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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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bergigte Hirtenland Arkadien unbesiegt durch die Hera¬
kliden. Von den drei Reichen, die sie auf dieser Halb¬
insel begründeten, hatte nur Sparta eine längere Dauer.
Zu Argos hatte Temenus dem Deiphontes, auch einem
Ururenkel des Herkules, seine Tochter Hyrnetho, die er
unter allen seinen Kindern am meisten liebte, zur Ehe
gegeben, und zog ihn in Allem zu Rathe, so daß man
vermuthete, daß er ihm und seiner Tochter auch die
Regierung zuwenden wolle. Darüber ergrimmten seine
eigenen Söhne, verschworen sich gegen ihn und erschlugen
ihren Vater. Die Argiver aber erkannten zwar den
ältesten Sohn als König; weil sie aber Freiheit und
Gleichheit vor Allem liebten, so beschränkten sie die Kö¬
nigsgewalt so sehr, daß ihm und seinen Nachkommen
nichts übrig blieb, als der Königstitel.


Merope und Aepytus.

Kein besseres Loos, als seinen Bruder Temenus, traf
den König von Messene, Kresphontes. Dieser hatte die
Tochter des Königes Cypselus von Arkadien, Merope,
geheirathet, die ihrem Gemahl viele Kinder gebar, unter
welchen Aepytus das jüngste war. Für seine vielen
Söhne und sich selbst erbaute er im Lande eine stattliche Kö¬
nigsburg. Er selbst war ein Freund des gemeinen Vol¬
kes, und begünstigte dieses, wo er konnte, in seiner Ver¬
waltung. Darüber empörten sich die Reichen und er¬
schlugen ihn sammt allen seinen Söhnen, bis auf den
jüngsten, Aepytus. Diesen entzog die Mutter den Hän¬
den der Mörder und rettete ihn glücklich zu ihrem Vater

bergigte Hirtenland Arkadien unbeſiegt durch die Hera¬
kliden. Von den drei Reichen, die ſie auf dieſer Halb¬
inſel begründeten, hatte nur Sparta eine längere Dauer.
Zu Argos hatte Temenus dem Deïphontes, auch einem
Ururenkel des Herkules, ſeine Tochter Hyrnetho, die er
unter allen ſeinen Kindern am meiſten liebte, zur Ehe
gegeben, und zog ihn in Allem zu Rathe, ſo daß man
vermuthete, daß er ihm und ſeiner Tochter auch die
Regierung zuwenden wolle. Darüber ergrimmten ſeine
eigenen Söhne, verſchworen ſich gegen ihn und erſchlugen
ihren Vater. Die Argiver aber erkannten zwar den
älteſten Sohn als König; weil ſie aber Freiheit und
Gleichheit vor Allem liebten, ſo beſchränkten ſie die Kö¬
nigsgewalt ſo ſehr, daß ihm und ſeinen Nachkommen
nichts übrig blieb, als der Königstitel.


Merope und Aepytus.

Kein beſſeres Loos, als ſeinen Bruder Temenus, traf
den König von Meſſene, Kreſphontes. Dieſer hatte die
Tochter des Königes Cypſelus von Arkadien, Merope,
geheirathet, die ihrem Gemahl viele Kinder gebar, unter
welchen Aepytus das jüngſte war. Für ſeine vielen
Söhne und ſich ſelbſt erbaute er im Lande eine ſtattliche Kö¬
nigsburg. Er ſelbſt war ein Freund des gemeinen Vol¬
kes, und begünſtigte dieſes, wo er konnte, in ſeiner Ver¬
waltung. Darüber empörten ſich die Reichen und er¬
ſchlugen ihn ſammt allen ſeinen Söhnen, bis auf den
jüngſten, Aepytus. Dieſen entzog die Mutter den Hän¬
den der Mörder und rettete ihn glücklich zu ihrem Vater

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[408/0434] bergigte Hirtenland Arkadien unbeſiegt durch die Hera¬ kliden. Von den drei Reichen, die ſie auf dieſer Halb¬ inſel begründeten, hatte nur Sparta eine längere Dauer. Zu Argos hatte Temenus dem Deïphontes, auch einem Ururenkel des Herkules, ſeine Tochter Hyrnetho, die er unter allen ſeinen Kindern am meiſten liebte, zur Ehe gegeben, und zog ihn in Allem zu Rathe, ſo daß man vermuthete, daß er ihm und ſeiner Tochter auch die Regierung zuwenden wolle. Darüber ergrimmten ſeine eigenen Söhne, verſchworen ſich gegen ihn und erſchlugen ihren Vater. Die Argiver aber erkannten zwar den älteſten Sohn als König; weil ſie aber Freiheit und Gleichheit vor Allem liebten, ſo beſchränkten ſie die Kö¬ nigsgewalt ſo ſehr, daß ihm und ſeinen Nachkommen nichts übrig blieb, als der Königstitel. Merope und Aepytus. Kein beſſeres Loos, als ſeinen Bruder Temenus, traf den König von Meſſene, Kreſphontes. Dieſer hatte die Tochter des Königes Cypſelus von Arkadien, Merope, geheirathet, die ihrem Gemahl viele Kinder gebar, unter welchen Aepytus das jüngſte war. Für ſeine vielen Söhne und ſich ſelbſt erbaute er im Lande eine ſtattliche Kö¬ nigsburg. Er ſelbſt war ein Freund des gemeinen Vol¬ kes, und begünſtigte dieſes, wo er konnte, in ſeiner Ver¬ waltung. Darüber empörten ſich die Reichen und er¬ ſchlugen ihn ſammt allen ſeinen Söhnen, bis auf den jüngſten, Aepytus. Dieſen entzog die Mutter den Hän¬ den der Mörder und rettete ihn glücklich zu ihrem Vater

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/434>, abgerufen am 24.04.2024.