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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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der grossen ungeheuern Schlucht, in welcher der Kra¬
ter liegt. Einer der Führer kam nach mir, dann der
Major, dann der zweyte Führer, dann die ganze klei¬
ne Karavane bis auf den Herrn mit den erfrorenen
Fingern. Hier standen und sassen und lagen wir, halb
in dem Qualm des aufsteigenden Rauchdampfes einge¬
hüllt und keiner sprach ein Wort und jeder staunte
in den furchtbaren Schlund hinab, aus welchem es in
dunkeln und weisslichen Wolken dumpf und wüthend
herauftobte. -- Endlich sagte der Major, indem er
sich mit einem tiefen Athemzuge Luft machte: Now
it is indeed worth a young man's
while to mount and
see it; for such a sight is not to be met with in the
parks of old England
. Mehr kannst Du von einem
ächten Britten nicht erwarten, dessen patriotische Seele
ihren Gefährten mit Rostbeef und Porter ambrosisch
bewirthet.

Die Schlucht, ungefähr eine kleine Stunde im
Umfange, lag vor uns, wir standen alle auf einer
ziemlich schmalen Felsenwand, und bückten uns über
eine steile Kluft von vielleicht sechzig bis siebzig Klaf¬
tern hinaus. Einige legten sich nieder, um sich auf
der grausen Höhe vor Schwindel zu sichern. In die¬
ser Schlucht lag tief der Krater, der seine Stürme aus
dem Abgrunde nach der entgegengesetzten Seite hin¬
über warf. Der Wind kam von der Morgensonne und
wir standen noch ziemlich sicher vor dem Dampfe;
nur dass hier und da etwas durch die Felsenspalten
heraufdrang. Rund herum ist keine Möglichkeit vor
den ungeheuern senkrechten Lavablöcken, bis hinun¬
ter ganz nahe an den Rand des eigentlichen Schlun¬

der groſsen ungeheuern Schlucht, in welcher der Kra¬
ter liegt. Einer der Führer kam nach mir, dann der
Major, dann der zweyte Führer, dann die ganze klei¬
ne Karavane bis auf den Herrn mit den erfrorenen
Fingern. Hier standen und saſsen und lagen wir, halb
in dem Qualm des aufsteigenden Rauchdampfes einge¬
hüllt und keiner sprach ein Wort und jeder staunte
in den furchtbaren Schlund hinab, aus welchem es in
dunkeln und weiſslichen Wolken dumpf und wüthend
herauftobte. — Endlich sagte der Major, indem er
sich mit einem tiefen Athemzuge Luft machte: Now
it is indeed worth a young man's
while to mount and
see it; for such a sight is not to be met with in the
parks of old England
. Mehr kannst Du von einem
ächten Britten nicht erwarten, dessen patriotische Seele
ihren Gefährten mit Rostbeef und Porter ambrosisch
bewirthet.

Die Schlucht, ungefähr eine kleine Stunde im
Umfange, lag vor uns, wir standen alle auf einer
ziemlich schmalen Felsenwand, und bückten uns über
eine steile Kluft von vielleicht sechzig bis siebzig Klaf¬
tern hinaus. Einige legten sich nieder, um sich auf
der grausen Höhe vor Schwindel zu sichern. In die¬
ser Schlucht lag tief der Krater, der seine Stürme aus
dem Abgrunde nach der entgegengesetzten Seite hin¬
über warf. Der Wind kam von der Morgensonne und
wir standen noch ziemlich sicher vor dem Dampfe;
nur daſs hier und da etwas durch die Felsenspalten
heraufdrang. Rund herum ist keine Möglichkeit vor
den ungeheuern senkrechten Lavablöcken, bis hinun¬
ter ganz nahe an den Rand des eigentlichen Schlun¬

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[288/0314] der groſsen ungeheuern Schlucht, in welcher der Kra¬ ter liegt. Einer der Führer kam nach mir, dann der Major, dann der zweyte Führer, dann die ganze klei¬ ne Karavane bis auf den Herrn mit den erfrorenen Fingern. Hier standen und saſsen und lagen wir, halb in dem Qualm des aufsteigenden Rauchdampfes einge¬ hüllt und keiner sprach ein Wort und jeder staunte in den furchtbaren Schlund hinab, aus welchem es in dunkeln und weiſslichen Wolken dumpf und wüthend herauftobte. — Endlich sagte der Major, indem er sich mit einem tiefen Athemzuge Luft machte: Now it is indeed worth a young man's while to mount and see it; for such a sight is not to be met with in the parks of old England. Mehr kannst Du von einem ächten Britten nicht erwarten, dessen patriotische Seele ihren Gefährten mit Rostbeef und Porter ambrosisch bewirthet. Die Schlucht, ungefähr eine kleine Stunde im Umfange, lag vor uns, wir standen alle auf einer ziemlich schmalen Felsenwand, und bückten uns über eine steile Kluft von vielleicht sechzig bis siebzig Klaf¬ tern hinaus. Einige legten sich nieder, um sich auf der grausen Höhe vor Schwindel zu sichern. In die¬ ser Schlucht lag tief der Krater, der seine Stürme aus dem Abgrunde nach der entgegengesetzten Seite hin¬ über warf. Der Wind kam von der Morgensonne und wir standen noch ziemlich sicher vor dem Dampfe; nur daſs hier und da etwas durch die Felsenspalten heraufdrang. Rund herum ist keine Möglichkeit vor den ungeheuern senkrechten Lavablöcken, bis hinun¬ ter ganz nahe an den Rand des eigentlichen Schlun¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/314>, abgerufen am 19.04.2024.