Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

So ist die Ueberschrift. Ich weiss nicht ob es die
Worte des Livius sind; mich däucht, bey diesem lau¬
tet es etwas anders. Die Sache hat indess nach den
alten Schriftstellern ihre Richtigkeit; nur weiss ich
nicht ob es eben dieses Thor seyn möchte: denn wie
vielen Veränderungen ist die Stadt nicht seit den pu¬
nischen Kriegen unterworfen gewesen! Doch ist es
eben das Thor, durch das der Weg von Perugia geht.
Der Marmor scheint ziemlich neu zu seyn. Jetzt
dürfte sich wohl schwerlich ein französisches Bataillon
zurückwerfen lassen.

Ich Idiot glaubte, als ich in Foligno angekommen
war, ich sey nun den Apennin durchwandelt: aber
das ganze Thal des Klitumnus mit den Städten Foligno
und Spoleto liegt in den Bergen; von Spoleto bis Terni
ist der furchtbarste Theil desselben; und hier war ich
wieder zu Fusse ganz allein. Den Morgen als ich
Spoleto verliess, sah ich links an dem Felsen noch
das alte gothische Schloss, wo sich wackere Kerle viel¬
leicht noch einige Stunden um die Stadt schlagen kön¬
nen, ging vor den sonderbaren Anachoreten vorbey
und immer die wilde Bergschlucht hinauf. Wo ich
einkehrte unterhielt man mich überall mit Räuberge¬
schichten und Mordthaten, um mir einen Maulesel
mit seinem Führer aufzuschwatzen; aber ich war nun
einmahl hartnäckig und lief trotzig allein meinen Weg
immer vorwärts. Oben auf dem Berge soll der Jupi¬
ter Summanus einen Tempel gehabt haben. Er ist
wohl nur von Rom aus nach Umbrien der höchste
Berg; denn sonst giebt es in der Kette viel höhere
Parthien. Der Weg aufwärts von Spoleto ist noch

So ist die Ueberschrift. Ich weiſs nicht ob es die
Worte des Livius sind; mich däucht, bey diesem lau¬
tet es etwas anders. Die Sache hat indeſs nach den
alten Schriftstellern ihre Richtigkeit; nur weiſs ich
nicht ob es eben dieses Thor seyn möchte: denn wie
vielen Veränderungen ist die Stadt nicht seit den pu¬
nischen Kriegen unterworfen gewesen! Doch ist es
eben das Thor, durch das der Weg von Perugia geht.
Der Marmor scheint ziemlich neu zu seyn. Jetzt
dürfte sich wohl schwerlich ein französisches Bataillon
zurückwerfen lassen.

