Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

sie von zarter Kindheit an im Hause des Brises auf¬
gewachsen war; sie hatte sich, vor die griechischen Helden
geführt, zu Achilles Füßen geworfen und flehte ihn unter
Thränen an, sie nicht von ihrer lieben Herrin trennen zu
lassen. Nur Astynome, die Tochter des Priesters Chryses,
wurde dem Völkerhirten Agamemnon, seine Königswürde
zu ehren, zugesprochen und von Achilles auch willig abge¬
treten. Die andre Kriegsbeute an Gefangenen und Mund¬
vorrath ward Mann für Mann unter das griechische Heer
vertheilt.

Dann brachte Ajax, von Odysseus und Diomedes
aufgefordert, die Schätze des Königes Polymnestor aus
seinen Schiffen herbei, und es wurde auch davon dem
Könige Agamemnon ein schöner Theil an Gold und Sil¬
ber zugeschieden.


Polydorus.

Endlich beriethen sich die Helden über den allerkost¬
barsten Theil der Beute, über den Knaben Polydorus,
den Sohn des Königes Priamus, und nach kurzer Rath¬
schlagung wurde einstimmig beschlossen, daß Odysseus und
Diomedes als Gesandte zu König Priamus abgeordnet
werden sollten, und ihm die Uebergabe seines jungen Soh¬
nes anbieten, sobald Helena den Gesandten Griechenlands
ausgeliefert seyn würde. Den beiden Helden wurde der
Gemahl der geraubten Fürstin, Menelaus, als dritter Ge¬
sandter beigegeben, und so machten sich alle drei mit dem
jungen Polydorus auf den Weg, und wurden unter dem

ſie von zarter Kindheit an im Hauſe des Briſes auf¬
gewachſen war; ſie hatte ſich, vor die griechiſchen Helden
geführt, zu Achilles Füßen geworfen und flehte ihn unter
Thränen an, ſie nicht von ihrer lieben Herrin trennen zu
laſſen. Nur Aſtynome, die Tochter des Prieſters Chryſes,
wurde dem Völkerhirten Agamemnon, ſeine Königswürde
zu ehren, zugeſprochen und von Achilles auch willig abge¬
treten. Die andre Kriegsbeute an Gefangenen und Mund¬
vorrath ward Mann für Mann unter das griechiſche Heer
vertheilt.

Dann brachte Ajax, von Odyſſeus und Diomedes
aufgefordert, die Schätze des Königes Polymneſtor aus
ſeinen Schiffen herbei, und es wurde auch davon dem
Könige Agamemnon ein ſchöner Theil an Gold und Sil¬
ber zugeſchieden.


Polydorus.

