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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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gethürmt hat. An dem Molo hat man schon lange
mit vielen Kosten gearbeitet; ich fürchte aber die See
wird gewaltiger seyn als die Arbeit. Wenn links ein
Felsenufer etwas weiter hervorgriffe und den Wogen¬
sturz von Kalabrien her etwas dämmte, so wäre eher
Hoffnung zur Haltbarkeit. Die Erfahrung, von der
ich nichts wusste, hat schon meine Meinung bestätigt,
und einige verständige Leute pflichteten mir bey. Ka¬
tanien wird sich wohl müssen mit einer leidlichen
Rhede begnügen, wenn nicht vielleicht einmal der
Aetna, der grosse Bauer und Zerstörer, einen Hafen
bauet. Er darf nur links einen solchen Berg ins Meer
schiessen, wie er rechts gethan hat, so ist er fertig. Es
fragt sich, ob das zu wünschen wäre. Die Strasse Fer¬
dinande, von dem prächtigen Thore von Syrakus her,
ist die Hauptstrasse: eine andere, die ihr etwas auf¬
wärts parallel läuft, ist fast eben so schön. Wenn Ka¬
tanien so fort arbeitet, macht es sich nach einem gros¬
sen Plane zu einer prächtigen Stadt. Fast alle öffent¬
liche Monumente sind von der Kommune aus eige¬
nen Kräften bestritten, und es sind derselben nicht
wenig: des Hofes geschieht nur Ehrenerwähnung. Es
ist der lieblichste Ort, den ich in Sicilien gesehen ha¬
be, und übrigens sehr wenig mit der Regierung in
Kollision; so dass viel gutes zu erwarten ist. Die Da¬
zwischenkunft der Höfe verderbt wie ein Mehlthau
meistens das natürliche Gedeihen der freyen Industrie.


gethürmt hat. An dem Molo hat man schon lange
mit vielen Kosten gearbeitet; ich fürchte aber die See
wird gewaltiger seyn als die Arbeit. Wenn links ein
Felsenufer etwas weiter hervorgriffe und den Wogen¬
sturz von Kalabrien her etwas dämmte, so wäre eher
Hoffnung zur Haltbarkeit. Die Erfahrung, von der
ich nichts wuſste, hat schon meine Meinung bestätigt,
und einige verständige Leute pflichteten mir bey. Ka¬
tanien wird sich wohl müssen mit einer leidlichen
Rhede begnügen, wenn nicht vielleicht einmal der
Aetna, der groſse Bauer und Zerstörer, einen Hafen
bauet. Er darf nur links einen solchen Berg ins Meer
schieſsen, wie er rechts gethan hat, so ist er fertig. Es
fragt sich, ob das zu wünschen wäre. Die Straſse Fer¬
dinande, von dem prächtigen Thore von Syrakus her,
ist die Hauptstraſse: eine andere, die ihr etwas auf¬
wärts parallel läuft, ist fast eben so schön. Wenn Ka¬
tanien so fort arbeitet, macht es sich nach einem gros¬
sen Plane zu einer prächtigen Stadt. Fast alle öffent¬
liche Monumente sind von der Kommune aus eige¬
nen Kräften bestritten, und es sind derselben nicht
wenig: des Hofes geschieht nur Ehrenerwähnung. Es
ist der lieblichste Ort, den ich in Sicilien gesehen ha¬
be, und übrigens sehr wenig mit der Regierung in
Kollision; so daſs viel gutes zu erwarten ist. Die Da¬
zwischenkunft der Höfe verderbt wie ein Mehlthau
meistens das natürliche Gedeihen der freyen Industrie.


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[280/0306] gethürmt hat. An dem Molo hat man schon lange mit vielen Kosten gearbeitet; ich fürchte aber die See wird gewaltiger seyn als die Arbeit. Wenn links ein Felsenufer etwas weiter hervorgriffe und den Wogen¬ sturz von Kalabrien her etwas dämmte, so wäre eher Hoffnung zur Haltbarkeit. Die Erfahrung, von der ich nichts wuſste, hat schon meine Meinung bestätigt, und einige verständige Leute pflichteten mir bey. Ka¬ tanien wird sich wohl müssen mit einer leidlichen Rhede begnügen, wenn nicht vielleicht einmal der Aetna, der groſse Bauer und Zerstörer, einen Hafen bauet. Er darf nur links einen solchen Berg ins Meer schieſsen, wie er rechts gethan hat, so ist er fertig. Es fragt sich, ob das zu wünschen wäre. Die Straſse Fer¬ dinande, von dem prächtigen Thore von Syrakus her, ist die Hauptstraſse: eine andere, die ihr etwas auf¬ wärts parallel läuft, ist fast eben so schön. Wenn Ka¬ tanien so fort arbeitet, macht es sich nach einem gros¬ sen Plane zu einer prächtigen Stadt. Fast alle öffent¬ liche Monumente sind von der Kommune aus eige¬ nen Kräften bestritten, und es sind derselben nicht wenig: des Hofes geschieht nur Ehrenerwähnung. Es ist der lieblichste Ort, den ich in Sicilien gesehen ha¬ be, und übrigens sehr wenig mit der Regierung in Kollision; so daſs viel gutes zu erwarten ist. Die Da¬ zwischenkunft der Höfe verderbt wie ein Mehlthau meistens das natürliche Gedeihen der freyen Industrie.

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/306>, abgerufen am 28.03.2024.