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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Dritter Abschnitt.


Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren.
Der Bessemerproceß.

Auf Seite 25 haben wir die Operationen, welche die Umwandlung des Roh-
eisens in schmiedebares Eisen betreffen, in zwei Gruppen geschieden: in jene
Verfahren, durch welche der Rohstoff in eine schmiedebare Masse verwandelt

wird, ohne daß es zum Schmelzen kommt (Schweißeisen und Schweißstahl), und
in jene Verfahren, durch welche der Rohstoff in eine flüssige Masse, die hernach
schmiedebar ist, verwandelt wird. Die auf die letztere Weise erhaltenen Producte
nennt man Flußeisen beziehungsweise Flußstahl.

Die Stahlfabrikation auf dem Wege des Cementirens und nachherigen Um-
gießens in Tiegeln ist, wie wir gesehen haben, sehr kostspielig; außerdem verlangt
diese Herstellungsart nicht weniger als drei Operationen: die Entkohlung des Roh-
eisens im Puddelofen, wodurch es in Schmiedeeisen verwandelt wird; alsdann die
Rückkohlung des Schmiedeeisens durch Einpackung in Kohlepulver, um Cementstahl
zu gewinnen, und schließlich das Umschmelzen der letzteren im schärfsten Feuer in
Tiegeln.

Billigeren Stahl verschaffte der Welt erst Heinrich Bessemer, ein englischer
Ingenieur, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, geschmolzenes Schmiedeeisen zu
erzeugen, und zwar "ohne Brennmaterialverbrauch". Zu diesem Ende trieb er durch
geschmolzenes Roheisen einen kräftigen Luftstrom, der durch zahlreiche Düsen vertheilt
wurde. Der Sauerstoff der Luft verbrannte das Silicium, die Kohle und einen
Theil des Eisens unter so gewaltiger Temperatursteigerung, daß das rückständige
reine Schmiedeeisen dünnflüssig einschmolz, was bis dahin niemals im Großen
gelungen war. Leider zeigte sich das Product grobkörnig krystallinisch und zerbrach
sehr leicht. Das Eisen war, wie man es schon vorher bei unvorsichtigem Schmieden
beobachtet hatte, gründlich verbrannt; es war Oxyd mit dem Metall vermengt,
wodurch der Zusammenhang und die Festigkeit zerstört waren.

Erst als Bessemer das reinste, an Silicium reichste Roheisen, dem nur
Spuren von Schwefel und Phosphor anhafteten, verwendete und durch die ge-


Dritter Abſchnitt.


Die Converter-Proceſſe und das Martin-Verfahren.
Der Beſſemerproceß.

Auf Seite 25 haben wir die Operationen, welche die Umwandlung des Roh-
eiſens in ſchmiedebares Eiſen betreffen, in zwei Gruppen geſchieden: in jene
Verfahren, durch welche der Rohſtoff in eine ſchmiedebare Maſſe verwandelt

wird, ohne daß es zum Schmelzen kommt (Schweißeiſen und Schweißſtahl), und
in jene Verfahren, durch welche der Rohſtoff in eine flüſſige Maſſe, die hernach
ſchmiedebar iſt, verwandelt wird. Die auf die letztere Weiſe erhaltenen Producte
nennt man Flußeiſen beziehungsweiſe Flußſtahl.

Die Stahlfabrikation auf dem Wege des Cementirens und nachherigen Um-
gießens in Tiegeln iſt, wie wir geſehen haben, ſehr koſtſpielig; außerdem verlangt
dieſe Herſtellungsart nicht weniger als drei Operationen: die Entkohlung des Roh-
eiſens im Puddelofen, wodurch es in Schmiedeeiſen verwandelt wird; alsdann die
Rückkohlung des Schmiedeeiſens durch Einpackung in Kohlepulver, um Cementſtahl
zu gewinnen, und ſchließlich das Umſchmelzen der letzteren im ſchärfſten Feuer in
Tiegeln.

