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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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sche auf und davon ging. Was sollte ein Dorf¬
pfarrer mit diesen Gährungen? Bey einem Kos¬
mopoliten können sie auf einem festen Grunde
von Moralität wohl noch etwas Gutes wirken.
Der Sturm wird bey mir nie so hoch, dass er
mich von der Base, auf welcher ich als ver¬
nünftiger rechtlicher Mann stehen muss, her¬
unterwürfe. Meine meisten Schicksale lagen in
den Verhältnissen meines Lebens; und der letzte
Gang nach Sicilien war vielleicht der erste ganz
freye Entschluss von einiger Bedeutung.

Man hat mich getadelt, dass ich unstet
und flüchtig sey: man that mir Unrecht. Die
Umstände trieben mich, und es hielt mich keine
höhere Pflicht. Dass ich einige Jahre über
dem Druck von Klopstocks Oden und Messia¬
de sass, ist wohl nicht eines Flüchtlings Sache.
Man wirft mir vor, dass ich kein Amt suche.
Zu vielen Aemtern fühle ich mich untauglich;
und es gehört zu meinen Grundsätzen, die sich
nicht auf lächerlichen Stolz gründen, dass ich
glaube, der Staat müsse Männer suchen für
seine Aemter. Es ist mir also lieb, dass ich
Ursache habe zu denken, es müssen in meinem
Vaterlande dreyssig tausend Geschicktere und

sche auf und davon ging. Was sollte ein Dorf¬
pfarrer mit diesen Gährungen? Bey einem Kos¬
mopoliten können sie auf einem festen Grunde
von Moralität wohl noch etwas Gutes wirken.
Der Sturm wird bey mir nie so hoch, daſs er
mich von der Base, auf welcher ich als ver¬
nünftiger rechtlicher Mann stehen muſs, her¬
unterwürfe. Meine meisten Schicksale lagen in
den Verhältnissen meines Lebens; und der letzte
Gang nach Sicilien war vielleicht der erste ganz
freye Entschluſs von einiger Bedeutung.

Man hat mich getadelt, daſs ich unstet
und flüchtig sey: man that mir Unrecht. Die
Umstände trieben mich, und es hielt mich keine
höhere Pflicht. Daſs ich einige Jahre über
dem Druck von Klopstocks Oden und Messia¬
de saſs, ist wohl nicht eines Flüchtlings Sache.
Man wirft mir vor, daſs ich kein Amt suche.
Zu vielen Aemtern fühle ich mich untauglich;
und es gehört zu meinen Grundsätzen, die sich
nicht auf lächerlichen Stolz gründen, daſs ich
glaube, der Staat müsse Männer suchen für
seine Aemter. Es ist mir also lieb, daſs ich
Ursache habe zu denken, es müssen in meinem
Vaterlande dreyſsig tausend Geschicktere und

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[IX/0019] sche auf und davon ging. Was sollte ein Dorf¬ pfarrer mit diesen Gährungen? Bey einem Kos¬ mopoliten können sie auf einem festen Grunde von Moralität wohl noch etwas Gutes wirken. Der Sturm wird bey mir nie so hoch, daſs er mich von der Base, auf welcher ich als ver¬ nünftiger rechtlicher Mann stehen muſs, her¬ unterwürfe. Meine meisten Schicksale lagen in den Verhältnissen meines Lebens; und der letzte Gang nach Sicilien war vielleicht der erste ganz freye Entschluſs von einiger Bedeutung. Man hat mich getadelt, daſs ich unstet und flüchtig sey: man that mir Unrecht. Die Umstände trieben mich, und es hielt mich keine höhere Pflicht. Daſs ich einige Jahre über dem Druck von Klopstocks Oden und Messia¬ de saſs, ist wohl nicht eines Flüchtlings Sache. Man wirft mir vor, daſs ich kein Amt suche. Zu vielen Aemtern fühle ich mich untauglich; und es gehört zu meinen Grundsätzen, die sich nicht auf lächerlichen Stolz gründen, daſs ich glaube, der Staat müsse Männer suchen für seine Aemter. Es ist mir also lieb, daſs ich Ursache habe zu denken, es müssen in meinem Vaterlande dreyſsig tausend Geschicktere und

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/19>, abgerufen am 29.03.2024.