <hi rendition="#i">Substitution</hi> im Denkbereich der positiven Ganzzahlen<lb/>
die gegenseitig eindeutige Zuordnung:<lb/>
(Objekt) 1&#x0307;, 2, 3, 4, 5, &#x2026;<lb/>
(<hi rendition="#i">x</hi>-Bild) 2, 3, 4, 5, 6, &#x2026;<lb/>
die für den Erweis der einfachen Unendlichkeit dieses Zahlensystemes<lb/>
wesentlich ist, <hi rendition="#i">gar nicht zu leisten vermag</hi>, ist a priori ersichtlich: es muss,<lb/>
da die Zahl 1&#x0307; hierbei <hi rendition="#i">von keinem</hi> Objekte das <hi rendition="#i">x</hi>-Bild ist, das Relativ <hi rendition="#i">x</hi><lb/>
notwendig die erste Zeile zur Leerzeile haben und kann also nicht Sub-<lb/>
stitution sein. Dies hat auch Herr <hi rendition="#g">Hoppe</hi> <hi rendition="#sup">1</hi> p. 31 richtig herausgefühlt,<lb/>
jedoch daraus der <hi rendition="#g">Dedekind&#x2019;</hi>schen Arbeit zu Unrecht den Vorwurf eines<lb/>
innern Widerspruchs gemacht &#x2014; sintemal in dieser die &#x201E;ähnliche Ab-<lb/>
bildung&#x201C; ja gar nicht als eine Substitution eingeführt worden!</p><lb/>
          <p>Aus hiermit angedeuteten Gründen müssen wir die Abbildung,<lb/>
zumal die (einseitig, sowie die) gegenseitig eindeutige, auch noch <hi rendition="#i">in<lb/>
relativem Sinne</hi> studiren, nämlich als eine solche blos mit Bezug auf<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[596/0610] Zwölfte Vorlesung. § 31. Dedekind’s ähnliche Abbildung eines Systems in ein anderes. Ähnliche oder gleichmächtige Systeme. Wir haben im vorigen Paragraphen die verschiednen Arten von Abbildung betrachtet sozusagen: im absoluten Sinne, nämlich: als durch gewisse Eigenschaften durchgängig, für den ganzen Denkbereich 1, charakterisirte. In diesem Sinne war z. B. eine gegenseitig eindeutige Abbildung als eine „Substitution“ zu bezeichnen. Für unsre vornehmsten Zwecke: der Formulirung des Gleich- mächtigkeits-, Endlichkeits- und Anzahl-Begriffes, genügt aber solche Betrachtungsweise nicht, sintemal sie dem Abbildungsprinzipe oder Relativ x von vornherein Beschränkungen auferlegt, die dasselbe keines- wegs zu erfüllen braucht, ja, bei den Anwendungen oft auch gar nicht erfüllen kann, indem sie mit wesentlichen Voraussetzungen der Unter- suchung in Konflikt geraten resp. von vornherein inkompatibel sein werden. So würden beispielsweise im Gebiet der natürlichen Zahlen durch die Zuordnung der unter einander stehenden Elemente in: (Bei x Objekt:) 2, 3, 4, 5, 6 (: Bild bei x̆) (Bei x Bild:) 5, 6, 7, 8, 9 (: Objekt bei x̆) die beiden Systeme von Zahlindividuen a = 2 bis 6, b = 5 bis 9 in ein- ander gegenseitig eindeutig abgebildet zu nennen sein, ohne dass doch unser Abbildungsprinzip x eine Substitution zu sein brauchte sei es im ganzen Denkbereich der natürlichen Zahlen, sei es auch nur in dem auf die hier in Betracht kommenden Elemente 2 bis 9 beschränkten Denkbereiche! In der That brauchen nämlich schon im letzteren die Elemente 2, 3, 4 keine x-Bilder zu sein, die 7, 8, 9 gar keine x-Bilder zu haben. Dass aber eine Substitution im Denkbereich der positiven Ganzzahlen die gegenseitig eindeutige Zuordnung: (Objekt) 1̇, 2, 3, 4, 5, … (x-Bild) 2, 3, 4, 5, 6, … die für den Erweis der einfachen Unendlichkeit dieses Zahlensystemes wesentlich ist, gar nicht zu leisten vermag, ist a priori ersichtlich: es muss, da die Zahl 1̇ hierbei von keinem Objekte das x-Bild ist, das Relativ x notwendig die erste Zeile zur Leerzeile haben und kann also nicht Sub- stitution sein. Dies hat auch Herr Hoppe 1 p. 31 richtig herausgefühlt, jedoch daraus der Dedekind’schen Arbeit zu Unrecht den Vorwurf eines innern Widerspruchs gemacht — sintemal in dieser die „ähnliche Ab- bildung“ ja gar nicht als eine Substitution eingeführt worden! Aus hiermit angedeuteten Gründen müssen wir die Abbildung, zumal die (einseitig, sowie die) gegenseitig eindeutige, auch noch in relativem Sinne studiren, nämlich als eine solche blos mit Bezug auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/610
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/610>, abgerufen am 16.04.2024.