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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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Neue Schlacht. Kamilla fällt.

Die Versammlung stäubte auseinander, aus der
ganzen Stadt warf sich Alles in Hast auf die Mauern.
Die Stadtthore wurden mit Gräben verschanzt, Steine
wurden aufgehäuft, Pallisaden in den Boden gerammelt,
das Schlachthorn schmetterte, Mütter und Männer stell¬
ten sich in bunten Reihen auf den Mauerkranz. Auf
einem hohen Wagen fuhr die Königin Amata, und an
ihrer Seite ihre Tochter Lavinia, die Ursache so vielen
Leides, ihre reizenden Augen auf den Boden gesenkt,
durch den Schwarm der Frauen nach der Burg der
Stadt, um dort im Tempel der Minerva Gebet und
Opfer darzubringen.

Turnus selbst gürtete sich eilig zum Kampfe. Bald
starrte er im schuppigen Erzharnische, legte sich die Gold¬
schienen an die Beine, und schnallte sich das Schwert
an die Seite. Dann setzte er sich den goldenen Helm
aufs Haupt, und eilte, funkelnd vom Kopfe bis auf die
Sohlen, und frohlockend in Siegeshoffnung, von der
Königsburg hinab. Unter dem Thore begegnete ihm
Kamilla, hinter sich den Zug ihrer Volsker. Als sie den
Helden erblickte, sprang die jungfräuliche Königin vom
Rosse, und ihr folgte das ganze Geschwader. Dann
sprach sie zu dem Rutulerfürsten: "Turnus, wenn an¬
ders ein Starker mit Recht auf sich selbst vertraut, so ge¬
lobe ich heute, die Schaar des Aeneas zu bestehen, und
mich allein mit meinen volskischen Reitern ihm entgegenzu¬
werfen."

Neue Schlacht. Kamilla fällt.

Die Verſammlung ſtäubte auseinander, aus der
ganzen Stadt warf ſich Alles in Haſt auf die Mauern.
Die Stadtthore wurden mit Gräben verſchanzt, Steine
wurden aufgehäuft, Palliſaden in den Boden gerammelt,
das Schlachthorn ſchmetterte, Mütter und Männer ſtell¬
ten ſich in bunten Reihen auf den Mauerkranz. Auf
einem hohen Wagen fuhr die Königin Amata, und an
ihrer Seite ihre Tochter Lavinia, die Urſache ſo vielen
Leides, ihre reizenden Augen auf den Boden geſenkt,
durch den Schwarm der Frauen nach der Burg der
Stadt, um dort im Tempel der Minerva Gebet und
Opfer darzubringen.

Turnus ſelbſt gürtete ſich eilig zum Kampfe. Bald
ſtarrte er im ſchuppigen Erzharniſche, legte ſich die Gold¬
ſchienen an die Beine, und ſchnallte ſich das Schwert
an die Seite. Dann ſetzte er ſich den goldenen Helm
aufs Haupt, und eilte, funkelnd vom Kopfe bis auf die
Sohlen, und frohlockend in Siegeshoffnung, von der
Königsburg hinab. Unter dem Thore begegnete ihm
Kamilla, hinter ſich den Zug ihrer Volsker. Als ſie den
Helden erblickte, ſprang die jungfräuliche Königin vom
Roſſe, und ihr folgte das ganze Geſchwader. Dann
ſprach ſie zu dem Rutulerfürſten: „Turnus, wenn an¬
ders ein Starker mit Recht auf ſich ſelbſt vertraut, ſo ge¬
lobe ich heute, die Schaar des Aeneas zu beſtehen, und
mich allein mit meinen volskiſchen Reitern ihm entgegenzu¬
werfen.“

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[413/0435] Neue Schlacht. Kamilla fällt. Die Verſammlung ſtäubte auseinander, aus der ganzen Stadt warf ſich Alles in Haſt auf die Mauern. Die Stadtthore wurden mit Gräben verſchanzt, Steine wurden aufgehäuft, Palliſaden in den Boden gerammelt, das Schlachthorn ſchmetterte, Mütter und Männer ſtell¬ ten ſich in bunten Reihen auf den Mauerkranz. Auf einem hohen Wagen fuhr die Königin Amata, und an ihrer Seite ihre Tochter Lavinia, die Urſache ſo vielen Leides, ihre reizenden Augen auf den Boden geſenkt, durch den Schwarm der Frauen nach der Burg der Stadt, um dort im Tempel der Minerva Gebet und Opfer darzubringen. Turnus ſelbſt gürtete ſich eilig zum Kampfe. Bald ſtarrte er im ſchuppigen Erzharniſche, legte ſich die Gold¬ ſchienen an die Beine, und ſchnallte ſich das Schwert an die Seite. Dann ſetzte er ſich den goldenen Helm aufs Haupt, und eilte, funkelnd vom Kopfe bis auf die Sohlen, und frohlockend in Siegeshoffnung, von der Königsburg hinab. Unter dem Thore begegnete ihm Kamilla, hinter ſich den Zug ihrer Volsker. Als ſie den Helden erblickte, ſprang die jungfräuliche Königin vom Roſſe, und ihr folgte das ganze Geſchwader. Dann ſprach ſie zu dem Rutulerfürſten: „Turnus, wenn an¬ ders ein Starker mit Recht auf ſich ſelbſt vertraut, ſo ge¬ lobe ich heute, die Schaar des Aeneas zu beſtehen, und mich allein mit meinen volskiſchen Reitern ihm entgegenzu¬ werfen.“

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/435>, abgerufen am 19.04.2024.