Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

In Spoleto ging ich ohne Schwierigkeit gerade durch
das Thor hinein, durch welches Hannibal laut der
Nachrichten nicht gehen konnte. Fast hätte ich nun
Ursache gehabt zu bedauern, dass ich das Empfeh¬
lungsschreiben des billigen Mannes in Foligno nicht
angenommen hatte; denn ich lief in dem Neste wohl
eine halbe Stunde herum, ehe ich ein leidliches Gast¬
haus finden konnte. Endlich führte man mich doch
in eins, wo man für den dritten Theil der gestrigen
Zeche eben so gut bewirthete. Das ist ein grosses,
altes, dunkles, hässliches, jämmerliches Loch, das Spo¬
leto; ich möchte lieber Küster Klimm zu Bergen in
Norwegen seyn, als Erzbischof zu Spoleto. Die Leute
hier, denen ich ins Auge guckte, sahen alle aus wie
das böse Gewissen; und nur mein Wirth mit seiner
Familie schien eine Ausnahme zu machen. Desswe¬
gen habe ich mich auf keinen Deut um ihre Alter¬
thümer bekümmert, deren hier noch eine ziemliche
Menge seyn sollen. Aber alles ist Trümmer; und
Trümmern überhaupt, und zumahl in Spoleto, und
überdiess in so entsetzlichem Nebelwetter, geben eben
keine schöne Unterhaltung. Ueber dem Thore, das man
Hannibals Thor nennt, stehen die Worte in Marmor:

HANNIBAL
CAESIS AD THRASYMENUM ROMANIS
INFESTO AGMINE URBEM ROMAM PETENS,
AD SPOLETUM MAGNA STRAGE SUORUM REPULSUS,
INSIGNE PORTAE NOMEN FECIT.

10

In Spoleto ging ich ohne Schwierigkeit gerade durch
das Thor hinein, durch welches Hannibal laut der
Nachrichten nicht gehen konnte. Fast hätte ich nun
Ursache gehabt zu bedauern, daſs ich das Empfeh¬
lungsschreiben des billigen Mannes in Foligno nicht
angenommen hatte; denn ich lief in dem Neste wohl
eine halbe Stunde herum, ehe ich ein leidliches Gast¬
haus finden konnte. Endlich führte man mich doch
in eins, wo man für den dritten Theil der gestrigen
Zeche eben so gut bewirthete. Das ist ein groſses,
altes, dunkles, häſsliches, jämmerliches Loch, das Spo¬
leto; ich möchte lieber Küster Klimm zu Bergen in
Norwegen seyn, als Erzbischof zu Spoleto. Die Leute
hier, denen ich ins Auge guckte, sahen alle aus wie
das böse Gewissen; und nur mein Wirth mit seiner
Familie schien eine Ausnahme zu machen. Deſswe¬
gen habe ich mich auf keinen Deut um ihre Alter¬
thümer bekümmert, deren hier noch eine ziemliche
Menge seyn sollen. Aber alles ist Trümmer; und
Trümmern überhaupt, und zumahl in Spoleto, und
überdieſs in so entsetzlichem Nebelwetter, geben eben
keine schöne Unterhaltung. Ueber dem Thore, das man
Hannibals Thor nennt, stehen die Worte in Marmor:

HANNIBAL
CAESIS AD THRASYMENUM ROMANIS
INFESTO AGMINE URBEM ROMAM PETENS,
AD SPOLETUM MAGNA STRAGE SUORUM REPULSUS,
INSIGNE PORTAE NOMEN FECIT.

10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0171" n="145"/>
In Spoleto ging ich ohne Schwierigkeit gerade durch<lb/>
das Thor hinein, durch welches Hannibal laut der<lb/>
Nachrichten nicht gehen konnte. Fast hätte ich nun<lb/>
Ursache gehabt zu bedauern, da&#x017F;s ich das Empfeh¬<lb/>
lungsschreiben des billigen Mannes in Foligno nicht<lb/>
angenommen hatte; denn ich lief in dem Neste wohl<lb/>
eine halbe Stunde herum, ehe ich ein leidliches Gast¬<lb/>
haus finden konnte. Endlich führte man mich doch<lb/>
in eins, wo man für den dritten Theil der gestrigen<lb/>
Zeche eben so gut bewirthete. Das ist ein gro&#x017F;ses,<lb/>
altes, dunkles, hä&#x017F;sliches, jämmerliches Loch, das Spo¬<lb/>
leto; ich möchte lieber Küster Klimm zu Bergen in<lb/>
Norwegen seyn, als Erzbischof zu Spoleto. Die Leute<lb/>
hier, denen ich ins Auge guckte, sahen alle aus wie<lb/>
das böse Gewissen; und nur mein Wirth mit seiner<lb/>
Familie schien eine Ausnahme zu machen. De&#x017F;swe¬<lb/>
gen habe ich mich auf keinen Deut um ihre Alter¬<lb/>
thümer bekümmert, deren hier noch eine ziemliche<lb/>
Menge seyn sollen. Aber alles ist Trümmer; und<lb/>
Trümmern überhaupt, und zumahl in Spoleto, und<lb/>
überdie&#x017F;s in so entsetzlichem Nebelwetter, geben eben<lb/>
keine schöne Unterhaltung. Ueber dem Thore, das man<lb/>
Hannibals Thor nennt, stehen die Worte in Marmor:</p><lb/>
        <p rendition="#c"><hi rendition="#g">HANNIBAL</hi><lb/>
CAESIS AD THRASYMENUM ROMANIS<lb/>
INFESTO AGMINE URBEM ROMAM PETENS,<lb/>
AD SPOLETUM MAGNA STRAGE SUORUM REPULSUS,<lb/>
INSIGNE PORTAE NOMEN FECIT.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">10<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0171] In Spoleto ging ich ohne Schwierigkeit gerade durch das Thor hinein, durch welches Hannibal laut der Nachrichten nicht gehen konnte. Fast hätte ich nun Ursache gehabt zu bedauern, daſs ich das Empfeh¬ lungsschreiben des billigen Mannes in Foligno nicht angenommen hatte; denn ich lief in dem Neste wohl eine halbe Stunde herum, ehe ich ein leidliches Gast¬ haus finden konnte. Endlich führte man mich doch in eins, wo man für den dritten Theil der gestrigen Zeche eben so gut bewirthete. Das ist ein groſses, altes, dunkles, häſsliches, jämmerliches Loch, das Spo¬ leto; ich möchte lieber Küster Klimm zu Bergen in Norwegen seyn, als Erzbischof zu Spoleto. Die Leute hier, denen ich ins Auge guckte, sahen alle aus wie das böse Gewissen; und nur mein Wirth mit seiner Familie schien eine Ausnahme zu machen. Deſswe¬ gen habe ich mich auf keinen Deut um ihre Alter¬ thümer bekümmert, deren hier noch eine ziemliche Menge seyn sollen. Aber alles ist Trümmer; und Trümmern überhaupt, und zumahl in Spoleto, und überdieſs in so entsetzlichem Nebelwetter, geben eben keine schöne Unterhaltung. Ueber dem Thore, das man Hannibals Thor nennt, stehen die Worte in Marmor: HANNIBAL CAESIS AD THRASYMENUM ROMANIS INFESTO AGMINE URBEM ROMAM PETENS, AD SPOLETUM MAGNA STRAGE SUORUM REPULSUS, INSIGNE PORTAE NOMEN FECIT. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/171
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/171>, abgerufen am 19.04.2024.