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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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Da ich nicht Kaufmann bin und nach den Bemer¬
kungen meiner Freunde durchaus keine merkantilische
Seele habe, wirst Du von mir über Triest wohl nicht
viel hören können, wo alles merkantilisch ist. In
Prewald wohnte ich bey den drey Schwestern, die,
wenn ich mich nicht irre, Herr Küttner schon nennt.
Die Mädchen treiben eine gar drollige Wirthschaft,
und ich befand mich bey ihnen leidlich genug. Zuerst
waren sie etwas barsch und behandelten mich wie
man einen gewöhnlichen Tornistermann zu behandeln
pflegt. Da sie aber eine goldene Uhr sahen und mit
hartem Gelde klimpern hörten, wurden sie ziemlich
höflich und sogar sehr freundlich. Zum Abendgesell¬
schafter traf ich einen katholischen Feldprediger, der
von Triest war, bey den Oestreichern einige Zeit in
Udine gestanden hatte und nun hier ganz allein bey
den Mädchen gar gemächlich in Kantonnierung zu
liegen schien. Eine von den Schwestern war noch ein
ganz hübsches Stückchen Erbsünde, und hätte wohl
einen ehrlichen Kerl etwas an die sechste Bitte erin¬
nern können. Die erste Bekanntschaft mit den drey
Personagen, ich nennte sie gerne Grazien wenn ich
nicht historisch zu gewissenhaft wäre, machte ich drol¬
lig genug in der Küche, wo sie sich alle drey auf
Stühlen oben auf dem grossen Herde um ein ziemlich
starkes Feuer hergepflanzt und im Fond des hintern
Winkels an der Wand den Mann Gottes hatten, der
ihnen Hanswurstiaden so possierlich vormachte, dass


Da ich nicht Kaufmann bin und nach den Bemer¬
kungen meiner Freunde durchaus keine merkantilische
Seele habe, wirst Du von mir über Triest wohl nicht
viel hören können, wo alles merkantilisch ist. In
Prewald wohnte ich bey den drey Schwestern, die,
wenn ich mich nicht irre, Herr Küttner schon nennt.
Die Mädchen treiben eine gar drollige Wirthschaft,
und ich befand mich bey ihnen leidlich genug. Zuerst
waren sie etwas barsch und behandelten mich wie
man einen gewöhnlichen Tornistermann zu behandeln
pflegt. Da sie aber eine goldene Uhr sahen und mit
hartem Gelde klimpern hörten, wurden sie ziemlich
höflich und sogar sehr freundlich. Zum Abendgesell¬
schafter traf ich einen katholischen Feldprediger, der
von Triest war, bey den Oestreichern einige Zeit in
Udine gestanden hatte und nun hier ganz allein bey
den Mädchen gar gemächlich in Kantonnierung zu
liegen schien. Eine von den Schwestern war noch ein
ganz hübsches Stückchen Erbsünde, und hätte wohl
einen ehrlichen Kerl etwas an die sechste Bitte erin¬
nern können. Die erste Bekanntschaft mit den drey
Personagen, ich nennte sie gerne Grazien wenn ich
nicht historisch zu gewissenhaft wäre, machte ich drol¬
lig genug in der Küche, wo sie sich alle drey auf
Stühlen oben auf dem groſsen Herde um ein ziemlich
starkes Feuer hergepflanzt und im Fond des hintern
Winkels an der Wand den Mann Gottes hatten, der
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[[77]/0103] Triest. Da ich nicht Kaufmann bin und nach den Bemer¬ kungen meiner Freunde durchaus keine merkantilische Seele habe, wirst Du von mir über Triest wohl nicht viel hören können, wo alles merkantilisch ist. In Prewald wohnte ich bey den drey Schwestern, die, wenn ich mich nicht irre, Herr Küttner schon nennt. Die Mädchen treiben eine gar drollige Wirthschaft, und ich befand mich bey ihnen leidlich genug. Zuerst waren sie etwas barsch und behandelten mich wie man einen gewöhnlichen Tornistermann zu behandeln pflegt. Da sie aber eine goldene Uhr sahen und mit hartem Gelde klimpern hörten, wurden sie ziemlich höflich und sogar sehr freundlich. Zum Abendgesell¬ schafter traf ich einen katholischen Feldprediger, der von Triest war, bey den Oestreichern einige Zeit in Udine gestanden hatte und nun hier ganz allein bey den Mädchen gar gemächlich in Kantonnierung zu liegen schien. Eine von den Schwestern war noch ein ganz hübsches Stückchen Erbsünde, und hätte wohl einen ehrlichen Kerl etwas an die sechste Bitte erin¬ nern können. Die erste Bekanntschaft mit den drey Personagen, ich nennte sie gerne Grazien wenn ich nicht historisch zu gewissenhaft wäre, machte ich drol¬ lig genug in der Küche, wo sie sich alle drey auf Stühlen oben auf dem groſsen Herde um ein ziemlich starkes Feuer hergepflanzt und im Fond des hintern Winkels an der Wand den Mann Gottes hatten, der ihnen Hanswurstiaden so possierlich vormachte, daſs

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. [77]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/103>, abgerufen am 16.04.2024.