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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. VI. SECTIO XXVII.
Q. 3.
Ob ein ehebrecher in adulterio duplici & ut ita dicam sororio ja der
mit 2. 3. 4. etc. personen ehbruch begangen/ mit der lebens-
straff könne verschonet und bloß bey der offentlichen kirchen-
buß und herrschafftlicher straff gelassen werden.

Jch leugne nicht/ daß viele Christliche gottseelige Theologi aus hertzlichem
eyffer starck auf das capitale supplicium der adulterorum, wie es Gott bey
den juden in dem lege forensi verordnet/ tringen: So würde ich auch nicht
entgegen seyn/ da ein Christlicher Magistratus solches und andere leges Mo-
saicas,
was die straffen anlanget/ in ihre respublicas introduciren wolten.
Jch bekenne aber/ daß ich nicht sehe/ wie wir schlechter dings einen Magistra-
tum obligi
ren wolten/ in dem casu adulterii, oder auch anderer delictorum,
solche supplicia legis Mosaicae nothwendig anzunehmen. Jn dem wir keine
gnugsame ursachen anziehen können/ warum da die übrige sanctiones foren-
ses
ohne zweiffel auffgehaben sind/ dieser punct allein ausgenommen seyn
solte. Ein andere bewandnüß hats mit dem vorsetzlichen todtschlag/ wo ich
nicht zweiffele/ daß desselben capitalis sententia und lebens-straff nicht unter
einiger obrigkeit macht und dispensation stehe/ als dem gantzen menschlichen
geschlecht in den posteris Noae 1. Mos. 9. gegeben. Jedoch wo die delicta a-
trocia
sind/ würde die obrigkeit beweglich zuerinnern seyn/ daß sie die straffe
schärffer als insgemein geschihet/ setze/ und damit der überhandnehmenden
boßheit wehre. Sonderlich wo man ja die lebensstraff nicht aufflegen will/
daß es nicht beym geldstraffen bleibe/ sondern dergleichen straffen möchten
gesucht werden/ als da sind mehr jährige oder doch sonsten langwierige har-
te arbeiten/ dadurch böse und verruchte gemüther durch die zeit endlich öff-
ters mögen gebessert werden.

Q. 4.
Ob auch ein pfarrherr eine solche person/ so von einem weibs-
bilde hurerey wegen angegeben worden/ und sonst nie-
mand als ober-herrschafft/ amtmann und pfarrherrn
wissend/ ohne öffentliche kirchen-buß (ob gleich der pfarr-
herr derselben das gesetz
privatim geschärffet) könne salva
conscientia
zum H. Abendmahl admittiren?

Auff diese frage meine/ daß gantz wohl mit Ja geantwortet werden mö-

ge.
o o
ARTIC. VI. SECTIO XXVII.
Q. 3.
Ob ein ehebrecher in adulterio duplici & ut ita dicam ſororio ja der
mit 2. 3. 4. etc. perſonen ehbruch begangen/ mit der lebens-
ſtraff koͤnne verſchonet und bloß bey der offentlichen kirchen-
buß und herrſchafftlicher ſtraff gelaſſen werden.

Jch leugne nicht/ daß viele Chriſtliche gottſeelige Theologi aus hertzlichem
eyffer ſtarck auf das capitale ſupplicium der adulterorum, wie es Gott bey
den juden in dem lege forenſi verordnet/ tringen: So wuͤrde ich auch nicht
entgegen ſeyn/ da ein Chriſtlicher Magiſtratus ſolches und andere leges Mo-
ſaicas,
was die ſtraffen anlanget/ in ihre respublicas introduciren wolten.
Jch bekenne aber/ daß ich nicht ſehe/ wie wir ſchlechter dings einen Magiſtra-
tum obligi
ren wolten/ in dem caſu adulterii, oder auch anderer delictorum,
ſolche ſupplicia legis Moſaicæ nothwendig anzunehmen. Jn dem wir keine
gnugſame urſachen anziehen koͤnnen/ warum da die uͤbrige ſanctiones foren-
ſes
ohne zweiffel auffgehaben ſind/ dieſer punct allein ausgenommen ſeyn
ſolte. Ein andere bewandnuͤß hats mit dem vorſetzlichen todtſchlag/ wo ich
nicht zweiffele/ daß deſſelben capitalis ſententia und lebens-ſtraff nicht unter
einiger obrigkeit macht und diſpenſation ſtehe/ als dem gantzen menſchlichen
geſchlecht in den poſteris Noæ 1. Moſ. 9. gegeben. Jedoch wo die delicta a-
trocia
ſind/ wuͤrde die obrigkeit beweglich zuerinnern ſeyn/ daß ſie die ſtraffe
ſchaͤrffer als insgemein geſchihet/ ſetze/ und damit der uͤberhandnehmenden
boßheit wehre. Sonderlich wo man ja die lebensſtraff nicht aufflegen will/
daß es nicht beym geldſtraffen bleibe/ ſondern dergleichen ſtraffen moͤchten
geſucht werden/ als da ſind mehr jaͤhrige oder doch ſonſten langwierige har-
te arbeiten/ dadurch boͤſe und verruchte gemuͤther durch die zeit endlich oͤff-
ters moͤgen gebeſſert werden.

