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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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Papiermühlen des Papstes angelegt, die zu den besten
in ltalien gehören sollen. Oben sind die Berge kahl,
zeigen dann nach und nach Gesträuche, geben dann
Oehlbäume und haben am Fusse üppige Weingärten.
Hier sah ich, glaube ich, zuerst die perennierende
Eiche, die in Rom eine der ersten Zierden des Bor¬
ghesischen Gartens ist. Auf der Höhe des Weges soll
man hier, wenn das Wetter rein und hell ist, bis
nach Assisi und Perugia an dem alten Thrasymen se¬
hen können. Ich war nicht so glücklich; es war ziem¬
lich umwölkt: aber doch war es ein herrlicher An¬
blick. Wer nun ein Kerl wäre, der etwas ordentli¬
ches gelernt hätte! Hier komme ich nun schon in
das Land, wo kein Stein ohne Namen ist. Mit ma¬
gischen Wolken überzogen liegt das alte finstere Fo¬
ligno unten im Thale, wo der Segen Hesperiens ruht.
Rechts und links liegen Anhöhen mit Gebäuden, die
gewiss in der Vorzeit alle merkwürdig waren. Links
hinunter weideten ehemahls die vom Klitumnus weiss¬
gefärbten Stiere, welche die Weltbeherrscher zu ihren
Opfern in die Hauptstadt holten; und tief tief weiter
hinab liegt in einer Bergschlucht das alte Spoleto, vor
dessen Thoren das vom Thrasymen siegreich herab¬
stürzende Heer Hannibals zum ersten Mahl von einer
Munizipalstadt fürchterlich zurückgeschlagen wurde.
In Foligno ist nicht viel zu sehen, nachdem die neuen
Gallier das schöne Madonnenbild mit genommen ha¬
ben. Die Kathedralkirche wird jetzt ausgebessert, und
mich däucht mit Geschmack. Man hatte mich in die
Post einquartiert, wo man mich zwar ziemlich gut
bewirthete, aber ungeheuer bezahlen liess. Eine Be¬

Papiermühlen des Papstes angelegt, die zu den besten
in ltalien gehören sollen. Oben sind die Berge kahl,
zeigen dann nach und nach Gesträuche, geben dann
Oehlbäume und haben am Fuſse üppige Weingärten.
Hier sah ich, glaube ich, zuerst die perennierende
Eiche, die in Rom eine der ersten Zierden des Bor¬
ghesischen Gartens ist. Auf der Höhe des Weges soll
man hier, wenn das Wetter rein und hell ist, bis
nach Assisi und Perugia an dem alten Thrasymen se¬
hen können. Ich war nicht so glücklich; es war ziem¬
lich umwölkt: aber doch war es ein herrlicher An¬
blick. Wer nun ein Kerl wäre, der etwas ordentli¬
ches gelernt hätte! Hier komme ich nun schon in
das Land, wo kein Stein ohne Namen ist. Mit ma¬
gischen Wolken überzogen liegt das alte finstere Fo¬
ligno unten im Thale, wo der Segen Hesperiens ruht.
Rechts und links liegen Anhöhen mit Gebäuden, die
gewiſs in der Vorzeit alle merkwürdig waren. Links
hinunter weideten ehemahls die vom Klitumnus weiſs¬
gefärbten Stiere, welche die Weltbeherrscher zu ihren
Opfern in die Hauptstadt holten; und tief tief weiter
hinab liegt in einer Bergschlucht das alte Spoleto, vor
dessen Thoren das vom Thrasymen siegreich herab¬
stürzende Heer Hannibals zum ersten Mahl von einer
Munizipalstadt fürchterlich zurückgeschlagen wurde.
In Foligno ist nicht viel zu sehen, nachdem die neuen
Gallier das schöne Madonnenbild mit genommen ha¬
ben. Die Kathedralkirche wird jetzt ausgebessert, und
mich däucht mit Geschmack. Man hatte mich in die
Post einquartiert, wo man mich zwar ziemlich gut
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[142/0168] Papiermühlen des Papstes angelegt, die zu den besten in ltalien gehören sollen. Oben sind die Berge kahl, zeigen dann nach und nach Gesträuche, geben dann Oehlbäume und haben am Fuſse üppige Weingärten. Hier sah ich, glaube ich, zuerst die perennierende Eiche, die in Rom eine der ersten Zierden des Bor¬ ghesischen Gartens ist. Auf der Höhe des Weges soll man hier, wenn das Wetter rein und hell ist, bis nach Assisi und Perugia an dem alten Thrasymen se¬ hen können. Ich war nicht so glücklich; es war ziem¬ lich umwölkt: aber doch war es ein herrlicher An¬ blick. Wer nun ein Kerl wäre, der etwas ordentli¬ ches gelernt hätte! Hier komme ich nun schon in das Land, wo kein Stein ohne Namen ist. Mit ma¬ gischen Wolken überzogen liegt das alte finstere Fo¬ ligno unten im Thale, wo der Segen Hesperiens ruht. Rechts und links liegen Anhöhen mit Gebäuden, die gewiſs in der Vorzeit alle merkwürdig waren. Links hinunter weideten ehemahls die vom Klitumnus weiſs¬ gefärbten Stiere, welche die Weltbeherrscher zu ihren Opfern in die Hauptstadt holten; und tief tief weiter hinab liegt in einer Bergschlucht das alte Spoleto, vor dessen Thoren das vom Thrasymen siegreich herab¬ stürzende Heer Hannibals zum ersten Mahl von einer Munizipalstadt fürchterlich zurückgeschlagen wurde. In Foligno ist nicht viel zu sehen, nachdem die neuen Gallier das schöne Madonnenbild mit genommen ha¬ ben. Die Kathedralkirche wird jetzt ausgebessert, und mich däucht mit Geschmack. Man hatte mich in die Post einquartiert, wo man mich zwar ziemlich gut bewirthete, aber ungeheuer bezahlen lieſs. Eine Be¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/168>, abgerufen am 28.03.2024.