Endlich beriethen ſich die Helden über den allerkoſt¬
barſten Theil der Beute, über den Knaben Polydorus,
den Sohn des Königes Priamus, und nach kurzer Rath¬
ſchlagung wurde einſtimmig beſchloſſen, daß Odyſſeus und
Diomedes als Geſandte zu König Priamus abgeordnet
werden ſollten, und ihm die Uebergabe ſeines jungen Soh¬
nes anbieten, ſobald Helena den Geſandten Griechenlands
ausgeliefert ſeyn würde. Den beiden Helden wurde der
Gemahl der geraubten Fürſtin, Menelaus, als dritter Ge¬
ſandter beigegeben, und ſo machten ſich alle drei mit dem
jungen Polydorus auf den Weg, und wurden unter dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0099" n="77"/>
&#x017F;ie von zarter Kindheit an im Hau&#x017F;e des Bri&#x017F;es auf¬<lb/>
gewach&#x017F;en war; &#x017F;ie hatte &#x017F;ich, vor die griechi&#x017F;chen Helden<lb/>
geführt, zu Achilles Füßen geworfen und flehte ihn unter<lb/>
Thränen an, &#x017F;ie nicht von ihrer lieben Herrin trennen zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Nur A&#x017F;tynome, die Tochter des Prie&#x017F;ters Chry&#x017F;es,<lb/>
wurde dem Völkerhirten Agamemnon, &#x017F;eine Königswürde<lb/>
zu ehren, zuge&#x017F;prochen und von Achilles auch willig abge¬<lb/>
treten. Die andre Kriegsbeute an Gefangenen und Mund¬<lb/>
vorrath ward Mann für Mann unter das griechi&#x017F;che Heer<lb/>
vertheilt.</p><lb/>
          <p>Dann brachte Ajax, von Ody&#x017F;&#x017F;eus und Diomedes<lb/>
aufgefordert, die Schätze des Königes Polymne&#x017F;tor aus<lb/>
&#x017F;einen Schiffen herbei, und es wurde auch davon dem<lb/>
Könige Agamemnon ein &#x017F;chöner Theil an Gold und Sil¬<lb/>
ber zuge&#x017F;chieden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Polydorus.</hi><lb/>
          </head>
          <p>Endlich beriethen &#x017F;ich die Helden über den allerko&#x017F;<lb/>
bar&#x017F;ten Theil der Beute, über den Knaben Polydorus,<lb/>
den Sohn des Königes Priamus, und nach kurzer Rath¬<lb/>
&#x017F;chlagung wurde ein&#x017F;timmig be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, daß Ody&#x017F;&#x017F;eus und<lb/>
Diomedes als Ge&#x017F;andte zu König Priamus abgeordnet<lb/>
werden &#x017F;ollten, und ihm die Uebergabe &#x017F;eines jungen Soh¬<lb/>
nes anbieten, &#x017F;obald Helena den Ge&#x017F;andten Griechenlands<lb/>
ausgeliefert &#x017F;eyn würde. Den beiden Helden wurde der<lb/>
Gemahl der geraubten Für&#x017F;tin, Menelaus, als dritter Ge¬<lb/>
&#x017F;andter beigegeben, und &#x017F;o machten &#x017F;ich alle drei mit dem<lb/>
jungen Polydorus auf den Weg, und wurden unter dem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0099] ſie von zarter Kindheit an im Hauſe des Briſes auf¬ gewachſen war; ſie hatte ſich, vor die griechiſchen Helden geführt, zu Achilles Füßen geworfen und flehte ihn unter Thränen an, ſie nicht von ihrer lieben Herrin trennen zu laſſen. Nur Aſtynome, die Tochter des Prieſters Chryſes, wurde dem Völkerhirten Agamemnon, ſeine Königswürde zu ehren, zugeſprochen und von Achilles auch willig abge¬ treten. Die andre Kriegsbeute an Gefangenen und Mund¬ vorrath ward Mann für Mann unter das griechiſche Heer vertheilt. Dann brachte Ajax, von Odyſſeus und Diomedes aufgefordert, die Schätze des Königes Polymneſtor aus ſeinen Schiffen herbei, und es wurde auch davon dem Könige Agamemnon ein ſchöner Theil an Gold und Sil¬ ber zugeſchieden. Polydorus. Endlich beriethen ſich die Helden über den allerkoſt¬ barſten Theil der Beute, über den Knaben Polydorus, den Sohn des Königes Priamus, und nach kurzer Rath¬ ſchlagung wurde einſtimmig beſchloſſen, daß Odyſſeus und Diomedes als Geſandte zu König Priamus abgeordnet werden ſollten, und ihm die Uebergabe ſeines jungen Soh¬ nes anbieten, ſobald Helena den Geſandten Griechenlands ausgeliefert ſeyn würde. Den beiden Helden wurde der Gemahl der geraubten Fürſtin, Menelaus, als dritter Ge¬ ſandter beigegeben, und ſo machten ſich alle drei mit dem jungen Polydorus auf den Weg, und wurden unter dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/99
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/99>, abgerufen am 28.03.2024.