Ich Idiot glaubte, als ich in Foligno angekommen
war, ich sey nun den Apennin durchwandelt: aber
das ganze Thal des Klitumnus mit den Städten Foligno
und Spoleto liegt in den Bergen; von Spoleto bis Terni
ist der furchtbarste Theil desselben; und hier war ich
wieder zu Fuſse ganz allein. Den Morgen als ich
Spoleto verlieſs, sah ich links an dem Felsen noch
das alte gothische Schloſs, wo sich wackere Kerle viel¬
leicht noch einige Stunden um die Stadt schlagen kön¬
nen, ging vor den sonderbaren Anachoreten vorbey
und immer die wilde Bergschlucht hinauf. Wo ich
einkehrte unterhielt man mich überall mit Räuberge¬
schichten und Mordthaten, um mir einen Maulesel
mit seinem Führer aufzuschwatzen; aber ich war nun
einmahl hartnäckig und lief trotzig allein meinen Weg
immer vorwärts. Oben auf dem Berge soll der Jupi¬
ter Summanus einen Tempel gehabt haben. Er ist
wohl nur von Rom aus nach Umbrien der höchste
Berg; denn sonst giebt es in der Kette viel höhere
Parthien. Der Weg aufwärts von Spoleto ist noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0172" n="146"/>
        <p>So ist die Ueberschrift. Ich wei&#x017F;s nicht ob es die<lb/>
Worte des Livius sind; mich däucht, bey diesem lau¬<lb/>
tet es etwas anders. Die Sache hat inde&#x017F;s nach den<lb/>
alten Schriftstellern ihre Richtigkeit; nur wei&#x017F;s ich<lb/>
nicht ob es eben dieses Thor seyn möchte: denn wie<lb/>
vielen Veränderungen ist die Stadt nicht seit den pu¬<lb/>
nischen Kriegen unterworfen gewesen! Doch ist es<lb/>
eben das Thor, durch das der Weg von Perugia geht.<lb/>
Der Marmor scheint ziemlich neu zu seyn. Jetzt<lb/>
dürfte sich wohl schwerlich ein französisches Bataillon<lb/>
zurückwerfen lassen.</p><lb/>
        <p>Ich Idiot glaubte, als ich in Foligno angekommen<lb/>
war, ich sey nun den Apennin durchwandelt: aber<lb/>
das ganze Thal des Klitumnus mit den Städten Foligno<lb/>
und Spoleto liegt in den Bergen; von Spoleto bis Terni<lb/>
ist der furchtbarste Theil desselben; und hier war ich<lb/>
wieder zu Fu&#x017F;se ganz allein. Den Morgen als ich<lb/>
Spoleto verlie&#x017F;s, sah ich links an dem Felsen noch<lb/>
das alte gothische Schlo&#x017F;s, wo sich wackere Kerle viel¬<lb/>
leicht noch einige Stunden um die Stadt schlagen kön¬<lb/>
nen, ging vor den sonderbaren Anachoreten vorbey<lb/>
und immer die wilde Bergschlucht hinauf. Wo ich<lb/>
einkehrte unterhielt man mich überall mit Räuberge¬<lb/>
schichten und Mordthaten, um mir einen Maulesel<lb/>
mit seinem Führer aufzuschwatzen; aber ich war nun<lb/>
einmahl hartnäckig und lief trotzig allein meinen Weg<lb/>
immer vorwärts. Oben auf dem Berge soll der <hi rendition="#i">Jupi</hi>¬<lb/><hi rendition="#i">ter Summanus</hi> einen Tempel gehabt haben. Er ist<lb/>
wohl nur von Rom aus nach Umbrien der höchste<lb/>
Berg; denn sonst giebt es in der Kette viel höhere<lb/>
Parthien. Der Weg aufwärts von Spoleto ist noch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0172] So ist die Ueberschrift. Ich weiſs nicht ob es die Worte des Livius sind; mich däucht, bey diesem lau¬ tet es etwas anders. Die Sache hat indeſs nach den alten Schriftstellern ihre Richtigkeit; nur weiſs ich nicht ob es eben dieses Thor seyn möchte: denn wie vielen Veränderungen ist die Stadt nicht seit den pu¬ nischen Kriegen unterworfen gewesen! Doch ist es eben das Thor, durch das der Weg von Perugia geht. Der Marmor scheint ziemlich neu zu seyn. Jetzt dürfte sich wohl schwerlich ein französisches Bataillon zurückwerfen lassen. Ich Idiot glaubte, als ich in Foligno angekommen war, ich sey nun den Apennin durchwandelt: aber das ganze Thal des Klitumnus mit den Städten Foligno und Spoleto liegt in den Bergen; von Spoleto bis Terni ist der furchtbarste Theil desselben; und hier war ich wieder zu Fuſse ganz allein. Den Morgen als ich Spoleto verlieſs, sah ich links an dem Felsen noch das alte gothische Schloſs, wo sich wackere Kerle viel¬ leicht noch einige Stunden um die Stadt schlagen kön¬ nen, ging vor den sonderbaren Anachoreten vorbey und immer die wilde Bergschlucht hinauf. Wo ich einkehrte unterhielt man mich überall mit Räuberge¬ schichten und Mordthaten, um mir einen Maulesel mit seinem Führer aufzuschwatzen; aber ich war nun einmahl hartnäckig und lief trotzig allein meinen Weg immer vorwärts. Oben auf dem Berge soll der Jupi¬ ter Summanus einen Tempel gehabt haben. Er ist wohl nur von Rom aus nach Umbrien der höchste Berg; denn sonst giebt es in der Kette viel höhere Parthien. Der Weg aufwärts von Spoleto ist noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/172
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/172>, abgerufen am 29.03.2024.