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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
SECTIO XVI.
Was in dem fall eines gebeichteten ehebruchs
zu thun.

DEr fall des gebeichteten ehebruchs hat allerdings seine schwehrigkeit/
und findet man was man auch zu thun wehlet/ viel bedencken dabey. Jn der
forcht des HErrn aber meine meinung davon zu sagen/ fasse ich die-
se sache also. 1. Die jenige person/ so den ehebruch bekant/ ist zum allerför-
dersten treulich und ernstlich zu erinnern/ daß wo sie wahre buß thun wolle/
dieser und das darzu nöthigen guten vorsatzes art mit sich bringe/ daß da sie
GOtt zur erkäntnüß kommen lassen/ sie auch vor die seele dessen/ mit dem sie
gesündiget (welcher theil auch unter ihnen den andern mehr verführet haben
möchte/ so vielmehr da die schuld an ihr am schwehresten gewesen) nach müg-
lichkeit sorgen müste: daher werde von ihr allerdings erfordert/ wo sie nur ge-
legenheit dazu sich machen könne/ daß sie dem ehebrecher hertzlich zuspreche/
ihm anzeige/ wie ihr GOtt die gnade gethan habe/ zur busse zu kommen/ dar-
zu sie ihn auch hertzlich vermahne/ mit vermeldung/ daß sie ihre sünde abson-
derlich gebeichtet und er zu beruhigung seines gewissens gleiches thun möchte.
Wo sie nun solches verspreche/ so ich von ihr/ als dero freywillige bekäntnüß
eine hoffnung einer wahren busse machet/ nicht zweifflen will/ und alsdann
zeugnüß von seiner gleichen reue zurück brächte/ wolte ichs vor gnug hal-
ten; es wäre dann sache/ daß er selbs/ auf den bericht wem bereits seine that
bekant worden/ sein hertz bey mir auszuschütten verlangte. Jch sehe auch
nicht/ was die frau sich von dieser ihrer schuldigkeit zu entschuldigen/ oder auch
was sie wahrhafftig daran hindern könte. Wäre aber etwas/ daß sie vorwen-
den könte/ oder richtete sie nichts aus/ so wären 2. andere wege zu suchen. Da
sonderlich viel daran gelegen ist/ daß der jenige/ so des ehebrechers beicht-va-
ter/ ein mann seye/ zu dessen verschwiegenheit und christlicher klugheit man ein
vertrauen haben kan. Jst nun solches/ so hat der frauen beicht-vater dem andern
beicht-vater in geheim an zu vertrauen/ wie auff diesem mann von einer person/
welche aber nicht genennet oder den andern kund gethan werden darff/ ein solches
laster bekant worden seye. Da alsdann dessen pflicht seyn würde/ den ange-
gebenen mann zu sich zu fordern/ oder zu ihm zu gehen/ und mit gnugsamer ver-
wahrung/ daß man mit ihm allein als vor GOTT und in der jenigen geheimde/
wie das beichtwesen erforderte/ handeln wolte/ denselben was auff ihn von einer
ihm/ diesem beicht-vater/ unbekanten person/ bekennet worden/ vorzuhalten/ und
da ihn sein gewissen dessen auch überzeugte/ wie dann von jener bußfertigen beicht

nicht
Das andere Capitel.
SECTIO XVI.
Was in dem fall eines gebeichteten ehebruchs
zu thun.

DEr fall des gebeichteten ehebruchs hat allerdings ſeine ſchwehrigkeit/
und findet man was man auch zu thun wehlet/ viel bedencken dabey. Jn der
forcht des HErrn aber meine meinung davon zu ſagen/ faſſe ich die-
ſe ſache alſo. 1. Die jenige perſon/ ſo den ehebruch bekant/ iſt zum allerfoͤr-
derſten treulich und ernſtlich zu erinnern/ daß wo ſie wahre buß thun wolle/
dieſer und das darzu noͤthigen guten vorſatzes art mit ſich bringe/ daß da ſie
GOtt zur erkaͤntnuͤß kommen laſſen/ ſie auch vor die ſeele deſſen/ mit dem ſie
geſuͤndiget (welcher theil auch unter ihnen den andern mehr verfuͤhret haben
moͤchte/ ſo vielmehr da die ſchuld an ihr am ſchwehreſten geweſen) nach muͤg-
lichkeit ſorgen muͤſte: daher werde von ihr allerdings erfordert/ wo ſie nur ge-
legenheit dazu ſich machen koͤnne/ daß ſie dem ehebrecher hertzlich zuſpreche/
ihm anzeige/ wie ihr GOtt die gnade gethan habe/ zur buſſe zu kommen/ dar-
zu ſie ihn auch hertzlich vermahne/ mit vermeldung/ daß ſie ihre ſuͤnde abſon-
derlich gebeichtet und er zu beruhigung ſeines gewiſſens gleiches thun moͤchte.
Wo ſie nun ſolches verſpreche/ ſo ich von ihr/ als dero freywillige bekaͤntnuͤß
eine hoffnung einer wahren buſſe machet/ nicht zweifflen will/ und alsdann
zeugnuͤß von ſeiner gleichen reue zuruͤck braͤchte/ wolte ichs vor gnug hal-
ten; es waͤre dann ſache/ daß er ſelbs/ auf den bericht wem bereits ſeine that
bekant worden/ ſein hertz bey mir auszuſchuͤtten verlangte. Jch ſehe auch
nicht/ was die frau ſich von dieſer ihrer ſchuldigkeit zu entſchuldigen/ oder auch
was ſie wahrhafftig daran hindern koͤnte. Waͤre aber etwas/ daß ſie vorwen-
den koͤnte/ oder richtete ſie nichts aus/ ſo waͤren 2. andere wege zu ſuchen. Da
ſonderlich viel daran gelegen iſt/ daß der jenige/ ſo des ehebrechers beicht-va-
ter/ ein mann ſeye/ zu deſſen verſchwiegenheit und chriſtlicher klugheit man ein
vertrauen haben kan. Jſt nun ſolches/ ſo hat der frauen beicht-vater dem andern
beicht-vater in geheim an zu vertrauen/ wie auff dieſem mann von einer perſon/
welche aber nicht genennet oder den andern kund gethan werden darff/ ein ſolches
laſter bekant worden ſeye. Da alsdann deſſen pflicht ſeyn wuͤrde/ den ange-
gebenen mann zu ſich zu fordern/ oder zu ihm zu gehen/ und mit gnugſamer ver-
wahrung/ daß man mit ihm allein als vor GOTT und in der jenigen geheimde/
wie das beichtweſen erforderte/ handeln wolte/ denſelben was auff ihn von einer
ihm/ dieſem beicht-vater/ unbekanten perſon/ bekennet worden/ vorzuhalten/ und
da ihn ſein gewiſſen deſſen auch uͤberzeugte/ wie dann von jener bußfertigen beicht