Billigeren Stahl verſchaffte der Welt erſt Heinrich Beſſemer, ein engliſcher
Ingenieur, der es ſich in den Kopf geſetzt hatte, geſchmolzenes Schmiedeeiſen zu
erzeugen, und zwar »ohne Brennmaterialverbrauch«. Zu dieſem Ende trieb er durch
geſchmolzenes Roheiſen einen kräftigen Luftſtrom, der durch zahlreiche Düſen vertheilt
wurde. Der Sauerſtoff der Luft verbrannte das Silicium, die Kohle und einen
Theil des Eiſens unter ſo gewaltiger Temperaturſteigerung, daß das rückſtändige
reine Schmiedeeiſen dünnflüſſig einſchmolz, was bis dahin niemals im Großen
gelungen war. Leider zeigte ſich das Product grobkörnig kryſtalliniſch und zerbrach
ſehr leicht. Das Eiſen war, wie man es ſchon vorher bei unvorſichtigem Schmieden
beobachtet hatte, gründlich verbrannt; es war Oxyd mit dem Metall vermengt,
wodurch der Zuſammenhang und die Feſtigkeit zerſtört waren.

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Spuren von Schwefel und Phosphor anhafteten, verwendete und durch die ge-

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[60/0080] Dritter Abſchnitt. Die Converter-Proceſſe und das Martin-Verfahren. Der Beſſemerproceß. Auf Seite 25 haben wir die Operationen, welche die Umwandlung des Roh- eiſens in ſchmiedebares Eiſen betreffen, in zwei Gruppen geſchieden: in jene Verfahren, durch welche der Rohſtoff in eine ſchmiedebare Maſſe verwandelt wird, ohne daß es zum Schmelzen kommt (Schweißeiſen und Schweißſtahl), und in jene Verfahren, durch welche der Rohſtoff in eine flüſſige Maſſe, die hernach ſchmiedebar iſt, verwandelt wird. Die auf die letztere Weiſe erhaltenen Producte nennt man Flußeiſen beziehungsweiſe Flußſtahl. Die Stahlfabrikation auf dem Wege des Cementirens und nachherigen Um- gießens in Tiegeln iſt, wie wir geſehen haben, ſehr koſtſpielig; außerdem verlangt dieſe Herſtellungsart nicht weniger als drei Operationen: die Entkohlung des Roh- eiſens im Puddelofen, wodurch es in Schmiedeeiſen verwandelt wird; alsdann die Rückkohlung des Schmiedeeiſens durch Einpackung in Kohlepulver, um Cementſtahl zu gewinnen, und ſchließlich das Umſchmelzen der letzteren im ſchärfſten Feuer in Tiegeln. Billigeren Stahl verſchaffte der Welt erſt Heinrich Beſſemer, ein engliſcher Ingenieur, der es ſich in den Kopf geſetzt hatte, geſchmolzenes Schmiedeeiſen zu erzeugen, und zwar »ohne Brennmaterialverbrauch«. Zu dieſem Ende trieb er durch geſchmolzenes Roheiſen einen kräftigen Luftſtrom, der durch zahlreiche Düſen vertheilt wurde. Der Sauerſtoff der Luft verbrannte das Silicium, die Kohle und einen Theil des Eiſens unter ſo gewaltiger Temperaturſteigerung, daß das rückſtändige reine Schmiedeeiſen dünnflüſſig einſchmolz, was bis dahin niemals im Großen gelungen war. Leider zeigte ſich das Product grobkörnig kryſtalliniſch und zerbrach ſehr leicht. Das Eiſen war, wie man es ſchon vorher bei unvorſichtigem Schmieden beobachtet hatte, gründlich verbrannt; es war Oxyd mit dem Metall vermengt, wodurch der Zuſammenhang und die Feſtigkeit zerſtört waren. Erſt als Beſſemer das reinſte, an Silicium reichſte Roheiſen, dem nur Spuren von Schwefel und Phosphor anhafteten, verwendete und durch die ge-

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/80>, abgerufen am 28.03.2024.