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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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haben würde, auf die jungen wilden Hyacinthen nie¬
der und genoss eine Viertelstunde eine der schönsten
und herrlichsten Scenen der Natur. Das war wieder
Belohnung und ich dachte nicht weiter an die Schnapp¬
hähne und das Examen von Terra nuova. Ich würde
rechts hinauf gestiegen seyn in die Berge, wo viele
Höhlen der alten sikanischen Urbewohner in Felsen
gehauen seyn sollen; aber ich konnte dem Orientieren
und der müssigen Neugierde in einer sehr wilden Ge¬
gend nicht so viel Zeit opfern. Ich verirrte mich aber¬
mals und kam anstatt nach Syrakus nach Lentini. Es
war mir nicht unlieb die alte Stadt zu sehen, die zur
Zeit der Griechen keine unbeträchtliche Rolle spielt.
Sie ist in dem Misskredit der schlechten Luft, wess¬
wegen auf einer grössern Anhöhe Karl der Fünfte,
däucht mich, Carlentini anlegte. Ich spürte nichts von
der schlechten Luft; aber freylich kann man vom
Ende des März keinen Schluss auf das Ende des July
machen. Der See giebt der Gegend ein heiteres la¬
chendes Ansehen, und diese würde sich sehr bald sehr
gesund machen lassen, wenn man fleissiger wäre. Um
die Stadt herum ist alles ein wahrer Orangengarten;
und Du kannst denken, dass ich mit den Hesperiden
nicht ganz enthaltsam war, da ich doch nun nicht
hoffen durfte Syrakusertrauben zu essen. Mir hat es
gefallen in Lentini, und wenn die Leute daselbst krank
werden, so sind sie wahrscheinlich selbst Schuld dar¬
an, nach allem was ich davon sehe. Ich war nun
zwey mal irre gegangen, und hielt es daher doch für
gut einen Mauleselführer zu nehmen. Er erschien und
wir machten bald den Handel, da ich nicht viel mer¬

haben würde, auf die jungen wilden Hyacinthen nie¬
der und genoſs eine Viertelstunde eine der schönsten
und herrlichsten Scenen der Natur. Das war wieder
Belohnung und ich dachte nicht weiter an die Schnapp¬
hähne und das Examen von Terra nuova. Ich würde
rechts hinauf gestiegen seyn in die Berge, wo viele
Höhlen der alten sikanischen Urbewohner in Felsen
gehauen seyn sollen; aber ich konnte dem Orientieren
und der müſsigen Neugierde in einer sehr wilden Ge¬
gend nicht so viel Zeit opfern. Ich verirrte mich aber¬
mals und kam anstatt nach Syrakus nach Lentini. Es
war mir nicht unlieb die alte Stadt zu sehen, die zur
Zeit der Griechen keine unbeträchtliche Rolle spielt.
Sie ist in dem Miſskredit der schlechten Luft, weſs¬
wegen auf einer gröſsern Anhöhe Karl der Fünfte,
däucht mich, Carlentini anlegte. Ich spürte nichts von
der schlechten Luft; aber freylich kann man vom
Ende des März keinen Schluſs auf das Ende des July
machen. Der See giebt der Gegend ein heiteres la¬
chendes Ansehen, und diese würde sich sehr bald sehr
gesund machen lassen, wenn man fleiſsiger wäre. Um
die Stadt herum ist alles ein wahrer Orangengarten;
und Du kannst denken, daſs ich mit den Hesperiden
nicht ganz enthaltsam war, da ich doch nun nicht
hoffen durfte Syrakusertrauben zu essen. Mir hat es
gefallen in Lentini, und wenn die Leute daselbst krank
werden, so sind sie wahrscheinlich selbst Schuld dar¬
an, nach allem was ich davon sehe. Ich war nun
zwey mal irre gegangen, und hielt es daher doch für
gut einen Mauleselführer zu nehmen. Er erschien und
wir machten bald den Handel, da ich nicht viel mer¬

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[237/0263] haben würde, auf die jungen wilden Hyacinthen nie¬ der und genoſs eine Viertelstunde eine der schönsten und herrlichsten Scenen der Natur. Das war wieder Belohnung und ich dachte nicht weiter an die Schnapp¬ hähne und das Examen von Terra nuova. Ich würde rechts hinauf gestiegen seyn in die Berge, wo viele Höhlen der alten sikanischen Urbewohner in Felsen gehauen seyn sollen; aber ich konnte dem Orientieren und der müſsigen Neugierde in einer sehr wilden Ge¬ gend nicht so viel Zeit opfern. Ich verirrte mich aber¬ mals und kam anstatt nach Syrakus nach Lentini. Es war mir nicht unlieb die alte Stadt zu sehen, die zur Zeit der Griechen keine unbeträchtliche Rolle spielt. Sie ist in dem Miſskredit der schlechten Luft, weſs¬ wegen auf einer gröſsern Anhöhe Karl der Fünfte, däucht mich, Carlentini anlegte. Ich spürte nichts von der schlechten Luft; aber freylich kann man vom Ende des März keinen Schluſs auf das Ende des July machen. Der See giebt der Gegend ein heiteres la¬ chendes Ansehen, und diese würde sich sehr bald sehr gesund machen lassen, wenn man fleiſsiger wäre. Um die Stadt herum ist alles ein wahrer Orangengarten; und Du kannst denken, daſs ich mit den Hesperiden nicht ganz enthaltsam war, da ich doch nun nicht hoffen durfte Syrakusertrauben zu essen. Mir hat es gefallen in Lentini, und wenn die Leute daselbst krank werden, so sind sie wahrscheinlich selbst Schuld dar¬ an, nach allem was ich davon sehe. Ich war nun zwey mal irre gegangen, und hielt es daher doch für gut einen Mauleselführer zu nehmen. Er erschien und wir machten bald den Handel, da ich nicht viel mer¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/263>, abgerufen am 28.03.2024.