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[238/1038] Das andere Capitel. SECTIO XVI. Was in dem fall eines gebeichteten ehebruchs zu thun. DEr fall des gebeichteten ehebruchs hat allerdings ſeine ſchwehrigkeit/ und findet man was man auch zu thun wehlet/ viel bedencken dabey. Jn der forcht des HErrn aber meine meinung davon zu ſagen/ faſſe ich die- ſe ſache alſo. 1. Die jenige perſon/ ſo den ehebruch bekant/ iſt zum allerfoͤr- derſten treulich und ernſtlich zu erinnern/ daß wo ſie wahre buß thun wolle/ dieſer und das darzu noͤthigen guten vorſatzes art mit ſich bringe/ daß da ſie GOtt zur erkaͤntnuͤß kommen laſſen/ ſie auch vor die ſeele deſſen/ mit dem ſie geſuͤndiget (welcher theil auch unter ihnen den andern mehr verfuͤhret haben moͤchte/ ſo vielmehr da die ſchuld an ihr am ſchwehreſten geweſen) nach muͤg- lichkeit ſorgen muͤſte: daher werde von ihr allerdings erfordert/ wo ſie nur ge- legenheit dazu ſich machen koͤnne/ daß ſie dem ehebrecher hertzlich zuſpreche/ ihm anzeige/ wie ihr GOtt die gnade gethan habe/ zur buſſe zu kommen/ dar- zu ſie ihn auch hertzlich vermahne/ mit vermeldung/ daß ſie ihre ſuͤnde abſon- derlich gebeichtet und er zu beruhigung ſeines gewiſſens gleiches thun moͤchte. Wo ſie nun ſolches verſpreche/ ſo ich von ihr/ als dero freywillige bekaͤntnuͤß eine hoffnung einer wahren buſſe machet/ nicht zweifflen will/ und alsdann zeugnuͤß von ſeiner gleichen reue zuruͤck braͤchte/ wolte ichs vor gnug hal- ten; es waͤre dann ſache/ daß er ſelbs/ auf den bericht wem bereits ſeine that bekant worden/ ſein hertz bey mir auszuſchuͤtten verlangte. Jch ſehe auch nicht/ was die frau ſich von dieſer ihrer ſchuldigkeit zu entſchuldigen/ oder auch was ſie wahrhafftig daran hindern koͤnte. Waͤre aber etwas/ daß ſie vorwen- den koͤnte/ oder richtete ſie nichts aus/ ſo waͤren 2. andere wege zu ſuchen. Da ſonderlich viel daran gelegen iſt/ daß der jenige/ ſo des ehebrechers beicht-va- ter/ ein mann ſeye/ zu deſſen verſchwiegenheit und chriſtlicher klugheit man ein vertrauen haben kan. Jſt nun ſolches/ ſo hat der frauen beicht-vater dem andern beicht-vater in geheim an zu vertrauen/ wie auff dieſem mann von einer perſon/ welche aber nicht genennet oder den andern kund gethan werden darff/ ein ſolches laſter bekant worden ſeye. Da alsdann deſſen pflicht ſeyn wuͤrde/ den ange- gebenen mann zu ſich zu fordern/ oder zu ihm zu gehen/ und mit gnugſamer ver- wahrung/ daß man mit ihm allein als vor GOTT und in der jenigen geheimde/ wie das beichtweſen erforderte/ handeln wolte/ denſelben was auff ihn von einer ihm/ dieſem beicht-vater/ unbekanten perſon/ bekennet worden/ vorzuhalten/ und da ihn ſein gewiſſen deſſen auch uͤberzeugte/ wie dann von jener bußfertigen beicht nicht

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1038>, abgerufen am 24.04.2024.