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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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das man am Eingange zerreisst, macht ein betäuben¬
des Geräusch, und wenn man stark in die Hand
klatscht, giebt es einen Knall wie einen Büchsenschuss,
nur etwas dumpfer. Wir wandelten durch die ganze
Tiefe und darin hin und her. Landolina zeigte mir
vorzüglich die Art, wo es ausgehauen war, die ich
Dir aber als Laie nicht mechanisch genau beschreiben
kann. Man hob sich von unten hinauf auf Gerüsten,
wovon man noch die Vertiefungen in dem Felsen sieht,
und erhielt dadurch eine Höhlung von einem etwas
schneckenförmigen Gang, der ihm wohl vorzüglich die
lange Dauer gesichert hat. Bey Neapel habe ich,
wenn ich nicht irre, etwas ähnliches in den Steingru¬
ben des Posilippo bemerkt. Nirgends ist aber die Me¬
thode so vollendet ausgearbeitet, wie hier in diesem
Ohre. Ob Dionysius dasselbe habe hauen lassen, liesse
sich noch bezweifeln, obgleich Cicero der Meinung zu
seyn scheint; aber dass er es zu einem Gefängnisse
habe einrichten lassen, hat wohl seine Richtigkeit.
Cicero nennt es ein schreckliches Carcer. Hin und
wieder sieht man noch Ringe in dem Felsen, in der
Höhe und an dem Boden, und auch einige durchge¬
brochene Höhlungen, in denen Ringe gewesen seyn
mögen. Diese gelten für Maschinen die Gefangenen
anzuschliessen. Wer kann darüber etwas bestimmen?
Oben am Eingange ist das Kämmerchen, welches ehe¬
mahls für das Lauscheplätzchen des Dionysius galt.
Es gehört jetzt viel Maschinerie dazu, von unten hin¬
auf oder von oben herab dahin zu kommen. Ich bin
also nicht darin gewesen. Landolina erklärt das Ganze
für eine Fabel, die Tzetzes zuerst erzählt habe. Die¬

das man am Eingange zerreiſst, macht ein betäuben¬
des Geräusch, und wenn man stark in die Hand
klatscht, giebt es einen Knall wie einen Büchsenschuſs,
nur etwas dumpfer. Wir wandelten durch die ganze
Tiefe und darin hin und her. Landolina zeigte mir
vorzüglich die Art, wo es ausgehauen war, die ich
Dir aber als Laie nicht mechanisch genau beschreiben
kann. Man hob sich von unten hinauf auf Gerüsten,
wovon man noch die Vertiefungen in dem Felsen sieht,
und erhielt dadurch eine Höhlung von einem etwas
schneckenförmigen Gang, der ihm wohl vorzüglich die
lange Dauer gesichert hat. Bey Neapel habe ich,
wenn ich nicht irre, etwas ähnliches in den Steingru¬
ben des Posilippo bemerkt. Nirgends ist aber die Me¬
thode so vollendet ausgearbeitet, wie hier in diesem
Ohre. Ob Dionysius dasselbe habe hauen lassen, lieſse
sich noch bezweifeln, obgleich Cicero der Meinung zu
seyn scheint; aber daſs er es zu einem Gefängnisse
habe einrichten lassen, hat wohl seine Richtigkeit.
Cicero nennt es ein schreckliches Carcer. Hin und
wieder sieht man noch Ringe in dem Felsen, in der
Höhe und an dem Boden, und auch einige durchge¬
brochene Höhlungen, in denen Ringe gewesen seyn
mögen. Diese gelten für Maschinen die Gefangenen
anzuschlieſsen. Wer kann darüber etwas bestimmen?
Oben am Eingange ist das Kämmerchen, welches ehe¬
mahls für das Lauscheplätzchen des Dionysius galt.
Es gehört jetzt viel Maschinerie dazu, von unten hin¬
auf oder von oben herab dahin zu kommen. Ich bin
also nicht darin gewesen. Landolina erklärt das Ganze
für eine Fabel, die Tzetzes zuerst erzählt habe. Die¬

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[250/0276] das man am Eingange zerreiſst, macht ein betäuben¬ des Geräusch, und wenn man stark in die Hand klatscht, giebt es einen Knall wie einen Büchsenschuſs, nur etwas dumpfer. Wir wandelten durch die ganze Tiefe und darin hin und her. Landolina zeigte mir vorzüglich die Art, wo es ausgehauen war, die ich Dir aber als Laie nicht mechanisch genau beschreiben kann. Man hob sich von unten hinauf auf Gerüsten, wovon man noch die Vertiefungen in dem Felsen sieht, und erhielt dadurch eine Höhlung von einem etwas schneckenförmigen Gang, der ihm wohl vorzüglich die lange Dauer gesichert hat. Bey Neapel habe ich, wenn ich nicht irre, etwas ähnliches in den Steingru¬ ben des Posilippo bemerkt. Nirgends ist aber die Me¬ thode so vollendet ausgearbeitet, wie hier in diesem Ohre. Ob Dionysius dasselbe habe hauen lassen, lieſse sich noch bezweifeln, obgleich Cicero der Meinung zu seyn scheint; aber daſs er es zu einem Gefängnisse habe einrichten lassen, hat wohl seine Richtigkeit. Cicero nennt es ein schreckliches Carcer. Hin und wieder sieht man noch Ringe in dem Felsen, in der Höhe und an dem Boden, und auch einige durchge¬ brochene Höhlungen, in denen Ringe gewesen seyn mögen. Diese gelten für Maschinen die Gefangenen anzuschlieſsen. Wer kann darüber etwas bestimmen? Oben am Eingange ist das Kämmerchen, welches ehe¬ mahls für das Lauscheplätzchen des Dionysius galt. Es gehört jetzt viel Maschinerie dazu, von unten hin¬ auf oder von oben herab dahin zu kommen. Ich bin also nicht darin gewesen. Landolina erklärt das Ganze für eine Fabel, die Tzetzes zuerst erzählt habe. Die¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/276>, abgerufen am 28.03.2024.