Q. 4.
Ob auch ein pfarrherr eine ſolche perſon/ ſo von einem weibs-
bilde hurerey wegen angegeben worden/ und ſonſt nie-
mand als ober-herrſchafft/ amtmann und pfarrherrn
wiſſend/ ohne oͤffentliche kirchen-buß (ob gleich der pfarr-
herr derſelben das geſetz
privatim geſchaͤrffet) koͤnne ſalva
conſcientia
zum H. Abendmahl admittiren?

Auff dieſe frage meine/ daß gantz wohl mit Ja geantwortet werden moͤ-

ge.
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[289/1089] ARTIC. VI. SECTIO XXVII. Q. 3. Ob ein ehebrecher in adulterio duplici & ut ita dicam ſororio ja der mit 2. 3. 4. etc. perſonen ehbruch begangen/ mit der lebens- ſtraff koͤnne verſchonet und bloß bey der offentlichen kirchen- buß und herrſchafftlicher ſtraff gelaſſen werden. Jch leugne nicht/ daß viele Chriſtliche gottſeelige Theologi aus hertzlichem eyffer ſtarck auf das capitale ſupplicium der adulterorum, wie es Gott bey den juden in dem lege forenſi verordnet/ tringen: So wuͤrde ich auch nicht entgegen ſeyn/ da ein Chriſtlicher Magiſtratus ſolches und andere leges Mo- ſaicas, was die ſtraffen anlanget/ in ihre respublicas introduciren wolten. Jch bekenne aber/ daß ich nicht ſehe/ wie wir ſchlechter dings einen Magiſtra- tum obligiren wolten/ in dem caſu adulterii, oder auch anderer delictorum, ſolche ſupplicia legis Moſaicæ nothwendig anzunehmen. Jn dem wir keine gnugſame urſachen anziehen koͤnnen/ warum da die uͤbrige ſanctiones foren- ſes ohne zweiffel auffgehaben ſind/ dieſer punct allein ausgenommen ſeyn ſolte. Ein andere bewandnuͤß hats mit dem vorſetzlichen todtſchlag/ wo ich nicht zweiffele/ daß deſſelben capitalis ſententia und lebens-ſtraff nicht unter einiger obrigkeit macht und diſpenſation ſtehe/ als dem gantzen menſchlichen geſchlecht in den poſteris Noæ 1. Moſ. 9. gegeben. Jedoch wo die delicta a- trocia ſind/ wuͤrde die obrigkeit beweglich zuerinnern ſeyn/ daß ſie die ſtraffe ſchaͤrffer als insgemein geſchihet/ ſetze/ und damit der uͤberhandnehmenden boßheit wehre. Sonderlich wo man ja die lebensſtraff nicht aufflegen will/ daß es nicht beym geldſtraffen bleibe/ ſondern dergleichen ſtraffen moͤchten geſucht werden/ als da ſind mehr jaͤhrige oder doch ſonſten langwierige har- te arbeiten/ dadurch boͤſe und verruchte gemuͤther durch die zeit endlich oͤff- ters moͤgen gebeſſert werden. Q. 4. Ob auch ein pfarrherr eine ſolche perſon/ ſo von einem weibs- bilde hurerey wegen angegeben worden/ und ſonſt nie- mand als ober-herrſchafft/ amtmann und pfarrherrn wiſſend/ ohne oͤffentliche kirchen-buß (ob gleich der pfarr- herr derſelben das geſetz privatim geſchaͤrffet) koͤnne ſalva conſcientia zum H. Abendmahl admittiren? Auff dieſe frage meine/ daß gantz wohl mit Ja geantwortet werden moͤ- ge. o o

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1089>, abgerufen am 28.03.2024.