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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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Troja's Erbauung.

In uralten Zeiten wohnten auf der Insel Samothrace,
im ägäischen Meere, zwei Brüder, Iasion und Dardanus,
Söhne des Jupiter und einer Nymphe, Fürsten des Lan¬
des. Von diesen wagte Iasion, als ein Göttersohn, seine
Augen zu einer Tochter des Olymp zu erheben, warf eine
ungestüme Neigung auf die Göttin Demeter [Ceres], und
wurde zur Strafe seiner Kühnheit vom eigenen Vater mit
dem Blitze erschlagen. Dardanus, der andere Sohn, ver¬
ließ, tief betrübt über den Tod seines Bruders, Reich und
Heimath, und ging hinüber auf das asiatische Festland, an
die Küste Mysiens, da wo die Flüsse Simois und Ska¬
mander vereinigt in das Meer strömen, und das hohe
Idagebirge sich nach dem Meere abgedacht in eine Ebene
verliert. Hier herrschte der König Teucer, Kretischen Ur¬
sprungs, und nach ihm hieß auch das Hirtenvolk jener
Gegenden Teukrer. Von diesem Könige wurde Dar¬
danus gastfreundlich aufgenommen, bekam einen Strich
Landes zum Eigenthum und die Tochter des Königes zur
Gemahlin. Er gründete eine Ansiedlung, das Land wurde
nach ihm Dardania und das Volk der Teukrer von nun
an Dardaner genannt. Ihm folgte sein Sohn Erichthonius
in der Herrschaft, und dieser zeugte den Tros, nach wel¬
chem die Landschaft nun Troas, der offene Hauptort des
Landes Troja, und Teukrer oder Dardaner jetzt auch

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Troja's Erbauung.

In uralten Zeiten wohnten auf der Inſel Samothrace,
im ägäiſchen Meere, zwei Brüder, Iaſion und Dardanus,
Söhne des Jupiter und einer Nymphe, Fürſten des Lan¬
des. Von dieſen wagte Iaſion, als ein Götterſohn, ſeine
Augen zu einer Tochter des Olymp zu erheben, warf eine
ungeſtüme Neigung auf die Göttin Demeter [Ceres], und
wurde zur Strafe ſeiner Kühnheit vom eigenen Vater mit
dem Blitze erſchlagen. Dardanus, der andere Sohn, ver¬
ließ, tief betrübt über den Tod ſeines Bruders, Reich und
Heimath, und ging hinüber auf das aſiatiſche Feſtland, an
die Küſte Myſiens, da wo die Flüſſe Simois und Ska¬
mander vereinigt in das Meer ſtrömen, und das hohe
Idagebirge ſich nach dem Meere abgedacht in eine Ebene
verliert. Hier herrſchte der König Teucer, Kretiſchen Ur¬
ſprungs, und nach ihm hieß auch das Hirtenvolk jener
Gegenden Teukrer. Von dieſem Könige wurde Dar¬
danus gaſtfreundlich aufgenommen, bekam einen Strich
Landes zum Eigenthum und die Tochter des Königes zur
Gemahlin. Er gründete eine Anſiedlung, das Land wurde
nach ihm Dardania und das Volk der Teukrer von nun
an Dardaner genannt. Ihm folgte ſein Sohn Erichthonius
in der Herrſchaft, und dieſer zeugte den Tros, nach wel¬
chem die Landſchaft nun Troas, der offene Hauptort des
Landes Troja, und Teukrer oder Dardaner jetzt auch

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[[3]/0025] Troja's Erbauung. In uralten Zeiten wohnten auf der Inſel Samothrace, im ägäiſchen Meere, zwei Brüder, Iaſion und Dardanus, Söhne des Jupiter und einer Nymphe, Fürſten des Lan¬ des. Von dieſen wagte Iaſion, als ein Götterſohn, ſeine Augen zu einer Tochter des Olymp zu erheben, warf eine ungeſtüme Neigung auf die Göttin Demeter [Ceres], und wurde zur Strafe ſeiner Kühnheit vom eigenen Vater mit dem Blitze erſchlagen. Dardanus, der andere Sohn, ver¬ ließ, tief betrübt über den Tod ſeines Bruders, Reich und Heimath, und ging hinüber auf das aſiatiſche Feſtland, an die Küſte Myſiens, da wo die Flüſſe Simois und Ska¬ mander vereinigt in das Meer ſtrömen, und das hohe Idagebirge ſich nach dem Meere abgedacht in eine Ebene verliert. Hier herrſchte der König Teucer, Kretiſchen Ur¬ ſprungs, und nach ihm hieß auch das Hirtenvolk jener Gegenden Teukrer. Von dieſem Könige wurde Dar¬ danus gaſtfreundlich aufgenommen, bekam einen Strich Landes zum Eigenthum und die Tochter des Königes zur Gemahlin. Er gründete eine Anſiedlung, das Land wurde nach ihm Dardania und das Volk der Teukrer von nun an Dardaner genannt. Ihm folgte ſein Sohn Erichthonius in der Herrſchaft, und dieſer zeugte den Tros, nach wel¬ chem die Landſchaft nun Troas, der offene Hauptort des Landes Troja, und Teukrer oder Dardaner jetzt auch 1 *

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/25>, abgerufen am 29.03.2024.